Vessel09.03.2012, Benjamin Schmädig
Vessel

Im Test:

Fluros sind verdammt vielseitige kleine Helfer. Sie springen auf Knöpfe, sie zwängen sich durch Gitterstäbe, sie laufen mir hinterher - aber wehe, die bauchgroßen Bälle bestehen nicht aus Wasser, sondern aus Feuer. Dann nehme ich besser die Beine in die Hand und gehe der versengenden Berührung aus dem Weg. Nur wenn ich Dampf benötige... dann locke ich einen Fluro mit der richtigen Wegfindung in ein Wasserbecken und schon zischt nebliger Dunst in die Höhe!

Auf Umwegen nach Hause

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll; am liebsten hätte ich Vessel (ab 2,98€ bei kaufen) gleich in der Einleitung komplett beschrieben - die polternden Böden und rasselnden Gelenkketten der Steampunk-Kulisse, das elektronische Summen der beruhigenden Musik, die vielen kleinen Aha-Momente der tollen Physik.

Vielleicht fange ich einfach am Anfang an, als der geniale Wissenschaftler M. Arkwright eine Art Roboter erschaffen hat, genauer gesagt einen Samen, der bei Berührung mit Flüssigkeit zu einer feuchten Kugel wächst, die automatisch auf Knöpfe springt. Es versteht sich von selbst, dass diese Fluros den Menschen viel Arbeit abnehmen und Arkwright ein gefülltes Konto bescheren. Doch die Sache hat einen Haken, natürlich! Denn eins der Fluros schlägt seinem Erfinder glatt die Tür vor der Nase zu. Was führt die eigenmächtige Wasserkugel bloß im Schilde?

Mir bleibt nichts anderes übrig, als Arkwright in sein eigenes Haus zurück zu lotsen und das angerichtete Unheil gerade zu biegen. Schließlich muss er den Gerüchten über eine Fabrik nachgehen, in der Fluros angeblich für Unruhe sorgen. Sogar ganz neue Fluros soll es geben...

Physik? Logisch!

Wie in vielen Knobel-Abenteuern ist es meist die Suche nach dem Ausgang, die mich antreibt. Türen müssen geöffnet werden - viele Türen! Und dafür kippe ich klobige Hebel, die an die Weichensteller alter Eisenbahnen erinnern. Ich lege Samen neben

Schon 2010 gewann Vessel übrigens einen Preis beim Independent Games Festival, und zwar jenen für Technical Excellence.

Weil Strange Loop Games das Spiel daraufhin stark weiter entwickelte, zogen bis zur Veröffentlichung anschließend ganze zwei Jahre ins Land. Wasserbecken, die daraufhin zu Fluros werden und sich durch Gitter quetschen, um ferne Knöpfe zu drücken. Später erhalte ich einen tragbaren Wassertank, mit dem ich Flüssigkeit aufsaugen oder versprühen kann. So kann ich jederzeit aus Samen Fluros machen oder Wasser in Tanks füllen. Manche Maschinen werden auch mit Dampf angetrieben - ein Spritzer Wasser auf loderndes Feuer und das Tor geht auf.

Es ist so wundervoll durchschaubar: Wasser fließt nach unten, es reagiert mit Feuer, Hebel setzen Mechanismen in Gang und Schaukeln pendeln physikalisch korrekt. Vessel verzichtet völlig zurecht auf eine Anleitung; durch spielerisches Experimentieren habe ich alles gelernt, wozu Arkwright imstande ist. Und immer staune ich über liebevolle Details wie zitternde Fluros, die beim Anblick von Arkwrights Wasser-Staubsauger ihre spitzen Ärmchen angsterfüllt einrollen und den Blick demütig senken.

Sie brennen!

Richtig knifflig werden die Rätsel spätestens dann, als mir tatsächlich neue Fluros begegnen: Fluros aus Feuer! Denn während die feuchten Roboter bei einer Berührung gefahrlos zerfließen, verliert Arkwright nach längerem Kontakt mit Hitze sein Leben. Natürlich kann er die heran staksenden Lavafluros löschen, so lange sich Wasser in seinem

Steampunk-Kulisse und eine überzeugende Physik zeichnen das Knobeln aus.
Steampunk-Kulisse und eine überzeugende Physik zeichnen das Knobeln aus.
Tank befindet. Doch die Ration ist bemessen und die Fluro-Produktion mitunter endlos. Sinnvoller ist es, den Angreifern auszuweichen und ihre Verfolgungsmuster zu erfassen, um sie an bestimmte Positionen, z.B. das erwähnte Wasserbad, zu locken...

Später erhalte ich Samen, mit denen ich nach Belieben aggressive oder helfende Fluros erschaffen kann, sowohl aus Wasser als auch aus Feuer. Ich benötige die zu Schlacke erloschene Lava, es kommen erneut Fluros hinzu und ich darf die Düsen meines Wassertanks verbessern sowie neue anschrauben. Eine erzeugt z.B. so viel Druck, dass ich über dem Boden schwebe. Wichtigstes Lösungsmittel ist selbstverständlich das richtige Kombinieren unterschiedlicher Aktionen, gelegentlich sogar im richtigen zeitlichen Abstand. Viele Puzzles wirken auf den ersten Blick unglaublich banal - entpuppen sich aber schnell als harte Kopfnüsse. Gut, dass Artwright beliebig zwischen ungelösten Aufgaben hin und her laufen darf.

Das lange Aufkommen

Nur wenn das Weiterkommen von geschickten Sprüngen abhängt, fehlt dem Spiel der letzte Feinschliff.
Nur wenn das Weiterkommen von geschickten Sprüngen abhängt, fehlt dem Spiel der entscheidende Feinschliff.

Manchmal wünschte ich nur, ich könnte mit einer freien Kamera über die Maschinen schwenken, um mir einen Überblick zu verschaffen. Es verbindet mich zwar stärker mit Artwright und seiner Welt, dass ich ihn zum Anschauen eines Mechanismus' dorthin bewegen muss. Mitunter wäre ich über eine bessere Übersicht aber dankbar.

Halb so wild - schwerer wiegen die trägen Bewegungen des Erfinders. Denn so sehr es dem Knobeln hilft, dass ich Artwright immer wieder Leitern rauf, Leitern runter, über schaukelnde Plattformen oder brennende Lava lotsen muss, so sehr fehlt mir die direkte Kontrolle über seine Gebeine. Ob er an einer Leiter hängt oder gerade runter fällt, ist im entscheidenden Augenblick schwer zu erkennen. Und dass er nach einem Sprung erst die lange Landung beenden muss, bevor er den nächsten Satz nimmt, unterbricht den intuitiven Ablauf. Gerade bei Berührung mit Flüssigkeiten kommen Physik und Jump&Run nicht immer auf einen grünen Zweig.

Fazit

Die Physik ist der große Star: beim Aufsaugen, Versprühen und Kombinieren verschiedener Flüssigkeiten - die Physik und die vielen knarzenden Hebel, klirrenden Ketten und zischenden Dampfkessel der industriellen Steampunk-Revolution. Ich bin fasziniert von einer Welt, die ich durch Probieren und logisches Experimentieren für mich entdecken konnte! Mit einer direkteren Steuerung könnte die Verbindung von Denksport und Geschicklichkeitsspiel zwar noch umfassender sein und im Grunde entschlüssele ich in Vessel einmal mehr nur die Funktionsweise des finalen Türöffners. Dabei drücke ich aber nicht nur Knöpfe, sondern muss die Eigenschaften vieler Roboter geschickt für meine Zwecke nutzen. Es geht um das clevere Ziehen unsichtbarer Fäden, um die indirekte Kontrolle über autonome Wesen. Und wenn die gelingt, dann fühlt sich Erfolg umso schöner an.

Wertung

PC

Physikalische Experimente und dampfende Steampunk-Maschinen: Vessel entführt in eine faszinierende Rätselwelt.

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