Grand Theft Auto 329.05.2002, Paul Kautz
Grand Theft Auto 3

Im Test:

Unser schweigsamer, namenloser Held wurde bei einem Banküberfall von der eigenen Komplizin niedergeschossen. Nach der Verurteilung wartet er im Gefangenentransport auf seine Ankunft im Strafvollzug. Doch alles kommt ganz anders: Ein Mitgefangener wird befreit; wie schon für Harrison Ford in "Auf der Flucht" ist das die Gelegenheit, Euch aus dem Staub zu machen. Ein anderer Häftling bietet Euch die Gelegenheit, für die "Familie" den einen oder anderen Auftrag zu erledigen - und schon seid Ihr mitten in GTA3.

Kleines Gangster-Einmaleins

Take 2 hat sich mit der Umsetzung des überaus erfolgreichen PS2-Spiels sehr viel Zeit gelassen. Doch sobald man den ersten Fuß auf Liberty City-Boden gesetzt hat, weiß man, dass sich die Warterei gelohnt hat: Selten gab es eine so riesige, abwechslungsreiche, in sich geschlossen und dabei doch stets lebendig wirkende Stadt! Fußgänger gehen ihrem Tagwerk nach, und werden dabei gelegentlich Opfer eines Überfalls. Autofahrer halten sich an ein funktionierendes Ampelsystem, wechseln die Spur, hupen laut, wenn ihnen etwas nicht passt - und müssen dabei stets um ihren Wagen fürchten.

Alte Geschäft, neue Geschäfte

Im Gegensatz zu den Vorgängern ist GTA3 nun komplett in 3D gehalten. Ihr schaut Eurem Protagonisten von hinten über die Schulter (und könnt witzigerweise in eine GTA-ähnliche Perspektive wechseln), im Fahrzeug stehen fünf weitere Kameraansichten zur Verfügung. Die Sichtweite ist enorm: Alles, was am Horizont zu sehen ist, kann auch erreicht werden - allerdings erst, nachdem Ihr Euch Zugang zu allen drei Stadtgebieten von Liberty City verschafft habt: Portland bietet als Industriegebiet hauptsächlich zwielichtige Spelunken, herumstolzierende Prostituierte und massig Fabriken.

Staunton Island ist Liberty City´s Manhattan: Gewaltige Wolkenkratzer ragen in den Himmel, Spielkasinos, Einkaufszentren und ein Footballstadion gehören hier zu den Sehenswürdigkeiten. Shoreside Vale schließlich ist der noble Vorort: Hier setzen sich alternde Gangster zur Ruhe. Daher sind die gepflegten Straßen von edlen Villen und teuren Karossen gesäumt; schießwütige Bodyguards halten ihren Herren unerwünschten Besuch vom Hals. Die Städte sind untereinander verbunden und können jederzeit besucht werden, sobald die Verbindungen offen sind.

Millionen Missionen

In GTA3 habt ihr mehr als 70 Aufträge zu erfüllen: Das Spektrum ist sehr umfangreich und geht weit über normale Botenfahrten hinaus: Gegner müssen ausgeschaltet, und Wagen gestohlen, umlackiert oder mit einer Bombe versehen werden. Ihr verfolgt Personen, fahrt Fluchtfahrzeuge, verteidigt als Scharfschütze einen Kollegen oder befördert unliebsame Konkurrenten samt Wagen ins Meer. Die meisten Aufträge erhaltet Ihr über Kontaktmänner, oftmals aber auch über Telefon oder Euren piepsenden Pager. Dabei solltet Ihr immer einen Blick auf die Uhr werfen: Manche Missionen sind an bestimmte Zeiten gebunden.

    

Völlige Freiheit

Viele Aufgaben sind mit einem sehr unnachgiebigen Zeitlimit versehen, so dass man des Öfteren mehr als einen Anlauf benötigt, um sie zu bestehen. In aller Regel macht das nichts, meistens hat man unendlich viele Versuche. Leider darf nicht frei gespeichert werden, lediglich an einem bestimmten Punkt in jedem Stadtteil. Und das auch nur, falls Ihr Euch nicht gerade in einer laufenden Mission befindet. Es gibt keine Lebensbegrenzung; falls Ihr auf die eine oder andere Weise das Bewusstsein verlieren solltet, wacht Ihr kurz darauf im nächsten Krankenhaus ohne Waffen, und mit etwas weniger Geld wieder auf.

Das gängigste Transportmittel in Liberty City ist das Auto, dessen Benutzung diebstahlsbasiert ist: Fahrzeuge werden angehalten, der Fahrer rausgezerrt und schon geht´s motorisiert weiter. Das Spektrum der knapp 40 Vehikel reicht vom sportlichen Flitzer über Reisebus, Familienkutsche und Jeep bis hin zum Panzer. Allerdings hängen manche Bürger an ihren Karren - wer zu lange trödelt, wird eventuell selbst wieder aus dem Wagen gezogen! Einige Fahrzeuge können auch genutzt werden, um nebenher ein wenig Bares zu ergattern: etwa als Taxifahrer Passagiere befördern, als Krankenwagenfahrer Verletzte ins Hospital bringen oder als Feuerwehrmann schnell zum Brandherd gelangen. Nebenbei kann man auch Geld als Stuntman verdienen: Falls also irgendwo eine Rampe herumsteht, sollte man einfach mal drüberrasen - mit großer Wahrscheinlichkeit gibt es was dafür, dass man möglichst spektakulär wieder auf dem Boden der Tatsachen landet. Im späteren Spielverlauf greift Ihr auch auf Boot, U-Bahn, Zug oder Flugzeug zurück.

Hoher Bodycount

In Liberty City geht es selten friedlich selten zu, in den meisten Fällen sprechen die Waffen: das Angebot reicht von der Pistole über Uzi und MG bis hin zu Molotov-Cocktails. Offene Schießereien mit konkurrierenden Banden (es gibt insgesamt sieben im Spiel) sind an der Tagesordnung. Falls man es dabei zu wild treibt, und gar einige Zivilisten in Mitleidenschaft zieht, kommt unweigerlich die Polizei auf den Plan. Sechs Sterne zeigen Euren "Gesucht"-Level an: Auf dem ersten sind läppische Streifenpolizisten hinter Euch her, später kommen vollgestopfte Einsatzwagen, Hubschrauber, das FBI und sogar die Armee als Verstärkung dazu. Spätestens bei einer solchen Übermacht solltet Ihr Euren Wagen schleunigst für etwas Geld umlackieren lassen - schon habt Ihr Eure weiße Weste wieder. Falls Ihr doch erwischt werdet, landet Ihr im Knast und seid kurz darauf, um Waffen und Kleingeld erleichtert, wieder auf freiem Fuß. Im Gegensatz zur englischen Version fließt in der hiesigen Variante nicht ein Tropfen Blut - und wird auch keine Sekunde vermisst. Allerdings muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass GTA3 keinesfalls ein Spiel für Kinder ist - Gewalt (auch gegen Unschuldige) ist hier nun mal Mittel zum Zweck, auch wenn sie dank der teilweise comichaften Grafik kaum ernst genommen werden kann.

  

Grafisches Wunderland

Die Optik von GTA3 ist einfach phänomenal! Die ganze Stadt ist unglaublich detailliert aufgebaut; der Tag verläuft in stark beschleunigter Echtzeit: Sonnenaufgänge sind in ein herrliches Orange getaucht, Untergänge blenden in sattem Rot - natürlich nur, wenn das Wetter entsprechend mitspielt. Man kann mitverfolgen, wie Nebel die Straßen umwallt, Wolken aufziehen und die ersten Tropfen fallen - und alles später zu einem handfesten Gewitter wird, wobei sich Lichter auf den Straßen spiegeln. Es pladdert mal stärker, mal schwächer, und ist alles vorbei, bekommt man auch mal einen Regenbogen zu sehen. Liegt die ganze Umgebung unter einem Nebelhaufen, erkennt man kaum noch die Hand vor dem Gesicht, dafür aber die geisterhaften Nebelscheinwerfer an den Autos. Doch das alles ist nicht nur ein optischer Gag, sondern wirkt sich, im Falle von Regen, auch auf die Fahreigenschaften aus: Die Straße wird spürbar glatter, das Auto schwerer zu kontrollieren.

Gerade die Fahrzeuge sind absolute Hingucker in GTA3: Sind die schicken Flitzer anfangs noch hochglanzpoliert, baumeln später Stoßstangen lose runter, die Motorhaube flattert im Wind, der Kühler dampft, und die Karre sieht verbeulter aus als ein Gegner von Mike Tyson.

Spätestens wenn die ersten Flammen aus dem Motorraum springen, ist es Zeit, aus dem Wagen zu hechten und die Beine in die Hand zu nehmen - kurz darauf gibt es nämlich eine markerschütternde Explosion. Diese lockt meistens Schaulustige an - dann sieht man besonders gut, dass es den Stadtbewohnern leider an Abwechslung mangelt: Im Laufe des Spiels begegnet man immer gleich aussehenden Figuren. Bei den Gangmitgliedern macht das durchaus Sinn, bei Joggern oder Bauarbeitern nicht. Hin und wieder wird die Action von Zwischensequenzen aus der Engine unterbrochen, die besonders dank flüssiger Animationen und cooler Dialoge punkten. Bei all dieser grafischen Pracht ist es erstaunlich, wie kurz die Ladezeiten sind - der Übergang von einem Stadtteil zum nächsten ist eine Frage von wenigen Sekunden, im Spiel wird nur zum Auftakt und Abschluss einer Mission kurz geladen.

  

Schliddern wie im Winter

Gesteuert wird GTA3 vorzugsweise mit Tastatur und Maus, PS2-Veteranen dürfen auch zum Joypad greifen. Aber gerade die Fahrzeugsteuerung ist mit der bewährten PC-Kombi wesentlich sanfter und intuitiver - man hat eigentlich nie das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren oder gegen die Steuerung zu kämpfen. So kann man herrlich rasen, um Kurven schliddern und waghalsige Überholmanöver riskieren. Jeder Wagen fährt sich anders; dank des realistischen Physiksystems spürt man förmlich, wie die Stoßdämpfer bei engen Kurven ächzen oder einzelne Blechteile nach einem unsanftem Landemanöver absprengen. Ist man zu Fuß unterwegs, sieht die Sache schon anders aus: Sprünge sind kaum punktgenau zu platzieren, und sprinten ist nur für kurze Zeit möglich - danach muss unser Held eine Weile verschnaufen. Ärgerlicherweise ist es nur mit wenigen Waffen möglich, aus dem Laufen heraus zu feuern. Eine bleihaltige Flucht ist damit quasi ausgeschlossen, kontrolliertes Ausweichen ist auch nur schwer möglich. Immerhin hat man im Wagen die Möglichkeit, seinen Verfolgern allerlei Hindernisse in den Weg zu legen: Neben Zivilfahrzeugen, die mal eben weggerammt werden, lässt sich auch ein großer Teil der Umgebung zerlegen: Mülltonnen, Laternen, Ampeln, Hydranten - der Zerstörungsgrad des Spiels liegt irgendwo zwischen Destruction Derby und Midtown Madness.

Mitwippen angesagt

Die Akustik, schon immer ein Highlight der GTA-Reihe, enttäuscht auch dieses Mal nicht: Sobald man ein Auto bestiegen hat, beginnt das Radio zu plärren. Ihr könnt unter neun verschiedenen Radiostationen wählen, bei denen für jeden Geschmack was dabei sein dürfte: Ob Techno, Drum´n Bass, Pop, Hip-Hop oder Oper - die schier endlos vielen Songs klingen sehr professionell und sorgen für einen akustischen Kick. Zwischen den Tracks gibt es auch immer wieder teils sehr abgefahrene Radiowerbung, Interviews, Ansagen und vieles mehr. Falls Ihr jedoch darauf keine Lust haben solltet, könnt Ihr auch Eure Lieblingsmusik im MP3- oder WAV-Format in ein bestimmtes Verzeichnis kopieren, und schließlich im Spiel auswählen. Auf Schusters Rappen gibt es keinerlei Musik, sondern nur die Geräusche der Stadt zu hören: Knatternde Uzis, jaulende Polizeiwagen, hupende Lastwagenfahrer, eine ratternde U-Bahn oder kreischende Passanten. Dazu kommen massig Gespräche mit Kontaktmännern, die in jedem Fall englisch sind - jedoch sind deutsche Untertitel einblendbar. Die Sprecher wurden hervorragend ausgewählt und bringen Ihre Rollen super rüber: Ob eiskalte Yakuza-Braut, verschlagener Mafia-Boss oder dauerbekiffter Rasta - alle wirken glaubwürdig.

Die PC-Version hat seit der PS2-Variante einige Aufwertungen erfahren: Abgesehen von der besseren Sichtweite und hochauflösenden Texturen dürft Ihr auch eigene Skins verwenden und maximal 30sekündige Replays aufzeichnen. Leider wurde nicht mal ein Hauch von Multiplayermodus integriert - sehr ärgerlich, wenn man bedenkt, was man sich für herrliche Straßenrennen hätte liefern können.

   

Fazit

In aller Kürze: Geht und kauft Euch eines der derzeit besten PC-Spiele überhaupt! Etwas länger: Ich habe selten ein Spiel mit derartiger Handlungsfreiheit erlebt. Es gibt immer mehrere Lösungen für ein Problem; wenn man will, kann man sein Geld auch friedlich verdienen - oder aber auch als Gangster übelster Sorte, wenn man mit den Konsequenzen leben kann. Grafik, Sound, Spielwitz und Mittendrin-Gefühl sind vom Allerfeinsten und die Motivation auch nach Tagen und Wochen des Spiels ungebrochen hoch. Einige kleinere Dämpfer wie Grafikfehler, das eingeschränkte Speichersystem oder die eine oder andere maue Mission vermögen den Spielspaß kaum zu bremsen. GTA3 ist am PC mindestens genauso ein Highlight wie auf der PS2 - wenn nicht sogar ein wenig mehr. Allerdings nur für Spieler, die kein Problem mit der teils heftigen Gewaltdarstellung haben.

Pro

<LI DESIGNTIMESP="968">nicht-linearer Missionsverlauf<LI DESIGNTIMESP="970">völlige Handlungsfreiheit<LI DESIGNTIMESP="972">atemberaubende Grafik<LI DESIGNTIMESP="974">exzellenter Soundtrack<LI DESIGNTIMESP="976">sehr kurze Ladezeiten<LI DESIGNTIMESP="978">riesiges Spielareal<LI DESIGNTIMESP="980">einfache Steuerung<LI DESIGNTIMESP="982">sehr gutes Handbuch mit Stadtplan<LI DESIGNTIMESP="984">herrlich schwarzer Humor</LI>

Kontra

<LI DESIGNTIMESP="991">hohe Hardwareanforderungen<LI DESIGNTIMESP="993">maue Fußgängersteuerung<LI DESIGNTIMESP="995">kein freies Speichern<LI DESIGNTIMESP="997">abwechslungsarme Fußgänger<LI DESIGNTIMESP="999">unausgewogener Schwierigkeitsgrad</LI>

Wertung

PC

Eines der aufregendsten Spielerlebnisse aller Zeiten!

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