Might & Magic IX08.05.2002, Bodo Naser
Might & Magic IX

Im Test:

Fast zeitgleich mit dem bereits Kultstatus genießenden Fantasy-Strategiespiel Heroes of Might & Magic IV präsentiert uns die Spiele-Schmiede 3DO nun den inzwischen neunten Teil ihrer Might & Magic-Saga. Diesmal komplett in 3D - größere grafische Genüsse sind davon aber leider nicht zu erwarten. Ob Might & Magic IX (ab 9,97€ bei kaufen) wenigstens spielerisch mit den hohen Erwartungen seiner Fans Schritt halten kann, wisst Ihr sicher nach der Lektüre unserer Review.

Die Anfänge...

Gerade mal 256 Kilobyte umfasste der erste Teil der Might & Magic-Serie, The Secret of the Inner Sanctum, aus dem Jahr 1984. Als eines der ersten Rollenspiele überhaupt verfügte er bereits über die später so typische Ego-Perspektive, damals allerdings noch in EGA-Grafik. Seither gehört die beliebte Serie wie Ultima oder Wizardry längst zu den legendären Klassikern des Rollenspiel-Genres: Über fünf Millionen Exemplare wurden bisher verkauft. Mit Might & Magic IX will 3DO noch einmal wissen, ob noch genug Power in seiner alten Saga steckt.

Story

Ein erster Dämpfer für die Vorfreude: Die einfallslose Handlung von Might & Magic IX wird eigentlich nur noch von den Simpel-Plots der Action-RPG Dungeon Siege oder Diablo 2 unterboten. Ganz nach dem Motto "Das haben wir irgendwo schon einmal gehört!" wird das Drachenschiff Eurer Party bei einem Spezialauftrag auf ein Riff geschleudert und Ihr landet als Schiffbrüchige auf einer Insel. Nun müsst erst einmal versuchen, von dort wieder weg zu kommen. Eine alte Troll-Frau verrät Euch, dass Euer Heimatland Chedian durch die grausamen Belodianischen Horden bedroht wird. Um Bösewicht Tamur Leng samt seiner Armeen besiegen zu können, müsst Ihr sechs Clans im Kampf vereinen. Keine leichte Aufgabe, weil natürlich jeder Clan erst einmal einen Vertrauensbeweis haben will...

Macht oder Magie?

Traditionell steht am Beginn eines Rollenspiels die Erschaffung der Spiel-Charaktere, die Fans geradezu gottesdienstähnlich zelebrieren. Bei Might & Magic IX besteht Eure Party anfänglich aus vier Charakteren, die Ihr aus vier Rassen (Mensch, Zwerg, Elf, Halb-Ork) und zwei Grund-Charakterklassen - Krieger oder Magier - auswählen dürft. Bei der Wahl solltet Ihr auf Ausgewogenheit der Gruppe achten. Später dürft Ihr noch bis zu drei NPCs in Eure Party aufnehmen. Eine Grundausstattung bekommen die Helden mit auf den gefährlichen Weg. Im Charakterbildschirm dürfte Veteranen der Serie aber negativ auffallen, dass der anschauliche Anziehmodus weichen musste. Leider wird nun die Rasse falsch angezeigt, eine Zwergenkriegerin etwa sieht dort wie ein Halb-Ork aus!

Entwicklung der Charaktere

Habt Ihr das Tutorial, bei dem Ihr in einer Art Trainingscamp etwas zum Spiel erfahrt, genug genossen, brechen Eure Helden ins gefährliche Abenteuer auf. Die mittelalterliche Fantasy-Welt besteht aus zehn Regionen und ist damit recht groß. Das Lösen der Quests sowie die Kämpfe liefern Gold, Ruhm und natürlich Erfahrung. Die allein bringt Euch bei Might & Magic IX aber noch nicht weiter - vielmehr müsst Ihr teures Geld in den Ausbau der zahllosen Skills investieren. Eure Recken schickt Ihr zum Ausbilder, so Ihr denn den richtigen findet, und erhaltet dann Punkte, die Ihr frei auf die vorhandenen Fähigkeiten wie Bogenschießen, Waffenkunde oder Fallen entschärfen verteilen könnt. Hierbei gibt es Grundstufe, Expertenstatus und Meisterschaft. Noch eine Beförderung findet Ihr bei den Klassen: Für höhere Weihen (wie Druide, Ranger oder Paladin) braucht Ihr genug Erfahrung und müsst zusätzlich eine Promotion-Quest lösen.

Insgesamt gibt es an die 65 Quests im Spiel. Sofern Ihr nicht gerade laufintensive Botendienste verrichtet, sind diese abwechslungsreich wenn auch nur selten richtig anspruchsvoll. Ihr müsst z.B. einen General aus dem Gefängnis holen, eine Burg von feuerroten Kobolden säubern oder einen Job für einen verwöhnten Königssohn suchen. Witzige Details sorgen für die nötige Portion Humor. Dabei ist es erforderlich, die Skills der Party-Mitglieder richtig einzusetzen: Da gilt es schon mal, eine geheime Tür zu entdecken oder das Schloss an einer Kiste zu knacken. Dialoge finden per Multiple-Choice-Verfahren statt. Manch eine Aufgabe ist jedoch ordentlich verbugt und kann daher nicht gelöst werden. So führt sie schließlich gar nicht zur Beförderung, da das lästige "Bug-Monster" sie unmöglich macht.

Bedienbarkeit

In gewohnter Ego-Perspektive steuert Ihr Eure Gruppe per Tastatur und Maus durch die 3D-Umgebung, die nicht nur bloßes Beiwerk ist, da Ihr bisweilen auch springen und klettern müsst. Die Bedienung ist durch die vielen Tasten etwas zu kompliziert und leidet zusätzlich an lästigen Fehlern. So spricht die rechte Maustaste nicht an, was etwa Kurzzauber verhindert. Das Zaubern im Kampf gestaltet sich daher umständlich. Des Weiteren können die Charaktere für Aktionen nicht einfach ausgewählt werden. Um von einem zum nächsten zu gelangen, müsst Ihr die Aktionstaste drücken. Der Charakterbildschirm ist anschaulich, kann aber nicht mit den Übersichten von Wizardy 8 mithalten. Ein Quest-Tagebuch, das Notizbuch und Automapping sorgen für den nötigen Überblick.

Kämpfe nach Wahl

Might & Magic IX gibt sich wie Wizardry 8 recht kampfbetont, obgleich das lästige Respawning der Gegner selten vorkommt - einmal gesäubert bleiben die ungefähr 40 Dungeons monsterfrei. Kämpfe können im Echtzeit-Modus oder rundenbasiert durchgeführt werden. Ersteres ist nur bei ganz leichten Gegnern zu empfehlen. Starke Monster geht Ihr lieber im rundenbasierten Modus an, da Ihr dann Eure Schritte in Ruhe planen könnt. Wichtig ist dabei die richtige Formation, die Ihr erstmals bei Might & Magic selbst bestimmen dürft. Erleichtern könnt Ihr die Fights dadurch, dass Ihr Euch NPCs in die Gruppe holt, die tapfer an Eurer Seite kämpfen.

Wirklich schrecklich anzusehen sind aber die Monster! Das liegt vor allem daran, dass die Entwickler ihnen ein grausiges Polygon-Design verpasst haben. Manch ein Gegner sieht daher so bemitleidenswert aus, dass Ihr Euch das Draufhauen fast noch mal überlegt. Von recht lebendigen Hänge-Pflanzen, über rote Kobolde, räuberische Knechte und gepanzerten Wachen bis hin zum hässlichen Basilisken reichen die Gegner. Ihr Verhalten im Kampf ist oft undurchschaubar: Sie hüpfen wie aufgeschreckte Hühner durch die Gegend, stürzen sich in Löcher oder schlagen nur einmal zu. Getötete Unholde werfen reiche Beute in Form von Säckchen ab, die bisweilen schwer auszumachen sind. Wozu ein einfacher Käfer aber Zauberbücher mit sich herum trägt, bleibt ungeklärt.

Magisches

Im Bezug auf die Magie bleibt Might & Magic IX leider meilenweit hinter vergleichbaren Rollenspielen zurück. Das Zaubersystem mit seinen vier Grundrichtungen (Elementar, Geist, Dunkel und Licht) ist zwar übersichtlich, mit nur 40 Sprüchen gibt es aber viel zu wenige Zauber. Im Spiel steht Euch außerdem immer nur ein Bruchteil aller Sprüche zur Verfügung. Und es dauert lange, bis Ihr Zauber (wie etwa "Funken-Regen") wirksam einsetzen könnt - zu Beginn richten sie nur wenig Schaden an. Mit Hilfe des nützlichen Spruchs "Gegenstand verzaubern", könnt Ihr versuchen, Sachen Magie einzuhauchen, was freilich nicht immer gelingt. Im Spiel gibt es Spruchrollen und Zauberbücher, erstere für den einmaligen Einsatz und letztere für das Erlernen von Magie. Die Zauber sind animiert, allerdings nicht sonderlich gelungen.

Hässliche Optik

Die größten Schwächen offenbaren sich bei Might & Magic IX in punkto Grafik. Trotz der modernen Lithtech 3D-Engine gelingt es den Designern nicht mal ansatzweise, eine annehmbare Optik anzuliefern. Die polygonalen Monster und NPCs sehen grob und unschön aus - eine höhere Auflösung als 800x600 ist, obwohl von der Engine unterstützt, nicht möglich. Bisweilen kommen auch die Größenverhältnisse durcheinander, wenn eines der sonst Furcht einflößenden Skelette als drei Käse hohes "Klappergestellchen" daher kommt. Die Hintergründe könnten öder nicht sein: Selbst in den Städten, in denen eigentlich das Leben pulsieren sollte, finden wir nur wenige Details! Märchenhafte Wälder wie in Dungeon Siege gibt es nicht, einzig ein paar gerupft aussehende Baumleichen stehen verloren herum. Nur die wenigen animierten Zwischenseqenzen, die die Story vorantreiben, können sich sehen lassen.

Sound

Die Musik von Might & Magic IX dient vor allem einem Zweck - die Spannung in dunklen Dungeons oder beim Kämpfen zu verstärken. Dies gelingt aber nur manchmal, denn bisweilen ist der Soundtrack im Stil eines Abenteuerfilms einfach unpassend. An den In-Game-Geräuschen könnt Ihr beispielsweise nahende Monster erkennen - wenn irgendwo was schabt, ist ein Käfer oft nicht weit. Die Sprachausgabe wurde recht gelungen lokalisiert, auch wenn sie nicht mit der Stimmenvielfalt von Baldur`s Gate 2 mithalten kann.

Pro:

  • klassisches Rollenspiel
  • große Fantasy-Welt
  • 40 Dungeons
  • ca. 50 Stunden Spieldauer
  • ausgefeilte Skills
  • teils witzige Quests
  • rundenbasierte und Echtzeit-Kämpfe
  • Party-Formation
  • deutsche Sprachausgabe
  • gelungene Zwischensequenzen
  • spannungsgeladene Musik
  • Kontra:

  • simple Story
  • sehr kampflastig
  • laufintensiv
  • lieblose 3D-Grafik
  • schlecht animierte Wesen
  • teils schlechte KI
  • kaum grafische Effekte
  • komplizierte Bedienbarkeit
  • zu wenig Zaubersprüche
  • wenig einsteigerfreundlich
  • Kurzzauber funktionieren nicht
  • nervige Ausbildersuche
  • Musik passt teils nicht
  • lästige Bugs
  • Vergleichbar mit:

    Might & Magic-Reihe, Wizardry 8

    Fazit

    Zu viel Haudrauf und zu wenig Magic - so könnte man kurz den neunten Teil der Might & Magic-Reihe charakterisieren. Die öde Story, die triste Grafik, lästige Bedienfehler und die teils nervige Lauferei machen das 3D-Rollenspiel insgesamt zu einer lieblosen Angelegenheit. Dass gelegentlich doch noch Spielfreude aufblitzt, liegt einfach am Aufstiegsanreiz, dem unschlagbaren Grundprinzip aller Rollenspiele von Diablo 2 bis Gothic, das auch hier funktioniert. Neben Spielen wie Dungeon Siege und Morrowind kann das in die Jahre gekommene Rollenspiel aber nur noch vom Charme des Alters zehren. Nicht einmal mit dem ziemlich ähnlichen Wizardry 8 kann Might & Magic IX mangels spielerischer Tiefe und Bedienbarkeit mithalten. Einsteiger ins Genre sollten daher auf jeden Fall die Finger davon lassen. RPG-Profis und Fans der Serie können hingegen einen Blick riskieren.

    Wertung

    PC

    0
    Kommentare

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