Cultures 2 - Die Tore Asgards22.03.2002, Bodo Naser
Cultures 2 - Die Tore Asgards

Im Test:

Bei lustigen Aufbauspielen wie Siedler & Co ist der bundesdeutsche PC-Spieler fast nicht zu bremsen. Dieses Planen, Werkeln und Organisieren kommt unserer Natur ja doch irgendwie entgegen - außerdem sehen wir anderen einfach gerne beim Arbeiten zu! Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass uns auch der x-te Aufwasch der so genannten "Wusel-Orgien" noch immer in seinen Bann zieht. Ob dieser Sucht erzeugende Faktor auch für das neue Wikinger-Epos vom Wiener Publisher JoWood Cultures 2: Die Tore Asgards gilt, erfahrt Ihr aus unserem Test.

Die Wikinger kommen!

Wie schon im ersten Teil von Cultures schickt Euch Entwickler Funatics auch in der Fortsetzung des Aufbauspiels wieder auf große Fahrt mit den Nordmännern. Mit dem Unterschied, dass es dieses Mal nicht auf Entdeckungsreise ins ferne "Vinland" geht: Vielmehr muss der Wikingerstamm um den jungen Helden Bjarni verhindern, dass die gefürchtete "Midgardschlange" auf dem alten Kontinent alles mit ihrem giftigen Odem verseucht. Wie Bjarni aus einem Tagtraum erfährt, denkt die irrtümlicherweise, dass das nordische Weltende "Ragnarök" bereits begonnen hätte. Kein leichtes Unterfangen, zumal er auf der Suche nach drei geheimnisvollen Mitstreitern erst noch durch halb Europa reisen darf... Die Rahmenstory wirkt bei Cultures 2 weit weniger aufgesetzt als etwa bei Siedler 4. Das liegt vor allem daran, dass der Handlungsstrang in den Missionen konsequenter fortgesetzt wird.

Grundsätzliches

Die aus elf Missionen bestehende Kampagne beginnt mit einer noch leichten Einführungsrunde, bei der Ihr für Bjarni und seine Gesellen ein Drachenschiff für die Fahrt zu den legendären "Nornen" besorgen müsst. Dabei lernt Ihr schnell wichtige Grundprinzipen von Cultures 2: So etwa dass ein Missionsziel immer nur schrittweise erreicht werden kann. Es ist daher z.B. nicht möglich, sofort eine Brauerei für den vom Schiffsbauer begehrten Met einzurichten. Ihr müsst vielmehr den Umweg über Farm, Mühle und Bäckerei gehen. Nur so hat der Bäcker schließlich genug Erfahrung, um Brauer zu werden. Daneben gibt es aber noch acht freie Singleplayer-Missionen mit eigenen Karten, bei denen Ihr etwa die Geschicke der Wikingerstadt "Haitabu" leiten dürft.

Psychologie des Nordmannes

Anders als bei vergleichbaren Games spielen in Cultures 2 die Persönlichkeiten der putzigen Wikinger eine entscheidende Rolle. Vor allem die fünf Eigenschaften in der Status-Anzeige sind von großer Bedeutung: Wenn einer Eurer Träger wegen fehlender Kondition zu schwach für die Aufgabe ist, muss er sich häufig ausruhen und die Arbeit bleibt liegen. So müsst Ihr, spätestens ab der Normandie-Mission, stets den Geeignetsten für einen Job auswählen. Ferner ist es auch wichtig, für Wohnung, Einrichtung, Essen und Gesellschaft (eine Frau) der Handwerker zu sorgen. Nur so sind sie ausgeruht, ernährt und zufrieden und bringen volle Leistung. Besonders witzig ist, dass Ihr ein Ehepaar sogar anweisen könnt, einen Jungen oder ein Mädchen zu bekommen! Wie machen die das nur, dass der Klapperstorch immer das gewünschte Geschlecht bringt?

Neuerungen

Neu bei Cultures 2 ist gegenüber dem Vorgänger, dass Gebäude aufgewertet werden können. Gleich fünf Mal könnt Ihr die Produktionsstätten erweitern - freilich nur mit dem richtigen Know-how. Endlich dürft Ihr auch die gefährlich aussehenden Drachenschiffe der Nordmänner selbst steuern. Dies ist vor allem bei der Landnahme neuer Gebiete oder beim Transport von Waren und Mannen nützlich. Ein stark kampfbetontes Spiel war Cultures ja noch nie, aber es gibt nun auch Fernkämpfer und Katapulte. Die erleichtern Euch das Zerstören der feindlichen Gebäude enorm. Die individuelle Ausrüstung und Bewaffnung eines jeden Recken könnt Ihr ebenfalls verändern. Auch die Auswirkungen der speziellen Gegenstände wurden verbessert. Das Interface ist im Wesentlichen dasselbe wie beim ersten Teil geblieben. Die Steuerung wurde aber vereinfacht und die Übersicht verbessert. Wichtige Ereignisse und freie Arbeitskräfte werden Euch oben am Bildschirmrand angezeigt. Und wie beim Siedler 4-Add-On gibt es ein Beobachtungsfenster, mit dem Ihr einzelne "Knuddel-Wikinger" genau verfolgen könnt. Auch der Mehrspieler-Modus wurde gegenüber dem Vorgänger stark verbessert: Kurzweilige Partien per LAN oder Internet für bis zu sechs Spieler sind jetzt möglich. Dazu gibt es extra Multiplayer-Karten und beliebte Modi wie Capture the Flag oder auch die Abwandlung Capture the Cow. Über die Cultures-Lobby könnt Ihr leicht Partner fürs Spiel im Internet finden. Einige Neuerungen fehlen noch: Einen Förster, der den Kahlschlag des Waldes verhindert, sucht Ihr ebenso vergebens wie den Befehl, dass ein Gegenstand an eine bestimmte Stelle gebracht werden soll. Aber den gibt es ja bei der Konkurrenz leider auch nicht.

Technisches Know-how

Durch die steigende Erfahrung der Arbeiter gewinnt Eure Gruppe immer mehr an Aufbau-Potenzial dazu; neue Handwerkstechniken werden dadurch möglich. So wie Eure Handwerker ihre neuen Berufe erlernen, so könnt Ihr dann neue Gebäude und Güter herstellen. So gibt es an die 50 verschiedene Waren, die Ihr produzieren lassen könnt: Vom einfachen Lehmbatzen über Lebensmittel, Werkzeuge und Waffen bis hin zu magischen Heiltränken. Um hierbei nicht völlig den Überblick zu verlieren, schaut Ihr am besten immer beim Technologiebaum nach, wo Ihr ganz genau ablesen könnt, ob und wie Euer Stamm etwas herstellen kann.

Hollywood-Krieger

Dass die Nordmänner keine Helme mit Hörner getragen haben dürften, ist inzwischen bekannt. Bis zu den Entwicklern von Funatics, die mit dem winzigen In-Game-Lexikon sogar so etwas wie historische Tiefe anstreben, hat sich das aber wohl noch nicht herum gesprochen. Die wilden Krieger in Cultures 2 tragen leider alle einen solchen gehörnten Helm. Gleich die halbe nordische Mythenwelt wurde ins Spiel verwurstet, was ja noch zu verschmerzen ist. Doch damit nicht genug: Den germanisch stämmigen Wikinger werden im Spiel - oh Graus - flugs keltische Druiden angedichtet! Was soll denn das bitte...? Da loben wir uns doch den Ansatz von Blue Byte, die bei ihrer Siedler-Reihe gleich ganz auf Historie verzichten.

Wusel-Optik

Optisch setzt Cultures 2 voll auf das putzige Design des Vorgängers. Wer etwas gegen diese comichafte Darstellung hat und lieber knallharte Barbarenhorden sehen würde, spielt erstens solche Spiele nicht und sollte zweitens besser die Finger davon lassen. Alle anderen können sich an den vielen liebevollen und teils bewegten Details ergötzen, die gerade in den höheren der einstellbaren Auflösungen zu sehen sind. Da wiegen Blätter sanft im Wind, Blumen und Pilze in allen Farben zieren die Wiese, überall gibt es Getier und die Stiefel unserer Soldaten wirbeln sogar Staub auf. Toll ist auch Bjarnis Traumsequenz im Intro. Drei Zoom-Stufen sind möglich: Richtig klotzig wirkt die Grafik aber leider in der Nahansicht!

Sound

Bei vielen Spielen wird der Sound leider stiefmütterlich behandelt. Ganz anders bei Cultures 2: Die mittelalterlich angehauchte, abwechslungsreiche Musik und die tollen Geräuschkulisse ergänzen die ohnehin schon stimmungsvolle Atmosphäre gekonnt. Besonders angetan haben es uns die tollen pseudowikingischen Stimmen der Stammesmitglieder - auch wenn die Sprache ein wenig nach den Wikingern aus Age of Empires 2 klingt.

Pro:

  • altbewährtes Spielkonzept
  • Midgard-Kampagne
  • freier Missions-Modus
  • insgesamt 19 Singleplayer-Missionen
  • fünf Gebäude-Upgrades
  • neue Fernwaffen und Einheiten
  • bessere Bedienbarkeit
  • größere Übersicht
  • Beobachtungsfenster
  • detaillierte Wusel-Grafik
  • stimmungsvoller Sound
  • verbesserter Multiplayer-Modus
  • tolles Intro
  • Kontra:

  • wenig wirklich Neues
  • Geschmacksfrage: Comic-Optik
  • pixelige Nahansicht
  • wenig historische Genauigkeit
  • Vergleichbar mit:

    Cultures, Siedler 4, Die Völker 2

    Fazit

    Obwohl sich die Neuerungen in Grenzen halten, ist Cultures 2 insgesamt komfortabler und übersichtlicher geworden, so dass sich so auch die Einsteigerfreundlichkeit deutlich erhöht hat. Die neuen Militäreinheiten samt Ausrüstung sind genau das, was dem Vorgänger gefehlt hat. Im direkten Vergleich mit Siedler 4 hat Cultures 2 daher jetzt doch etwas die Nase vorn: Das Spiel wirkt - bei in etwa gleichrangigem Wuselfaktor - insgesamt runder, die Grafik ist ein wenig gefälliger und die ausgefeilten Persönlichkeiten der putzigen Nordmänner erobern die Herzen im Sturm. Da schaut man schon mal gern im strohgedeckten Haus bei Bäcker Erik und seiner hübschen Frau Freya vorbei und fragt nach, wie es dem virtuellen Nachwuchs geht. Bei Siedler 4 und seinen Add-Ons gibt es eine vergleichbare Herzensbindung an die Akteure nicht. Freunde solcher Aufbauspiele können daher bei Cultures 2 ohne Bedenken zugreifen.

    Wertung

    PC

    0
    Kommentare

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