Tony Hawk's Pro Skater 426.09.2003, Paul Kautz
Tony Hawk's Pro Skater 4

Im Test:

Wer »Funsportgame« sagt, der meint »Tony Hawk« - keine andere Spiele-Serie hat so viel für die Popularität und Anerkennung ungewöhnlicher Sportarten getan, wie die Reihe um die Skateboard-Legende. Doch der Falke dreht seine Kreise nicht mehr alleine, die Konkurrenz ist bärenstark geworden - kann der vierte Teil wieder die Alleinherrschaft für sich beanspruchen? Wir werden lesen...

Bereit zum Abflug?

AC/DC donnern »TNT«, die üblichen Verdächtigen hechten durchs rasant geschnittene Intro - das muss wohl ein neues Tony Hawk-Spiel sein. Entwickler Neversoft hat es bis jetzt mit jedem Teil geschafft, die Messlatte für Extremsportgames ein ganzes Stück nach oben zu schieben und das Spiel immer mit sinnvollen Features zu verbessern. Doch mit dem dritten Teil schien die Vorlage ausgereizt, an der Konsole haben Konkurrenztitel wie Aggressive Inline dem Falken mit frischen Ideen eine lange Nase gezeigt - kann Tony noch mal den Himmel erobern? Um es kurz zu machen: Er kann. Und wie!

Doch vor den Spielgenuss haben die Entwickler zwei direkt aufeinander folgende Ladescreens gestellt, die den ersten Enthusiasmus ein wenig abzubremsen wissen. Auch die Level-Ladezeiten verleiten Besitzer von Rechnern mit weniger als 512 MB RAM zum eifrigen Daumendrehen. Doch kommen wir zum Spiel:

Die wichtigste Neuerung ist die Abkehr von dem gleichermaßen vertrauten wie gehassten 2-Minuten-Limit in den Levels des Karrieremodus. Es gibt jetzt überhaupt keine Zeitbeschränkung mehr, so dass Ihr ganz in Ruhe die Gegend durchstreifen und erkunden könnt, bevor Ihr Euch an die Aufgaben wagt. Denn auch die werden nicht mehr vor, sondern im Level verteilt: Überall stehen Eure Skaterkollegen, Polizisten, Zuschauer, Touristen und viele weitere NPCs herum, die Aufträge für Euch haben. Erst wenn Ihr die annehmt, kommt in vielen Fällen ein Zeitlimit ins Spiel, welches von zwei Sekunden bis hin zu einer Minute reicht. Falls Euch die Aufgabe zu schwer scheint, könnt Ihr sie jederzeit abbrechen und später wieder versuchen.

__NEWCOL__Viel zu tun

Wer dachte, dass sich das Missionsdesign in Skateboard-Spielen hauptsächlich auf »Fahre so und so viele Punkte ein« und »Sammle dies auf« beschränkt, der wird in Tony Hawk's Pro Skater 4 (ab 69,75€ bei kaufen)  sein abwechslungsreiches Wunder erleben: Euch erwarten hunderte Aufgaben, deren Schwierigkeitsgrad von »lachhaft« bis »Wie soll das gehen?« reicht - Tony 4 ist wesentlich herausfordernder als der insgesamt sehr leichte Vorgänger, bleibt dabei aber stets fair und mit Übung machbar. Hier ein paar Beispiele: Ihr müsst Touristen ins Wasser schubsen, einen Maler vor Haibissen bewahren, bestimmte Tricks auf Zuruf ausführen und einem Alcatraz-Sträfling bei der Flucht helfen. Saufbruder Ollie ist auch wieder zugegen, und verlangt nach Hilfe im Kampf gegen rosa Elefanten. Dazu kommen die üblichen Sammelaufgaben, wobei sich zum bekannten S-K-A-T-E jetzt C-O-M-B-O gesellt - diese Buchstaben muss man in einer zusammenhängenden Kombination aufpicken.

Außerdem gibt´s auch wieder Punkte-Herausforderungen und Wettbewerbe, die allerdings nicht mehr gesondert, sondern wie die anderen Aufgaben auch im Level stattfinden: Ihr habt drei Runden Zeit, möglichst hohe Scores bei möglichst wenigen Stürzen einzufahren, wobei in der Endabrechnung nur die beiden besten Runden zählen. Allerdings sind die Wettbewerbe jetzt wesentlich leichter als früher zu gewinnen, da Stürze kaum noch für Punktabzug sorgen.

Mehr und mehr

Für jede absolvierte Mission gibt´s anfangs 250 Dollar, gelegentlich einen Statistikpunkt und selten einen neuen Spezialtrick-Slot. Mit dem Geld könnt Ihr ausgiebig shoppen gehen: Cheats, Videos, neue Skater, neue Levels oder weitere Klamotten-Elemente (die u.a. Clowns-Schuhe enthalten) wandern gegen Bargeld in Euer Inventar. Anfangs scheint es unmöglich, mit dem wenigen verdienten Geld alles freizuschalten, aber da die Boni für alle Skater verfügbar bleiben, spielt das spätestens nach dem dritten Durchspielen keine Rolle mehr. Der Spezialtrick-Slot macht genau das, was der Name verspricht: Er nimmt einen weiteren, für Killer-Kombinationen unerlässlichen Spezialtrick in Euer Repertoire auf.

Euer wichtigstes Gut sind die Stat-Punkte: Damit frisiert Ihr nicht nur Eure Eigenschaften wie Sprunghöhe, Rail-Balance oder Drehgeschwindigkeit. Habt Ihr nämlich 90 Punkte gesammelt, wird die Profi-Challenge für Euren Skater aktiviert, in welcher Ihr besonders knifflige Aufgaben erledigen müsst. Habt Ihr das geschafft, werden in den anderen Levels neue Aufträge verfügbar, die nicht nur schwierig, sondern auch noch lukrativ sind - damit steigt die Missionszahl der Standard-Level von 16 auf 21.

Während die Lösungen der meisten Aufgaben offensichtlich sind, muss man für andere schon ordentlich um die Ecke denken. Ganz wenige sind zudem schlicht schlecht erklärt. In diesem Punkt ist Aggressive Inline auf PS2 und Xbox Tony Hawk 4 mit ausführlichen Erläuterungen und gelegentlichen Vorbeiflug-Videos ganz eindeutig eine Rollenlänge voraus.

Ein Arm hier, ein Bein da...

Die insgesamt neun Levels führen Euch von San Francisco und Alcatraz über London und den Skaterpark Kona in einen Zoo sowie das aus Mat Hoffman´s Pro BMX 2 bekannte Chicago.

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Jedes Areal ist weitläufig, aber gleichzeitig auch sehr übersichtlich, was zum Teil daran liegt, dass die Strecken, abgesehen von den herumwandernden NPCs, etwas leer und recht grob geschnitzt sind. In Anbetracht dieser Tatsache ist es sehr enttäuschend, dass das Spiel bei offenen Umgebungen sehr oft sehr stark ins Ruckeln gerät - ironischerweise hat das vor dem eigentlichen Game aktivierbare Anti-Aliasing keinen spürbaren Effekt auf die Spielgeschwindigkeit. Dafür dürft Ihr einen Distanznebel aktivieren, der zwar den Rucklern den Zahn zieht, dafür aber die Sicht nach zehn Metern vollkommen lächerlich verkleistert. Nette Details wie spiegelnde Wasseroberflächen können also nicht darüber hinwegtäuschen, dass Tony Nummer 4 genau wie seine PC-Vorgänger technisch sehr schwach ist. Das gilt auch für die freispielbaren Videos: während sie am Fernseher gut aussahen, erkennt man am scharfen Monitor deutlich die schlechte Auflösung, welche die an sich exzellenten Streifen unnötig krümelig wirken lässt. Weiterhin spinnt die Kollisionsabfrage in seltenen Fällen etwas, so dass Euer Sportler schon mal mitten in einem Objekt hängen bleibt und nur durch einen Neustart der Mission befreit werden kann.

Die Skater sind wie immer fantastisch animiert, scheinen aber seit Tony Hawk's Pro Skater 3  ein wenig an Würmern zu leiden, und präsentieren sich so schmaler als gewohnt. Die Riege der 14 Rollenprofis ist bekannt: zu Tony gesellen sich wieder Rune Glifberg, Rodney Mullen, Bob Burnquist, der aus »Jackass« bekannte Bam Margera und viele weitere. Natürlich gibt es auch wieder Bonuscharaktere; manche lassen sich käuflich erwerben, andere verlangen nach der Eingabe eines Cheats. Wem das alles nicht genug ist, der darf sich natürlich auch wieder seinen eigenen Skater aus etlichen Einzelteilen schnitzen. Leider sind gerade die NPCs grafisch ziemlich grob geraten und mit niedrig aufgelösten Texturen beklebt.

Elefanten-Antrieb

Offensichtlich haben sich die Entwickler Aggressive Inline sehr genau angesehen, denn neben der offenen Missionsstruktur gibt es in Tony Hawk´s Pro Skater 4 jetzt auch das »Skitching«: das bedeutet, dass Ihr Euch an Autos, Motorrädern oder sogar Elefantenschwänzen festhaltet und ziehen lasst. Neu dazugekommen ist auch der »Spine-Transfer«, mit dem man schnell und sicher über Kanten springen kann. Die im dritten Teil nur nebensächlichen Flatland-Tricks bekommen jetzt eine größere Bedeutung: aus dem Manual heraus hüpft Ihr bei möglichst geringer bis gar keiner Geschwindigkeit akrobatisch auf dem Brett herum, was sich besonders in Kombinationen sehr vorteilhaft auf Eure Punktzahl auswirkt.

Zur Zerstreuung haben die Entwickler noch kleine Mini-Spielchen integriert, die hauptsächlich Geld bringen: So könnt Ihr auf den Ausgang eines Frauen- bzw. Nashornkampfes wetten, oder eine Runde Skateboard-Baseball spielen. Kenner von »Jackass« werden einen vertrauten, ins Wasser führenden Looping entdecken, außerdem gibt es noch Slalom-Fahrten und so weiter. Selbstverständlich sind auch wieder massenhaft punktebringende »Gaps« über die Levels verteilt: Das können bestimmte Sprünge sein, zu überwindende Hindernisse, spezielle Grinds und vieles mehr.

Laut, lauter, Tony Hawk 4

Eines der wichtigsten Aushängeschilder der Tony Hawk-Reihe war schon immer der exzellente Soundtrack. Und natürlich gibt es auch dieses mal kaum etwas an der Mischung aus Metal, Punk, Hip-Hop und Rock zu mäkeln: Iron Maiden, AC/DC, De La Soul, Sex Pistols, Run DMC oder System of a Down liefern eine interessante Mischung aus alten und neuen Songs verschiedenster Stilrichtungen mit insgesamt 35 Tracks.__NEWCOL__

Neuerdings laufen die Songs jetzt durch, anstatt bei jedem Neustart von vorne zu beginnen, was aufgrund der offenen Levelarchitektur aber auch wenig Sinn machen würde.

Die Soundeffekte sind hinlänglich bekannt sehr gut, viel wichtiger ist allerdings die Sprachausgabe: Die echten Skaterprofis wurden vors Mikro gezerrt und haben Euch viel zu erzählen - natürlich in Englisch. Auch hierbei beweisen die Entwickler Liebe zum Detail, so sprechen die Londoner NPCs beispielsweise mit britischem Akzent. Zum besseren Verständnis gibt es deutsche Untertitel, die zum großen Teil sehr gut übersetzt wurden, aber gelegentlich auch Stilblüten wie »Bullaugen-Sprung« (für »Bullseye-Jump«) sprießen lassen. Gelegentlich schleichen sich auch noch englische Texte ins Spiel, die bei der Übersetzung scheinbar unter den Tisch gefallen sind.

Online oder nicht online?

Falls Ihr nur mal zum Spaß Eure Runden drehen wollt, könnt Ihr den Karrieremodus natürlich auch links liegen lassen. Die bekannten Modi »Einzelsession« und »Skate for Fun« bieten freies Skaten mit oder ohne Zeitlimit sowie Punktewertung, und eignen sich perfekt zum Üben. Für den Fall, dass Ihr Euch mehr zur Levelbastler-Fraktion zählt, ist natürlich auch wieder ein einfach zu bedienender Editor dabei, mit dem Ihr aus Hundertschaften von Einzelteilen Euren Traumpark bauen könnt. Wichtigster Menüpunkt für gesellige Skater ist jedoch der Multiplayermodus: via LAN oder Internet (über Gamespy) dürfen sich bis zu acht Rollenakrobaten in ebenso vielen Spielmodi über die Parcours´ hetzen: ob CTF, Trick-Turnier, Graffiti oder Punktejagd, die Auswahl lässt keinen Grund zur Klage. Leider gibt es keinen Splitscreenmodus für das schnelle Spiel zu zweit vor einem Monitor.

Fazit

Cool: Da sollte man meinen, dass der olle Falke mit dem vierten Teil langsam flügellahm wird. Aber nein, Neversoft legt noch eine Kohle auf! Spielerisch ist Tony Hawk 4 ein Traum, so abwechslungsreiche Aufgaben bietet nicht mal der direkte Konkurrent Aggressive Inline. Falls Ihr Euch auch nur minimal für Funsport-Games interessiert, bietet Euch der neue Tony Spaß auf Monate hinaus - garantiert! Die PC-Version braucht sich spielerisch vor den Konsolen-Fassungen nicht zu verstecken: mit einem guten Gamepad habt Ihr Tony & Co. genauso gut im Griff wie auf PS2 und Xbox. Allerdings ist das Spiel technisch extrem enttäuschend: grobkörnige Videos, ruckelige Levels - angesichts der nicht eben umwerfenden Grafik ist Letzteres kaum nachzuvollziehen. Wer genug Feuer im System hat und auf Funsportspiele steht, kommt jedoch kaum um THPS4 herum. Mehr coole Ideen und mehr Motivation findet sich momentan in keinem Sportspiel.

Pro

<LI>abwechslungsreiche Aufgaben<LI>eingängige Steuerung<LI>fetter Soundtrack<LI>massig freispielbare Boni<LI>große Levels<LI>komplette Handlungsfreiheit<LI>komfortable Bedienung<LI>klasse Sprachausgabe<LI>etliche Tricks<LI>motivierendes Punktesystem<LI>reiche Skater-Auswahl<LI>extrem motivierend<LI>witzige Mini-Spiele<LI>verbesserte Flatland-Tricks<LI>viele Multiplayermodi</LI>

Kontra

<LI>seltene Übersetzungs-Stilblüten<LI>sporadische englische Texte<LI>gelegentliche Grafikbugs<LI>ruckelige Grafik<LI>nicht immer zuverlässige Kollisionsabfrage<LI>lächerlicher Distanznebel<LI>krümelige Videos<LI>sehr lange Ladezeiten<LI>Aufgaben manchmal schlecht erklärt<LI>Levels ziemlich leer und detailarm<LI>grobe NPC-Figuren<LI>schwammige Digitalsteuerung</LI>

Wertung

PC

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