Bulletstorm11.04.2017, Mathias Oertel
Bulletstorm

Im Test: Die Rückkehr des Spaß-Shooters

Vor gut sechs Jahren hat ein Shooter nicht nur den örtlichen Jugendschutz beschäftigt, sondern auch für eine Menge Unterhaltung an den virtuellen Abzügen gesorgt. Sein Name: Bulletstorm (ab 14,66€ bei kaufen). Seinerzeit hierzulande nur in einer massiv geschnittenen und damit spaßbefreiten Version erschienen, wurde die internationale Variante indiziert. Rechtzeitig zum Release der Full Clip Edition auf aktuellen Systemen wurde die Action, die das Schlagwort „Kill with Skill“ propagierte, vom Index entfernt. Wir haben uns für den Test erneut mit Energiepeitsche und coolen Sprüchen auseinandergesetzt.

Retro-Action mit Spaß und ohne Index

Vor etwa sechs Jahren wehte mit Bulletstorm von People Can Fly (Painkiller) ein unglaublich frischer Wind durch den von Militäraction à la Call of Duty, Battlefield  und Medal of Honor dominierten Shooter. Technisch dank Unreal Engine und Co-Publishing samt Unterstützung von Epic bis auf Kleinigkeiten ein kleines Meisterwerk und mechanisch mit beiden Beinen im Run-and-Gun alter Zeiten verwurzelt, sorgte die "Kill-with-Skill"-Dynamik für Jubelstürme in unserer Redaktion. Der deutsche Jugendschutz zeigte sich jedoch weniger begeistert. Die eingesetzte Ragdoll-Physik war der USK damals prinzipiell ein Dorn im Auge und die Möglichkeiten, sich seiner tumben Widersacher über die Umwelt, den Fußtritt oder die Energiepeitsche im Zusammenspiel mit Projektilen zu entledigen, taten ihr Übriges. Sprich: Die deutsche Version wurde nahezu aller Spaß-Elemente beraubt, die internationale ungeschnittene Version, auf der unser Test von damals beruhte, wurde indiziert. Mittlerweile - und damit genau rechtzeitig für die Neuveröffentlichung von Bulletstorm in der so genannten Full Clip Edition - wurde die brachiale Action deindiziert. Sprich: Erstmalig können Spieler hierzulande ganz offiziell und ohne Grauimport die Ballerei so genießen wie sie eigentlich geplant war. Und wir können nochmals ganz laut die Wertung des ursprünglichen Tests herausschreien: 87%.

Das Herz macht Freudensprünge, wenn diese Kombos über den Bildschirm jagen und das Punktekonto auffüllen.
Doch wen interessiert der Indexschnee von gestern, wenn Bulletstorm sich anschickt, auch die modernen Shooter so aufzumischen wie die tatsächlich seinerzeit von Electronic Arts veröffentlichte Fassung damals? Denn natürlich hat sich die Action ihre Qualitäten immer noch bewahrt. Vor allem das Skillsystem, das sehr gut mit dem Freischalten neuer Waffen bzw. Erweiterungen für die Wummen verknüpft war, funktioniert so gut wie eh und je und sorgt für einen motivierenden Kreislauf. „Normale“ Abschüsse werden nur mit einem Minimum an Punkten belohnt.  Mit der Kombination verschiedener Waffen oder von Umgebungselementen wie Kakteen, Schienen, Abgründe, Stromleitungen, explodierende Fässer etc. mit dem potenten Tritt oder der Energiepeitsche sorgt man nicht nur für höhere Punktzahlen, sondern entdeckt auch stets neue Skillshots. Die Punkte, die man hier sammelt, können an den vielleicht einen Tick zu häufig zur Verfügung stehenden Stationen nicht nur gegen Munition, sondern auch gegen neue Upgrades für die zig Waffensysteme samt Sekundärfunktionen freigeschaltet werden. Und damit wiederum stehen neue Skillshots zur Verfügung, die entdeckt werden können.  Ein verhängnisvoller Motivationsstrudel, der zum Experimentieren anregt – der aber auch im Rahmen dessen zu einigen Toden führt, was angesichts der nach wie vor unklar verteilten Kontrollpunkte zu ganz leichtem Frust führen kann.

Schick wie eh und je

Hail to the King: Für Vorbesteller gratis, alle anderen müssen zusätzlich für den Duke als Hauptdarsteller der Kampagne zahlen - werden dafür aber auch mit Jon St. John als Sprecher entschädigt.
Dass die KI-Routinen der Gegner nur weitgehend auf direkten Angriff bzw. geskriptete Fluchtwege innerhalb der linearen Abschnitte zugeschnitten sind, tut dem Spaß keinen Abbruch. Zumal sie sie durch Masse und durchaus ernstzunehmende Treffsicherheit punktuell immer wieder für Gefahr sorgen. Und der Rest vom Spaß wird durch die Kulisse generiert, die bereits 2012 mit zum Besten gehörte, was seinerzeit betrachtet werden durfte und die mit ihren Verbesserungen und Anpassungen an aktuelle Systeme immer noch viel her macht. Die Farbpalette wurde überarbeitet, es wurden neue Filter hinzugefügt, während die maximale Auflösung ebenso angehoben wurde (auf PS4 Pro und PC bis 4K) wie die Bildrate, die auf Konsole mit fluffigen 60 Bildern pro Sekunde überzeugt, während sich in den überschaubaren Einstellungen für die PC-Fassung sogar Schalter für bis zu 240 FPS finden. Die Xbox-One-Version hat allerdings mit den angestrebten 60 Bildern zu kämpfen, geht in seltenen Fällen für einen kurzen Moment drunter (was sich allerdings nicht auf Spielsituationen auswirkt) und kompensiert evtl. Defizite durch geringes Tearing. Doch trotz dieser Mankos sorgt die Fassung für die Microsoft-Konsole für ebenso viel gute Laune wie auf den anderen Systemen.

Denn obwohl die Kampagne mit sieben Kapiteln plus Prolog scheinbar kurz ausfällt, ist sie mit guten Ideen vollgestopft. Schon in den ersten zwei Stunden fackelt People Can Fly ein Feuerwerk an Wahnwitz ab: Mal klettert man mit Gravitationsschuhen an einer Hochhausfassade herunter, dann wiederum muss man auf einem Zug einem riesigen Schaufelrad entkommen, macht sich die Feuerkraft eines ferngesteuerten Riesenroboters zu Nutze oder flieht beinahe wie Han Solo mit dem Millenium Falcon in Das Imperium schlägt zurück aus der Höhle eines riesigen Wesens - allerdings in einem Mini-Helikopter, der kaum Schutz vor Beschuss bietet. Im Laufe der Kampagne normalisiert sich das Missionsdesign zwar auch immer wieder, bietet aber weiterhin interessante Ausschläge  und lebt innerhalb der banalen Story von einem großen Schuss Humor. Und von der brachialen Akustik im Allgemeinen, die sich auf die grandiose englische Sprachausgabe, das gute deutsche Pendant, die knackigen Explosionen und die treibende dynamische Musikuntermalung erstreckt. In einem Punkt hätte man aber durchaus mehr aufhübschen können: Die Mimik war seinerzeit akzeptabel, wirkt aber mittlerweile nur noch hölzern und starr.

Neue und alte Inhalte mit alten und neuen Problemen

Wie vor sechs Jahren ein grandioser Moment: Die Verfolgungsjagd durch das riesige Schaufelrad.
Und nirgendwo wird dies deutlicher als bei "Duke Nukem's Bulletstorm Tour". Hier darf man statt mit der angestammten Hauptfigur mit dem Duke höchstpersönlich ins Gefecht ziehen und sich an für ihn angepassten Dialogen erfreuen. Diese gibt es allerdings nur in Englisch mit deutschen Untertiteln. Ein geringer Preis, den man zu zahlen bereit sein sollte, da der Original-Duke-Sprecher Jon St. John hier unnachahmlich seine Einzeiler und Zoten zum Besten gibt, die mal vorzüglich, mal gar nicht in den Story-Kontext gebracht wurden. Das Problem: Duke Nukems Mimik ist noch puppenhafter und so weit von Lippensynchronität entfernt wie Bulletstorm vom Preis als Kinderspiel des Jahres. Das mag zwar als Stilmittel für den jenseits aller Technik attraktiven King des Retro-Shooters beabsichtigt sein, macht aber deutlich, dass Bulletstorm visuell in manchen Bereichen nicht ganz zeitgemäß wirkt. Das gilt aber allgemein auch für bestimmte mechanische Elemente, die mittlerweile angestaubt wirken. Das Knopfdrücken zum Überwinden mancher Hindernisse stört die aufkommende Dynamik, während Kurven beim Laufen einen viel zu hohen Radius haben und man durch das nötige Abbremsen ebenfalls den Fluss zerstört, der sich während der Jagd auf Skillshots entwickelt.

In der Umgebung warten zahlreiche Elemente, die man für Skillshots einsetzen kann.
Denn in der Zwischenzeit haben Titel wie Doom oder Shadow Warrior 2 den dynamischen Arena-Shooter für sich ebenfalls gut neu interpretiert und Bulletstorm unter dem Strich etwas der ursprünglichen Faszination abgegraben. Dafür stehen in der Full Clip Edition nicht nur die Add-Ons zur Verfügung, die seinerzeit veröffentlicht wurden, sondern auch ein paar ganz frische Inhalte wie z.B. der Duke als spielbare Figur. Außerdem hat man u.a. bei den auf Höchstpunktzahlen samt Ranglisten fokussierten Echoes sechs komplett neue und damit insgesamt 30 Karten zur Verfügung, auf denen man sich austoben kann. Oder man probiert sich am frischen Overkill Kampagnen Modus im New Game + mit uneingeschränktem Waffen- und Skillshotzugang. Und selbstverständlich darf man auch weiterhin im an eine Horde-Variation erinnernden Wellenmodus mit bis zu vier Spielern gemeinsam um Skill-Punkte kämpfen. Zwölf Karten stehen hier zur Verfügung, um die Gegner im wahrsten Sinne des Wortes nach allen Regeln der Kunst zu erledigen. Denn nur, wenn am Ende genug Skill-Punkte angesammelt wurden, geht es mit der nächsten Welle weiter. Schade, dass es bei diesem einen Mehrspieler-Modus geblieben ist.

Fazit

Bulletstorm inszeniert immer noch äußerst unterhaltsame Action und hat nur wenig von seiner ursprünglichen Faszination verloren. Vor sechs Jahren bereits ein angenehmer sowie unkomplizierter Run-und-Gun-Gegenpol zur damals wie heute vorherrschenden Military-Ballerei, funktioniert das mit Waffenaufrüstung und Munitionsbeschaffung verbundene „Kill-mit-Skill“-System immer noch sehr gut. Neue Erweiterungen für die Wummen sorgen für neue Kill-Möglichkeiten, diese für höhere Punkt-Ausschüttung und diese für neue Wummen und Erweiterungen – ein unheimlich motivierender Kreislauf. Allerdings haben sich in den letzten Jahren auch Titel wie Doom oder Shadow Warrior 2 in der Nische breitgemacht, die Bulletstorm seinerzeit alleine ausfüllte. Zudem wurde die Technik zwar mit stabiler Bildrate (gelegentlich auf Xbox One leicht gefährdet), hohen Auflösungen sowie neuer Farbpalette ausgestattet. Aber z.B. bei der zumeist hölzernen Mimik und einigen Texturen ist das Alter spürbar – wobei zur Ehrenrettung gesagt werden muss, dass Bulletstorm schon auf den alten Systemen exzellent aussah. Doch das von Gearbox und den ursprünglichen Machern von People Can Fly wiederbelebte Bulletstorm-Konzept beweist Zeitlosigkeit und macht auch im Jahr 2017 einen Heidenspaß.

Pro

brachiale Action
wunderbar überzogene, motivierende Skill-Kills
abwechslungsreiches Missionsdesign
teilweise wahnwitzig große Gegner
mitunter beeindruckendes Leveldesign
sehr ansehnliche Kulisse
brillante Soundeffekte
treibende Musikuntermalung
großartige englische, gute deutsche Sprachausgabe
herrlich durchschlagskräftige Wummen
coole Energiepeitsche
motivierende Highscore-Jagd im Echo-Modus
unterhaltsamer Anarchy-Modus
Download-Pakete des Originals integriert
Kampagne auch mit Duke Nukem als Hauptfigur spielbar
neuer Overkill-Modus (New Game Plus)

Kontra

dumpfe Gegner-KI
mitunter schlecht platzierte Checkpunkte
nur ein Mehrspielermodus
biedere Story
teilweise schwach inszenierte Zwischensequenzen
Maus-/Tastatur-Steuerung nicht optimal (PC)
nur Basis-Grafikoptionen (PC)
Mimik nach heutigen Maßstäben sehr hölzern
Duke-Sequenzen nicht mal ansatzweise lippensynchron
deutsche Texteinblendungen nicht immer adäquat übersetzt

Wertung

XboxOne

Bulletstorm brachte vor knapp sechs Jahren mit seiner ungeschnitten Version und der Skillshot-Mechanik den Spaß zurück in den Shooter. Und das Konzept geht auch heute noch auf.

PC

Bulletstorm brachte vor knapp sechs Jahren mit seiner ungeschnitten Version und der Skillshot-Mechanik den Spaß zurück in den Shooter. Und das Konzept geht auch heute noch auf.

PlayStation4

Bulletstorm brachte vor knapp sechs Jahren mit seiner ungeschnitten Version und der Skillshot-Mechanik den Spaß zurück in den Shooter. Und das Konzept geht auch heute noch auf.

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