Secret of Mana21.02.2018, Marcel Kleffmann
Secret of Mana

Im Test: Verschenkte Chance

Zum 25-jährigen Jubiläum des Super-Nintendo-Klassikers Secret of Mana (ab 17,29€ bei kaufen) schickt Square Enix eine 3D-Neuauflage mit moderner Grafik, neuen Zwischensequenzen und überarbeiteter Soundkulisse ins Rennen. Das Spielgefühl und den Charme des Action-Rollenspiels wollten die Entwickler aber bewahren, so war jedenfalls der Plan. Im Test zeigt sich, dass er nicht wirklich aufging.

Drei gegen das Imperium

Gerufen vom mächtigen Manaschwert zieht in Secret of Mana der Junge Randi in die große weite Welt hinaus und versucht die Weltuntergangspläne des Imperiums zu durchkreuzen. Auf seinem Weg schließen sich ihm zwei magisch begabte Charaktere (Primm und Popoi) aus eigenen Beweggründen an - und schon beginnt das farbenfrohe Abenteuer mit einer gewissen Portion Kindlichkeit, Unbeschwertheit und Beklopptheit.

Secret of Mana ist ein ganz besonderes Spiel für mich. Wenige Wochen nach dem Verkaufsstart im Jahr 1994 zog es mich auf dem Super Nintendo in seinen Bann wie kaum ein anderer SNES-Titel. Die weitläufige Welt, der kindische Charme, das vergleichsweise actionreiche Kampfsystem, der famose Soundtrack, ein steuerbarer Drachen und endlos viel Grindzeug (Waffen und Magie) fesselten mich länger an den Röhrenfernseher als es gut (für die Schule) war. Mehr Spaß machte es noch im kooperativen Multiplayer-Modus.

Viele Zwischensequenzen laden aufgrund verkrampfter Gesichtsmimik zum Fremdschämen ein.
Da störten selbst einige Mängel im Spieldesign kaum - zum Beispiel, dass man in den ersten Stunden mehrfach die gleichen Gebiete abklappern musste und es gelegentlich nicht klar war, wie und wo es überhaupt mit der Hauptstory weiterging; zum Glück wurde der Titel damals mit einem Spieleberater, quasi einer Komplettlösung, ausgeliefert.

Generische 3D-Grafik im Polygonsparstil

Die wohl auffälligste Veränderung im Vergleich zum 16-Bit-Klassiker vom Super Nintendo ist die kunterbunte und farbenintensive 3D-Grafik im Polygonsparstil - und alle Schauplätze aus dem Original sind 1:1 vom Layout her in die neue 3D-Grafik überführt worden. Charaktere, Monster und Umgebung bestehen nicht mehr aus zweidimensionalen Retro-Pixeln, sondern aus spärlichen Polygonmodellen mit Texturkleid. Der reduzierte und völlig austauschbar wirkende Grafikstil erinnert stark an ein Smartphone- oder Tablet-Spiel und hinterlässt einen faden Beigeschmack, wenn man auf den 40-Euro-Preis blickt. High-End-Grafik darf man keinesfalls erwarten, vor allem nicht auf PC.

Während die Qualität der Umgebungen zwischen ansehnlich und furchtbar öde schwankt, sind es die neuen Zwischensequenzen bei wichtigen Ereignissen aus der Nahperspektive, die zum Fremdschämen einladen. Ungelenke Animationen, hölzernere Minimalmimik und klötzchenhafte Mundbewegungen

Die 'Talk-Events' sind nicht so schlimm anzusehen - wie die anderen Zwischensequenzen. Leider bringen sie kaum inhaltliche oder charakterspezifische Aspekte ins Spiel.
sind nur peinlich und völlig unnötig, da können die mittelprächtigen englischen oder japanischen Synchronsprecher nicht mehr viel rausreißen. Neben diesen Zwischensequenzen mit den grobschlächtigen Charakteren finden ab und an Talk-Events mit Story-Hinweisen und leichter Charakterbildung statt - zum Beispiel beim Kennenlernen eines Magiegeistes oder wenn man beim Gasthaus zum Schlafen vorbeischaut. Hier werden die Charaktere in vergrößerter Form vor dem normalen Hintergrund angezeigt, was eine bessere Lösung als die furchtbare Nahansicht ist. Trotzdem sind die meisten dieser Talk-Events keine Bereicherung für das Spiel, da kaum relevante Charakterbildung stattfindet und die dargebotenen Gespräche viel zu seicht sind. Beide Neuerungen sind letztendlich somit überflüssig.

Peinliche Modelle und Musik-Entzauberung

Richtig furchtbar sind die minimalistischen 3D-Modelle der Gegner und Bossgegner. Viele Gegner wie zum Beispiel die grünen Schleime oder die Goblins sehen mit den aufgeklebten Riesen-Glubschaugen nur lächerlich aus. Andere Figuren wirken wie kaputte oder lieblos verkrüppelte Pokémon aus der Resterampe. Die "moderne 3D-Grafik" des Remakes lässt trotz farbenfroher Darstellung nahezu den gesamten Charme des Klassikers vermissen, nur die 3D-Weltkarte, über die man später mit dem Flugdrachen fliegen kann, ist halbwegs gelungen.

Die Minikarte (rechts oben) zeigt den ursprünglichen 16-Bit-Grafikstil des Klassikers und verdeckt oft die Sicht auf die Gegner.

Ähnlich misslungen ist der neu eingespielte bzw. neu arrangierte Soundtrack. Viele der Musikstücke der Neuauflage warten mit neuen Musikinstrumenten auf und klingen trotz vertrauter Melodie unfassbar fremd. Das Ergebnis: Größtenteils fällt das Hintergrundgedüdel gehörig auf den Wecker. Square Enix ist es sogar gelungen, die nervige und treibende Bosskampfmusik noch weiter zu verschlimmern. Zum Glück kann optional auf den Original-Soundtrack umgeschaltet werden, der für seine Entstehungszeit weiterhin famos ist. Schade, dass eine ähnliche Umstelloption bei der Grafik (von 3D auf 16-Bit) nicht geboten wird. Das machen andere Neuauflagen besser. Aber zumindest ist oben rechts eine "Minikarte" der Welt zu stehen, die auf der Optik des Klassikers beruht, manchmal jedoch die Sicht auf die Gegner verdeckt.

Bugs und Abstürze

Es kommt noch schlimmer: Die 3D-Neuauflage ist in einem überraschend unfertigen Zustand veröffentlicht worden. So ist mir das Spiel auf dem PC zweimal grundlos abstürzt und mehrmals froren die Animationen der Charaktere und der Gegner komplett ein. Nur wenn man das Gebiet verlässt und eine der sehr, sehr, sehr häufigen Ladepausen aufpoppt, reparierte sich der Fehler - oder wenn man neu lädt. Glücklicherweise wird an vielen Passagen automatisch gespeichert, aber ein technisch so simpel wirkendes Remake eines über 25 Jahre alten Titels darf solche Fehler nicht haben.

Das Kampfgefühl

Während Grafik, Sound und Stabilität ernüchtern, gelingt es Square Enix zumindest, das Spielgeschehen und das Spielgefühl des Klassikers mit seinen Echtzeit-Kämpfen adäquat einzufangen - sogar die bekannten Ungenauigkeiten im Kampf und Eigenarten sind

Pogupuschel gibt es nicht mehr. Sie heißen fortan Mümmler - oder Mümmlerchen je nach Farbvariation.
ins Remake eingebaut worden. Auch der 100%-Balken, der sich zwischen den Angriffen auflädt, um ein Dauerdrücken der Attacken zu verhindern, ist ebenso vorhanden, wie das zeitfressende Aufladen der Spezialattacken der acht Waffen. Verglichen mit aktuellen Spielen wirkt der Kampf durch dieses 100%-System mit dem typischen „Blib“, wenn die Attacke voll aufgeladen ist, verhältnismäßig langsam und träge. Waffen sowie Zauber steigen wie gewohnt durch die aktive Nutzung im Level auf und werden dadurch besser. Beides artet vor allem später in Grindarbeit aus (speziell bei der Magie).

Der Sprung in die dritte Dimension hat einige kleine und doch gravierende Änderungen auf das Kampfgeschehen, abgesehen davon, dass man häufig an irgendwelchen Levelobjekten festhängt. Während beim Klassiker die Angriffe nur in die acht vorgegebenen direktionalen Bewegungsrichtungen gemacht werden konnten, können die Attacken nun aus allen Richtungen erfolgen. Dadurch ist es einerseits leichter die Gegner zu treffen (die ersten Bosskämpfe sind ein Witz), aber anderseits können insbesondere Fernkampfgegner ätzend gegen die computergesteuerten Mitstreiter sein. Bogenratten im Hexenwald oder Poseidonkröten schaffen es, binnen weniger Sekunde die KI-gesteuerten Kollegen zu töten und wenn noch ein Betäubungszauber auf den Hauptcharakter wirkt, ist Hopfen und Malz verloren. Hier wäre es angebracht gewesen, die Balance abseits des Originals noch zu verbessern, denn manche Kreaturen richten einfach unverhältnismäßig viel Schaden in kürzester Zeit an.

Mithilfe des Ringmenüs werden die Zauber ausgewählt.
Außerdem sind nicht alle Gegner im Gegensatz zum Klassiker, sobald sie einmal getroffen wurde, kurzzeitig immun gegen andere Angriffe. Dauerhaftes Betäuben (Stun Lock) ist möglich, wobei die Dauer vieler Kontrolleffekte ohnehin arg lang ist - gleiches gilt auch bei den eigenen drei Charakteren. Dafür sind Ziele, auf die Magie gewirkt wird, kurzzeitig in der Zeit „eingefroren“. Manchmal überrascht sich die Spielmechanik sogar selbst. Beispiel: Primm beginnt einen Heilzauber, der auf die gesamte Gruppe wirken soll. Vor dem Ende des Zaubers tötet ein Gegner Popoi - ein entsprechender Text wird eingeblendet. Dann wirkt Primm den Heilzauber. Dieser heilt trotzdem alle Charaktere, weil die bei der Auswahl so der Fall war und holt Popoi wieder zurück ins Leben, obwohl das normalerweise kein Heilzauber kann.

Doofe Mitstreiter und das Ende der Pogupuschel

Als Solo-Spieler kann man zwischen den Charakteren Randi, Primm und Popoi jederzeit wählen und wenn man nicht mit anderen Mitspielern ausschließlich lokal spielt (Online-Multiplayer fehlt), muss man eine gehörige Frusttoleranz mitbringen, denn die Computerintelligenz der Mitstreiter ist richtig mies. Die Mitstreiter bleiben an Ecken und Kanten hängen, greifen nicht automatisch an oder laufen direkt ins Verderben. Das Schachfeld-Menü, in dem man im Original festlegen könnte, wie passiv oder aggressiv die Mitstreiter kämpfen sollen, würde übrigens durch wenige Kommandos wie „Greife mein Ziel an“ oder „Greife alles an“ ersetzt. Schade.

Werden die beiden Mitstreiter von der KI gesteuert, bleiben sie oftmals an irgendwelchen Passagen hängen und kommen nicht weiter.

Inventar, Waffen, Zauber und Co. werden wieder mit dem klassischen Ringmenü gesteuert - wobei sich zusätzlich noch (wenige) Hotkeys definieren lassen. Dafür vergisst das Ringmenü bei jedem Aufruf, wo man es beim letzten Mal beendet hatte und warum es invertiert zu steuern ist, weiß wohl nur Chef-Entwickler persönlich. Und nein, wenn man Gegenstände bei einem Händler kauf, wird nicht direkt angezeigt, ob diese Gegenstände eine Verbesserung für den Charakter wären oder nicht - man kann lediglich sehen, wer das Item nutzen kann - noch eine vertane Chance.

Die deutsche Übersetzung (nur in Textform) hat Square Enix komplett neu aufgelegt. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Goblins Lindenstraße geschaut haben oder Pogupuschel über die Landschaften gesprungen sind. Im Remake gehen die Goblins jetzt „Tanzen“. Die Pogupuschel hörten fortan auf den Namen „Mümmler“ - eine Gewöhnungssache. Auch die Namen von den Charaktere und Orten wurden abgeändert. Die aktuelle Übersetzung soll näher an der Originalvorlage sein.

Fazit

Das war nix! Die 3D-Neuauflage von Secret of Mana wirkt in fast allen Bereichen halbgar. Neben Bugs und Abstürzen, zahllosen Ladepausen und der Verschandelung des Soundtracks ist nahezu die gesamte Kulisse ein Griff ins Klo. Manche Landschaften sind ansehnlich, aber das Gegnerdesign ist minimalistisch, viele Umgebungen öde und die animierten Zwischensequenzen sind so hässlich, dass einem selbst die dickste Nostalgiebrille von der Nase fällt. Dazu kommt, dass die neuen Zwischensequenzen und die "Talk-Events" völlig überflüssig sind. Vom Charme des Originals fehlt jede Spur. Der Sprung in die dritte Dimension hatte auch Auswirkungen auf die Kämpfe, wobei man Square Enix zugutehalten muss, dass sie das Spieltempo und das Spielgefühl des Klassikers in diesem Bereich gut eingefangen haben. Trotzdem macht es sich bemerkbar, dass man selbst sowie die Gegner nun von allen Seiten angreifen können - und nicht mehr nur aus acht Richtungen. Dadurch werden viele Nahkämpfe und Bosskämpfe einfacher und viele Fernkämpfe schwerer - gerade die dämlichen KI-Mitstreiter bringen die Balance ins Wanken. Es gibt zwar einige "Komfort-Funktionen" wie eine Was-bisher-Geschah-Hilfe oder ein automatisches Speichersystem, aber z.B. keinen Item-Vergleich beim Kauf. Nein, in dieser Form kann ich dieses wacklige Remake von Secret of Mana selbst Fans des Originals nicht empfehlen, vor allem nicht für 40 Euro.

Pro

Umfang, Tempo und Spielmechanik entspricht weitgehend dem Original
Was-bisher-Geschah-Hinweise
3D-Flug über die Welt mit dem Drachen
automatische Speicherfunktion
Original-Soundtrack ist enthalten
lokaler Co-op-Modus für drei Spieler

Kontra

furchtbare Zwischensequenzen
unnötige Talk-Events
grenzwertig billiges Figuren
und Gegnerdesign
Balance-Macken durch Anpassung des Kampfsystems
debiles Verhalten der computergesteuerten Charaktere
durchwachsenes Trefferfeedback
Menüsystem hätte mehr Verbesserungen gebraucht (Item-Vergleich)
Bugs und Abstürze
ziemlich viele Ladepausen
neu arrangierter Soundtrack bleibt deutlich hinter dem Original zurück
fehlerhafte Übersetzungen
kein Online-Multiplayer

Wertung

PC

Bei der furchtbaren Kulisse und den technischen Problemen hilft trotz adäquater Umsetzung des klassischen Spielgefühls auch die dickste Nostalgiebrille nicht mehr.

PlayStation4

Bei der furchtbaren Kulisse und den technischen Problemen hilft trotz adäquater Umsetzung des klassischen Spielgefühls auch die dickste Nostalgiebrille nicht mehr.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.