Icewind Dale 218.11.2002, Jörg Luibl
Icewind Dale 2

Im Test:

Halgren Todeskopf, Mordakai von Tay - Namen wie aus Stein gemeißelt. Die Black Isle Studios wollen Euch mit Icewind Dale 2 (ab 21,95€ bei kaufen) erneut in den hohen Norden der Vergessenen Reiche führen. Ob der drohende Untergang der Stadt Targos und der Einsatz der neuen D&D-Regeln reichen, um der mittlerweile angestaubten Grafik-Engine gehobenes Spielspaß-Niveau zu entlocken, klärt unser Test!

Das Böse in Eis und Schnee

Während WarCraft III oder Age of Mythology mit pompösen Intros auf das Spiel einstimmen, werdet Ihr von Black Isle sehr unspektakulär in die Story eingeführt: Zwar kann die weibliche Erzählerstimme noch eine stimmige Fantasy-Atmosphäre beschwören, aber die vergilbten Buchseiten und der Wust an Informationen aus dem Vorgänger wirken eher bieder. Auch die Story wird keinen Genre-Fan in Wallung bringen. Worum geht`s?

Die Hafenstadt Targos befindet sich etwa 30 Jahre nach Icewind Dale im Chaos: Eine Goblin-Armee verwüstet die Region, erste Grünhäute ziehen bereits mordend durch die Straßen und der zuständige Fürst bittet den Süden um Hilfe. Zeit also, Keule und Kettenhemd einzupacken, um den armen Zehnstädtern zu helfen.

Voller Tatendrang macht Ihr Euch als Söldner-Gruppe auf den blutigen Weg durch sechs Kapitel Schnee und Eis. Dabei geht Ihr durch die altbekannte Fantasy-Schule von Level zu Level und mutiert vom Goblin-, zum Ork- und später zum Yuan-Ti-Töter. Dank des integrierten Mehrpieler-Modus könnt Ihr die Kampagne auch bis zu sechst im Team absolvieren.

__NEWCOL__Museale Fantasy-Kulisse

Die detaillierte Fantasy-Grafik von Baldur`s Gate hatte 1998 noch anerkennendes Staunen hervorgerufen. Die Kulisse von Icewind Dale 2 wirkt vier Jahre danach wie ein angestaubtes Gemälde: Zwar überzeugt das Interieur der Gebäude immer noch mit vielen netten Kleinigkeiten, und die durchgestylte Benutzeroberfläche wirkt wie ein edles Monument. Aber es gibt weder Spuren im Schnee noch animiertes Wasser oder bewegte Bäume. Selbst der Nebel des Krieges zeigt sich ohne jegliches Volumen. Das wäre noch zu verschmerzen, doch die schlechte Präsentation der Figuren vergrault mir gleich zu Beginn den Spielspaß:

Wenn ich meine Abenteurer aufgrund grober Konturen kaum von den Hintergründen unterscheiden kann, wenn sie sich abgehackt bewegen und ruckartig drehen, kommt alles andere als Freude auf - auch nicht in höheren Auflösungen. Dass man sowohl lebensechte Animationen als auch brillante Umgebungen in 2D zaubern kann, hat jüngst Spellbound mit Robin Hood bewiesen, wo mein Auge an allen Ecken verwöhnt wird. Die Black Isle Studios sollten die Infinity-Engine in die Software-Geschichte eingehen lassen und neue Wege gehen.

Abenteurer-Bausatz de luxe

Die Charakter-Erschaffung von Icewind Dale 2 dürfte alle Genre-Fans und insbesondere D&D-Kenner zufrieden stellen, denn das neueste Pen&Paper-Regelwerk kommt hier zum Einsatz. So können Eurer sechsköpfigen Schar auch Dunkelelfen oder Halb-Orks beitreten, und Ihr könnt auf Spezialfähigkeiten wie schnelles Schießen oder heftiger Angriff zurückgreifen, die schon in Neverwinter Nights für Abwechslung sorgten. Richtig delikat ist der Einsatz von Klassen-Kombinationen à la Schurke/Magier/Kämpfer - wann konnte man schon im Plattenpanzer zaubern und Schlösser knacken?

Neben der Kreation eigener Abenteurer könnt Ihr auch zwischen fünf vorgefertigten Partys wählen, die sich alle anderen Zielen verschrieben haben und höchst unterschiedlich zusammengesetzt sind. Während sich die Gruppe der "Winterrose" mit seinem Paladin-Anführer dem Motto "Pflichterfüllung" verschrieben hat, geht es bei den Blutmond-Schwestern um das Retten Unschuldiger und geballte Frauen-Power, denn hier finden sich nur weibliche Charaktere - von der Grauzwergin bis zur Felsengnomin. Die interessanten Biografien der einzelnen Figuren sind zwar lobenswert, haben aber keinen großen Einfluss auf das Spielgeschehen.

__NEWCOL__Altbewährte Spielmechanik

Die Steuerung und die edle Benutzeroberfläche bieten die gewohnte Klasse einer präzisen Bedienung, schnell zugänglicher Charakter-Infos und übersichtlichem Inventar. Per rechtem Mausklick lässt sich jede Waffe genauer untersuchen, worauf detaillierte Infos über Herkunft, Gebrauch und Statistik von Kurzbogen & Co geliefert werden - eine wahre Fundgrube für Fans.

Zahlreiche Formationen, nützliche Schnelltasten für Zauber und Fähigkeiten sowie das immer pausierbare Spiel gestalten den Spielablauf insgesamt übersichtlich und frustfrei. Abgerundet wird der Spielkomfort durch eine kleinere Gebiets- und eine große Landkarte sowie ein ständig aktualisiertes Tagebuch.

Kampf, Kampf, Quest

Auch Icewind Dale 2 setzt auf eine kampfbetonte Spielstruktur, die zwar durch kleine Nebenquests aufgelockert wird, aber nicht mal im Ansatz die Storytiefe des großen Bruders Baldur`s Gate erreicht. Und auch wenn einige nette Hebel-, Such- und Spiegel-Rätsel für Abwechslung sorgen und viele interessante Dialoge eingestreut wurden, geht es um Kampf, Kampf und nochmals Kampf.

Der gestaltet sich aufgrund der vielfältigen Attacke-, Magie- und Spezialfähigkeiten sehr anspruchsvoll und im späteren Spielverlauf schon im normalen Modus bockschwer. Genre-Kenner finden hier die optimale Herausforderung für taktisch kluges Teamplay, denn nur wer gezielt Formationen, Zauber und Fähigkeiten kombiniert, wird erfolgreich sein. Anfänger sollten sich definitiv auf einer leichteren Stufe durch den frostigen Norden kämpfen.

Hätten die Entwickler das Ganze etwas dramatischer präsentiert und nicht ein Bösewicht-Klischee ans nächste geheftet, um möglichst viele Endgegner aufzubauen, wäre man sicher motivierter in die zahllosen Schlachten gezogen.

Denn die Dialoge sind durchaus gelungen und zeigen in ihrer Vielfalt witzige, heroische oder urböse Charaktere. Leider werden nicht alle Texte vorgelesen, obwohl gerade die wenigen Stimmen für Leben im optisch kargen Eiswindtal sorgen.

__NEWCOL__Magie & Sound

Magie ist auch in Icewind Dale 2 Trumpf: Habt Ihr zu Beginn gerade mal zwei Zauber, wie z.B. Eispfeile und Schlaf, könnt Ihr Euch im weiteren Spielverlauf ein tödliches Arsenal an arkanen Attacken wie den "Finger des Todes" zulegen. Natürlich kommen auch die schützenden Kleriker- und Priestersprüche nicht zu kurz, so dass insgesamt etwa 300 magische Feinheiten zur Auswahl stehen.

Auf der Soundseite gibt es zwar viele bekannte Charakter-Kommentare und Zaubergesänge aus dem Vorgänger zu hören, aber auch einige neue Sprüche, die von äußerst gelungen, witzig bis total daneben reichen.

Insgesamt gebührt der Lokalisierung jedoch ein großes Lob: Die deutsche Fassung kann sich dank engagierter Sprecher wirklich hören lassen. Überzeugend sind auch die Umgebungslaute, die Euch mit Wolfsheulen und pfeifenden Winden einen akustischen Hauch des eisigen Nordens vermitteln. Die epische Hintergrundmusik rundet den gelungenen akustischen Gesamteindruck mit einem Repertoire an sanften, melodischen und höchst dramatischen Tönen positiv ab.

Fazit


Alte Liebe rostet nicht? Doch, sage ich schweren Herzens als alter Rollenspieler. Icewind Dale 2 wirkt trotz seines ausgefeilten Charakter-Systems und der neuen Möglichkeiten der 3. D&D-Edition wie ein Relikt aus alten Zeiten: Die Fantasy-Recken sehen fade aus, bewegen sich hölzern und die Landschaft zeigt sich nicht gerade lebendig - die Infinity Engine gehört endgültig zum alten Eisen. Daran ändert auch die gelungene Akustik nichts, die mich mit klasse Sprechern und epischen Melodien verwöhnt. 2D-Konkurrent Robin Hood ist wesentlich ansehnlicher und stimmungsvoller. Aber auch spielerisch bleibt alles beim Alten: Trotz einiger Rätseleinlagen bleibt es bei viel Kampf, wenig Quests und viel zu einfacher Story. Nur wer sich zur eingeschworenen D&D-Fangemeinde zählt und auf knackige taktische Teamkämpfe steht, liegt mit Icewind Dale 2 richtig.

Pro

<li>300 Zauber</li><li>3. D&D-Edition</li><li>taktische Kämpfe</li><li>gelungene Dialoge</li><li>edle Benutzeroberfläche</li><li>sehr gute Lokalisierung</li><li>sehr gute Hintergrundmusik</li><li>ausgefeilte Charakter-Erschaffung</li>

Kontra

<li>lahmes Intro</li><li>einfache Story</li><li>veraltete Grafik</li><li>wenig Überraschungen</li><li>altbekanntes Spielprinzip</li><li>Soundeffekte teils aus dem Vorgänger</li>

Wertung

PC

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