Test: Lords of the Realm 3 (Taktik & Strategie)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Publisher: Vivendi Universal
Release:
26.03.2004
Spielinfo Bilder  
Trotzdem verströmt der Titel dank seiner edlen Menüs, der wunderbaren Karte und der fast schon comicartig überzeichneten Porträts sowie der guten Renderkurzfilme  ein erfrischend buntes Mittelalterflair. Dazu trägt auch die rundum gelungene Akustik mit ihren guten deutschen Sprechern sowie den epischen Melodien bei. Nur die Bestätigung der Befehle geht mit der Zeit auf die Nerven und lässt sich nicht abschalten.

Im engen Handgemenge zeigen sich leider kaum ansehnliche Details - alles verschwimmt zu einem kunterbunten Pulk. Da ist grafisch heutzutage mehr drin.

Defensive Formationsfreude

Endlich haben sich Entwickler auch abseits von gerader Linie und tiefer Reihe Gedanken zum Thema Formationen gemacht. Vor allem die Fernkämpfer nehmen historisch belegte Stellungen ein: Die Bogenschützen können z.B. gespitzte Pfähle vor sich in den Boden rammen, um gegen angreifende Kavallerie geschützt zu sein; die Armbrustschützen verschanzen sich hinter Turmschilden – das sieht klasse aus und funktioniert einwandfrei.
Aber auch Pikeniere und normale Schwertkämpfer lassen sich dank stahlbewährter Igelformation rundum, oder dank des effektiven Schildwalls gegen Frontalattacken schützen. Und im Gegensatz zu anderen Spielen lösen sich die Formationen recht spät auf, was sie effektiver macht.

Offensive Angriffstücken

Im Angriff beschränkt sich die Auswahl an Spezialbefehlen auf kurze Sturmattacken und das Vor- bzw. Zurückziehen des anführenden Ritters. Der ist für Moral und Kampfkraft entscheidend, und wenn er das Zeitliche segnet, nehmen eure Soldaten schnell Reißaus.

Leider fehlt sowohl der Keil für den Durchbruch der Kavallerie als auch der doppelte Flankenangriff für die Umzingelung; auch Höhenunterschiede oder Wälder bieten weder einen Reichweiten- noch Tarnvorteil. Das ist schade, denn so werden die taktischen Finessen von vergleichbaren Spielen wie Praetorians nicht erreicht. Trotzdem machen gerade die Schlachten sehr viel Spaß; und wer seine Kompanien selber steuert, kann noch einiges herausholen, wenn er von der Seite oder von hinten in den Feind fällt.

Grund zur Ärgernis gibt`s im Detail: Manche Soldaten stehen gelangweilt neben dem Rest ihrer kämpfenden Kameraden, auf Wehrgängen versagt manchmal die Steuerung und Befehle werden ignoriert. Außerdem kann das Kampfgetümmel optisch nicht viel Feuer entfachen kann - im wilden Pixelpulk gehen Schläge, Stiche und Hiebe einfach unter.

Ein letzter Blick auf qualmende Schlote und düstere Wolkenschatten. Leider konnte LotR die hohen Erwartungen nicht erfüllen.


Insbesondere bei Belagerungen zeigt sich das hässliche Gesicht der Bewegungsroutinen und KI: Erstens kann man viel zu schnell und unspektakulär ganze Mauern einreißen. Zweitens rasen Soldaten wie Ameisen Sturmleitern hoch, was regelrechte Staus verursacht. Und drittens erschrecken die Verteidiger ab und zu mit dämlicher Lethargie, wenn sie Eindringlinge übersehen, auf Ausfälle verzichten oder sich lebensmüde von Pfeilspitzen durchlöchern lassen. LotR ist hier zwar trotz aller Defizite immer noch interessant, weil sich vor allem die Bogenschützen und Kavallerieattacken sehr  gut ansehen und einsetzen lassen. Aber Stronghold: Crusader zeigte sich hier wesentlich anspruchsvoller und intelligenter.

Kommentare

johndoe-freename-70421 schrieb am
Erst einmal vielen Dank für die erste brauchbare Kritik!
Ich habe so manche Stunde mit dem Vorgänger verbracht - und schließe mich der Kritik an! Vor allem ist Schade, dass man sich die Mühe macht historisch genau zu sein und dann keine Gestaltungsmöglichkeit zuläßt! Nur mittelprächtiges Gekämpfe, kein Handel, kein Aufbau - und die verschiedenen Sparten bleiben Kulissen ...
Schön wäre es, wenn Diplomatie, Handel und Religion ebenfalls zu Erfolgen führen könnten und nicht bloße Staffage bleiben würden ...
Und das von dem Team, das z.T. auch bei Stronghold mitgemischt hat, denn im Gegensatz zur Kritik finde ich die Grafik erbärmlich v. a. wegen der enormen Systemanforderung (Grafikkarte - wofür eigentlich?)
Jörg Luibl schrieb am
hermano hat geschrieben:Das Spiel hat leider fast nichts mehr mit den Vorgängern zu tun, nachdem ich circa zwei Stunden gespielt hatte, hab\' ich es desillosionert wieder deinstalliert.
Nehmt\'s nicht als bösgemeinte Kritik an eurem 4P-Urteil
Moin,
deine Kritik ist willkommen und sogar berechtigt. Liebhaber der Reihe werden ein anderes Spielerlebnis haben als damals. Im Test müsste jedoch klar werden, dass LotR III eindeutig in Richtung Echtzeit-Risiko mit Personenmanagement geht als in die Imperiumbau-Schiene mit Rohstoffmanagement.
Mir hat dieses dynamische Spiel allerdings kurzweilig Spaß gemacht, denn es hat einige interessante Aspekte.
Ach ja: Die vernichtende und ungewöhnlich hämische Kritik der GameStar, die ja etwa deinem Urteil entspricht, wurde aus einer sehr traditionalistischen Perspektive geschrieben, die quasi das Erbe der altehrwürdigen Reihe durch die Echtzeitdynamik und andere Dinge verletzt sieht - was okay ist. Meine Perspektive ist eine andere.
johndoe-freename-65511 schrieb am
Das Spiel hat leider fast nichts mehr mit den Vorgängern zu tun, nachdem ich circa zwei Stunden gespielt hatte, hab\' ich es desillosionert wieder deinstalliert.
Nehmt\'s nicht als bösgemeinte Kritik an eurem 4P-Urteil, aber mein Rat an alle, die sich LotR in aktuellem Grafikgewand wünschen ist: Lasst unbedingt die Finger von LotR III und träumt weiter von alten oder neuen besseren Zeiten. Ich seh lieber mal ob LotR 2 auf xp läuft...
h
lambi21 schrieb am
Ah, danke für die Antwort. Also wie auch der Rest des Spiels für alte Fans der Vorgänger eher enttäuschend... Schade. Da versuch ich doch lieber, den 1. Teil nochmal zum Laufen zu bringen.
Jörg Luibl schrieb am
Hallöle,
der Burgenbau ist über den Editor möglich, der diverse Turm-, Tor- und Mauertypen bietet. Diese selbst erstellten Festungen kann man dann auch ins Multiplayerspiel importieren.
Aber ehrlich gesagt sehen die Burgen weder besonders spektakulär aus noch macht der Editor mir richtig Spaß. Es fehlen einfach noch mehr Details wie Gräben oder Zugbrücken.
schrieb am