Im Test:
Die Monster-Metzel-Maschine
Fast 15.000 Monster hat mein "Engineer" in 17 Stunden erledigt - davon sind sogar 850 explodiert. Auf meiner 61.231 Schritte langen Reise durch die Welt von Torchlight II habe ich 90 Quests abgeschlossen, 5.138 Fähigkeiten benutzt, fast 300.000 Gold gesammelt, 123 Tränke verputzt und bin 14 mal gestorben. Und nach dieser umfassenden Tour durch das Hack&Slay von Runic Games bin ich der Ansicht, dass Torchlight II der bessere und vor allem charmantere Nachfolger zu Diablo II ist. Dabei bringt es das Totklick-Genre nicht entschieden voran. Aber es überzeugt mit kleinen Ideen und punktet in den Bereichen, die in diesem Genre wichtig sind: Gegenstände, Beute, Charakter-Entwicklung, Weltdesign und Multiplayer.
Mehr Action
Ende Oktober soll das Spiel in deutscher Sprache in den Läden stehen - von Publisher Daedalic Entertainment. Diese Box-Version wird ohne Steam auskommen und ist nach einmaliger Online-Aktivierung spielbar. Die Aktivierung ist zehnmal möglich. Danach kann man über den Support an mehr Aktivierungen gelangen. Die Aktivierung auf verschiedenen Geräten ist technisch möglich. Mit derselben Seriennummer kann nicht gleichzeitig auf mehreren Geräten online gespielt werden.
Der zweite Teil spielt sich so rasant wie Torchlight und damit zügiger als Diablo III: Die Spielfigur läuft schneller durch die Welt, die Level-Ups kommen flotter und man flitzt förmlich durch die stimmungsvollen Umgebungen voller Gegner - gerade wenn man an das vergleichsweise gemächliche Tempo des Blizzard’schen Abenteuers gewöhnt ist.
Hauptsächlich kämpft ihr gegen größere Gruppen von Gegnern. Oft wird mehr als ein Dutzend Feinde in allen Formen, Farben und Größen gleichzeitig bekämpft. Daher ist es gut, dass ein Großteil der Charakter-Fähigkeiten eine "automatische Zielsuche" eingebaut hat, die meist gute Dienste leistet.
Es tauchen 27 Bossgegner auf, die oft von kleinen Events umrahmt werden. Häufig sind sie nicht allein, sondern bekommen Unterstützung in Form von normalen Gegnern oder gar Champions – Letztere können besonders haarig sein. Ihr dürft gegen zwielichtige Gestalten, Anführer mit Tentakeln, Dschinns, Drachen, hässliche Mutanten, Werwölfe, Belagerungsmaschinen und noch viel mehr antreten – allesamt mit teilweise fiesen Flächenangriffen oder Ansturmattacken.
Mehr Erkundung
Im Gegensatz zum Vorgänger ist man diesmal auf der Oberfläche unterwegs und diese Gebiete können sehr groß sein. So gibt es in verwinkelten Gebirgsfurten und weitläufigen Wüsten, die allesamt zufällig generiert werden, viel zu entdecken. Apropos Erkundung: Dieser Aspekt spielt eine größere Rolle, da es auf den Karten Questgeber, Dungeon-Eingänge, Riesentruhen, Phasenbestien und Co. gibt, während in den Dungeons versteckte (und nicht auf der Minimap erkennbare) Bereiche warten.
Generell sticht ins Auge, dass sich die Entwickler wesentlich mehr Mühe bei der Gestaltung der Areale gegeben haben. Gerade der Schiffsfriedhof in der Wüste (Akt II) und der Dschungel mit Glühwürmchen und farbenfrohen Pflanzen (Akt III) sind besonders ansehnlich. Insgesamt gibt es 44 unterschiedliche Abschnitte der Spielwelt – beim Vorgänger waren es nur sieben. Eine ähnliche Umfangssteigerung verzeichnen die Gegner: Diesmal gibt es 183 Monstervarianten; im Vorgänger wurden 52 gezählt.
Das Spiel hat nichts von seinem knallbunten und ziemlich kantigen Comiclook - mit meist niedrig aufgelösten Texturen - verloren. Gleiches gilt für die überzeichneten Effekte der Fertigkeiten/Zauber.
Mehr Charme und Leben
Alles in allem wirkt Torchlight II verspielter und lebendiger, was u.a. den vielen Kleinigkeiten zuzuschreiben ist. So warten viele Gegner nicht bloß auf die Ankunft des Spielers, um erschlagen zu werden, sondern sie tauchen erst auf: Fledermäuse fliegen aus Bäumen, Piraten stürmen aus Hütten, Wölfe springen aus Höhlen, Zombies schlurfen aus dem Moor oder Hexen materialisieren sich aus Rabenschwärmen, die vorher als Schatten auf dem Boden zu erkennen waren.
Mehr Beute
Neben dem viel zu eingeschränkten Charakter-Entwicklungssystem war das Beutesystem eine der größten Schwächen von Diablo III. Der Zufallsgenerator erzeugte häufig dermaßen unsinnige Kombinationen an Werten, dass ein Großteil der gefundenen Gegenstände schlichtweg unbrauchbar war. Bei Torchlight II sieht es anders aus: Ihr werdet vergleichsweise mit Beute überschüttet. Trotz reichlich Schrott hatte ich in 17 Stunden Spielzeit über ein Dutzend einzigartige Gegenstände gefunden, diverse klassenbezogene Items geplündert und je vier Bestandteile von zwei verschiedenen Sets bekommen. Bei Diablo III fand ich in knapp 100 Stunden nur zwei legendäre Dinge; von Set-Teilen keine Spur. Gleichermaßen wirkt es so, dass die Werte auf den Torchlight-Items sinnvoller verteilt sind als beim Konkurrenten – trotz Zufallsgenerator – und die Klassen mit fast jedem Wert etwas Sinnvolles anfangen können. Die Suche nach neuen Gegenständen ist demnach ergiebiger, befriedigender und motivierender.
Schwierig?
Zwischen den Schwierigkeitsstufen "Casual", "Normal", "Veteran" und "Elite" dürft ihr zu Beginn (nach der Charakter-Erstellung) wählen - sogar eine Hardcore-Variante, in der der Charakter dauerhaft sterben kann, gibt es als Option. Sonderlich schwer war Torchlight II auf Stufe "Normal" nicht. Ein kooperatives Zweier-Team aus "Engineer" und "Embermage" hatte in den ersten zwei Akten keine Probleme – sonderlich viele Heiltränke waren dank einiger Heilfertigkeiten (Healbot) nicht von Nöten. Erst ab dem dritten Akt häuften sich sprunghaft die Spielertode – vor allem in den Herausforderungen, dem Akt III-Turm und bei gewissen Bosskämpfen mit Champions. Richtig schwer war es dennoch nicht, es wurde nur fordernder und bestrafte zu ungestümes Vorpreschen.
Im Gegensatz zu Diablo III hinterlassen die Gegner keine Heilkugeln und die automatische Lebensgeneration der Charaktere ist so mager, dass sie nicht ins Gewicht fällt.
Und ja: Torchlight II ist auf "Veteran" und "Elite" kompromissloser und kniffliger. Für Kenner des ersten Teils und Diablo-Erfahrene sollte "Veteran" daher die beste Wahl sein. Zum Glück stehen alle vier Schwierigkeitsstufen von Beginn an zur Verfügung, man muss das Spiel nicht erst durchgezockt haben, um Zugang zu höheren Herausforderungen zu haben. Man kann gleich auf "Veteran" oder "Elite" loslegen. Warum bei Diablo III kein ähnliches System zum Einsatz kam, bleibt ein Rätsel, denn automatisierte Aufstufungen und Level-Anpassungen der Gegner wären nicht das Problem.
New Game Plus & Umfang
Hat man es dann durchgespielt, lässt es sich im "New Game Plus Modus" weiterspielen oder auf einem höheren Schwierigkeitsgrad erneut starten – mit dem bisherigen Charakter, seinen Gegenständen, Fertigkeiten und Co. Dort erwarten euch angepasste Gegner (höheres Level, mehr Leben, mehr Schaden etc.) und höherwertige Beute. Doch sobald man sich für den "New Game Plus Modus" entschieden hat, kann man zu dem früheren Spiel/Schwierigkeitsgrad nicht mehr zurück.
Maue Story und Präsentation
Bisher machte Torchlight II seine Sache sehr gut und übertrumpfte mehrmals den aktuellen Blizzard-Konkurrenten. Andersherum sieht es bei der Story und deren Präsentation aus. Im Prinzip folgt ihr einem mysteriösen finsteren Alchemisten (Klasse aus Teil 1), der die Essenz von Ordrak (Endgegner von Torchlight) gestohlen hat und damit die Kräfte der Elementarwächter anzapfte, was die Welt in Chaos stürzte. Folglich tauchen Helden auf, die das Unheil beseitigen, dem Alchemisten folgen und aufräumen wollen.
Es geht durch bewaldete Regionen, über verschneite Gebirge, durch karge Wüsten bis hin zu einem Dschungel und endet an einem geheimnisvollen unterirdischen Ort - mit gelegentlichen Abstechern in allerlei Gruften, Dungeons und Co. Abseits dieser Hauptquest-Story, die aller höchstens ausreicht, um als rotes Fädchen zu fungieren, gibt es allerlei Nebenquests, die kleine Geschichten erzählen. Abgesehen von der Hexe in Akt III bleibt dennoch nicht viel von der Story hängen.
Während Diablo III seine doch recht mittelprächtige Geschichte in Form von beeindruckenden Zwischensequenzen aufblähte und es komplett vertonte Dialoge gab, zeigt sich Torchlight II spartanischer. So gibt es vier Cutscenes im reduzierten Comic-Stil à la Shank und vollwertige Sprachausgabe ist nur wichtigen Quests vorbehalten - zumindest die Kamera fährt bei Gesprächen etwas näher an die Beteiligten heran. Eine Präsentation der Dialoge oder Quests wie bei Guild Wars 2 wäre sicherlich ansprechender gewesen. Aber hier geht es nicht um eine Geschichte von epischer Tragweite, sondern um das effektvolle Zerschnetzeln von Monsterhorden, das Sammeln von Beute und das stetige Verbessern des Charakters.
Mehr Charakter-Weiterentwicklung
Deutlich besser ist die Weiterentwicklung des Charakters, da im Gegensatz zu Diablo III die Fertigkeiten manuell ausgewählt und verbessert werden können und man die Attribute wie in Diablo II per Hand verteilen darf. Wie sich der Charakter entwickelt, wird also vom Spieler entschieden und ist nicht vorgegeben. Anstatt gezwungenermaßen der Automatisierung zu folgen, sind Entscheidungen gefragt: Welche Fähigkeiten sind für mich interessant und wie möchte ich die Klasse überhaupt spielen? Dazu muss man sich mit der Klasse beschäftigen und erstmal die Fertigkeiten durchgehen. Doch der Reihe nach:
Das Helden-Quartett
Zwischen vier Klassen dürft ihr wählen, die im Vergleich zum Vorgänger mehr oder weniger neu sind. Der "Berserker" als typischer Nahkämpfer kann z.B. eine Schnetzelmaschine mit tierischen Unterstützern oder ein Tank werden. Der "Engineer" ist eher ein Freund von Begleitern wie dem Heil- oder Geschützturm-Bot, kann aber auch mit Schwert/Schild kämpfen oder mit Zweihandwaffen für mächtig Feuerschaden sorgen.
Neben den Frontkämpfern lauert der magisch begabte "Embermage" als Glaskanone (macht viel Schaden, hält wenig aus), der sich aus Feuer-, Eis- oder Blitz-Magietalenten bedienen kann. Die vierte und letzte Klasse ist der "Outlander" als eine Art naturverbundener Scharfschütze mit Hang zu schurkischen Magien. Das Aussehen sämtlicher Charaktere kann zu Beginn des Spiels mit wenigen Gesichtern, Frisuren und Farben minimalistisch festgelegt werden - eine Option, die es bei Diablo III gar nicht gibt.
Interessante Skills finden sich bei jeder Klasse wie z.B. "Death’s Bounty" vom "Embermage". Diese Fläche kann auf dem Boden platziert werden und alle Gegner, die dort sterben, geben Lebensenergie und Mana – sogar für Mitspieler. Sonderlich viele unterschiedliche Skills hatte ich beim Durchspielen als "Engineer" übrigens gar nicht verwendet: Flammenhammer, Seismic Slam (Donnerstampfen mit Betäubung), Ansturm, Emberquake, Supercharge und Zweihandwaffen-Bonusschaden wählte ich als Fertigkeiten aus der Blitz-Kategorie und reicherte sie mit dem Heil-Bot und der passiven Rüstung aus den anderen Spezialisierungen an. Andere Spielweisen sind durch bestimmte Talente ebenso möglich, z.B. als Tank mit Schwert und Schild oder mit der Hilfe von Unterstützern.
Gänzlich neu ist die Charge-Leiste, über die jeder Charakter verfügt. Durch schnelles und möglichst pausenloses Austeilen von Schaden wird diese Leiste aufgeladen und spendiert mächtige Kampf-Boni. Beim "Outlander" werden beispielsweise Zauberzeit, Ausweichchance, kritische Trefferchance und Angriffsgeschwindigkeit durch die Charge-Leiste beeinflusst. Der "Engineer" verstärkt dadurch seine Angriffe und der "Embermage" kann bei voller Leiste einen Zustand erreichen, bei dem seine Zaubersprüche kein Mana mehr verbrauchen. Der Charge-Aspekt spiegelt das rasante Kampfsystem klar wider.
Nicht ohne Begleiter
Im Kampf stellt sich der Mitstreiter zwar nicht sonderlich helle an, ist aber eine nette Unterstützung und stirbt nicht so häufig wie gedacht. Was mir allerdings fehlt, ist die Möglichkeit, den Begleiter mit eigenen Fähigkeiten oder Talenten weiterzuentwickeln. Einige Gegenstände und Zauber via Schriftrolle kann man dem Packesel zwar verpassen, konkrete Skills hätten sicherlich nicht geschadet.
Keine Fertigkeitsbäume mehr
Auch Torchlight II hat sich - wie Diablo III - von den traditionellen Fertigkeitsbäumen (Skilltrees) verabschiedet, die es in der Beta-Version noch gab. Trotzdem bietet das neue und deutlich übersichtlichere System mehr als genug Spielraum zur Individualisierung des Charakters.
Wie schon bei Torchlight hat jede Klasse drei Spezialisierungen. In jeder Spezialisierung befinden sich sieben aktive und drei passive Fähigkeiten. Jede Klasse hat somit 30 Skills, die sie mit keiner anderen Klasse teilt - bei Torchlight war das noch anders, da gab es Überlappungen.
Da der grundlegende Skilltree weggefallen ist, gibt es logischerweise keine Fertigkeiten mehr, die auf eine andere Fähigkeit aufbauen. Stattdessen werden die neuen Talente mit steigender Stufe freigeschaltet. Das Wechseln der "Skillung" wird hingegen schwieriger. Es gibt keine Möglichkeit mehr, die bereits vergebenen Talent- und Attributpunkte neu zu verteilen – es können lediglich die letzten drei ausgewählten Fertigkeitspunkte zurückgesetzt werden.
Ein wenig mehr Komfort
Obwohl das spartanisch gehaltene Interface in der Charakterübersicht überzeugen kann und die Verbesserungen der Attributwerte verständlich darstellt, hätte ich mir noch die eine oder andere Komfortfunktion gewünscht. Zum Beispiel wäre es schön gewesen, wenn man alle unnützen Items mit einem Klick verkaufen könnte – zumal man immerhin einstellen kann, dass Beute von bestimmter Qualität gar nicht angezeigt wird. Mehr Details und Icons hätten dem Fertigkeitenmenü ebenfalls gut getan.
Fazit
Torchlight II ist ein klassisches Hack&Slay mit vielen guten Ideen und hohem Tempo. Im Vergleich zum Vorgänger wirkt hier alles umfangreicher und durchdachter, hinzu kommt ein kooperativer Multiplayer. Am Spielprinzip rund ums "Monster totklicken" und "Charakter verbessern" hat sich nichts geändert: Erfolge stellen sich zügig ein, Beute wird mehr als großzügig verteilt und es gibt viel zu entdecken. Insbesondere an den Stellen, wo Diablo III versagte, punktet das kleine Spiel von Runic Games. So gibt es mehr als genug nützliche Beute, was die Itemjagd motivierend macht und die Charakter-Entwicklung geschieht ohne störendes Korsett - es sind Entscheidungen gefragt. Auch Auswahl und Balance der Schwierigkeitsgrade sind gelungen. Darüber hinaus überzeugt das Hack&Slay mit vielen cleveren Einfällen im Weltdesign und macht generell einen verspielteren Eindruck. Und bei einem Preis von unter 20 Euro fällt es nicht so stark ins Gewicht, dass die Story belanglos ist und die Präsentation mau daherkommt. Torchlight II ist ein erstklassiges Hack&Slay nach Diablo II-Vorbild mit einwandfreiem Spielgefühl – ohne störende Vereinfachungen oder Automatisierungen.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Diablo 3 ist geschlagen: Torchlight 2 löst es als besseres klassisches Hack&Slay ab!
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