Dungeons08.02.2011, Jörg Luibl
Dungeons

Im Test:

Ich liebe Kerker und Katakomben, Monster und Fallen! Es muss nicht immer gleich ein Rollenspiel sein, es darf auch mal ein knackiger Crawler oder etwas gemütlich Strategisches sein. Ich kaufe fast blind alles, was auch nur im Entferntesten düsteren Spaß in verwinkelten Dungeons (ab 4,99€ bei kaufen) verspricht - egal ob virtuell oder handfest auf dem Tisch. Leider habe ich mich auch für dieses Spiel entschieden.

Böses Erwachen

Nur weil das Spiel "Dungeons" heißt, mit "Sei böse!" lockt und ich alles unter Tage einfach spielen muss, habe ich skeptisch (M.U.D . TV, Wertung: 44%), aber durchaus neugierig dieses Abenteuer von Realmforge installiert. Helden anlocken, mästen und vernichten klingt doch als Spielziel gar nicht so schlecht - sie dürfen nur nicht das Dungeonherz erreichen! Ich habe also ein wenig auf eine kreative Evolution des Klassikers gehofft: Vor mehr als dreizehn Jahren konnten mich die Jungs von Bullfrog zum Kerkermeister machen - für ganze Nächte! Das hat damals so viel Spaß in Dungeon Keeper gemacht, dass ich die Eiserne Jungfrau bis heute durch die Flure streifen sehen. Da müsste es doch ein Leichtes sein, die labyrinthische Nostalgie in ebenso frische wie blutige (und natürlich witzige) Faszination umzuwandeln...

...ist es aber nicht. Denn in diesen Gemäuern des Jahres 2011 weht ein ganz anderer Geist als in jenen von 1997. Was unter der Feder von Peter Molyneux von Beginn an für kreatives Bauen, Basteln und Schadenfreude zwischen Feen, Fallen und Folterkellern sorgte, ernüchtert hier schon im Einstieg: Der bemühte Humor zündet etwa zwei Klassen tiefer als im wirklich süffisanten Overlord und dürfte höchstens Kindern ohne Terry Pratchett-Bildung ein Grinsen entlocken - von bösem Sarkasmus ist nur selten eine Spur. Man fragt sich auch: Warum zur Hölle versucht man dem Herren des unterirdischen Bösen nicht etwas Charisma in Form von Fratze und Gelächter zu geben? Der Protagonist bleibt ein anonymer (unheimlich schlecht designter) Helmträger. Und schon der erste Auftrag, bei dem man einfach für eine bestimmte Seelenzahl höllisches Grünzeug, Gargoyleköpfe oder Knochenleuchter irgendwo an den Wänden eines bereits bestehenden Labyrinths anbringen soll, offenbart weitere Defizite dieses Spiels.

Böse Kulisse

Bunt, chaotisch und technisch veraltet: Diese Gemäuer schrecken selbst genügsame Dungeon Lords ab.
Dann tauchen irgendwann die ersten Helden auf, die man je nach Klasse mit Schätzen, Waffen und Wissen anlocken und für ihre kostbare Seelenenergie mästen muss, bevor man sie am Levelausgang abfängt, einkerkert und um Bares beraubt. Aber wo der Spaß beginnen sollte, geht die Enttäuschung beim ersten Gefecht los. Technisch muss man seine Ansprüche kräftig nach unten kurbeln, bevor man sich der tieferen Spielstrategie widmen kann: Denn was hier für 40 Euro (!) als Unterwelt zwischen Farbkitsch und Texturmatsch inszeniert wird, ist leider keinen Zoom wert. Man muss sich schon fragen, warum die Fantasy zwischen grellem Lila und Rot mal wieder so vor die Artdesignwand gefahren wird.

Lediglich kleine Szenen wie die Reaktion von Magiern auf die Schönheit eines Dungeons oder das gierige Wühlen zwischen Gold sorgen für Hingucker. Aber nur die entfernte Draufsicht sorgt über längere Sicht für den Hauch schummriger Atmosphäre, denn sobald man näher auf die Kämpfe zwischen Helden und Monstern schaut, wird man von monotoner Schepperakustik und Steiftieranimationen entsetzt. Aber wenn doch die Seele stimmt? Wenn die böse Strategie zwischen den Gemäuern spielerisch motiviert? Ja, wenn, wenn, wenn - tut sie aber nicht. Im Gegenteil: Vom ersten Dumpfbackenauftrag führt ein roter Faden bis zum hektischen letzten, der zwischendurch von schwacher KI, kaum Helden-Feedback, fehlenden Bau-Prioritäten sowie sporadischen Bugs und Abstürzen weiter ausgefranst wird.

Böse Auswahlprobleme

Anstatt sich auf den strategischen Aufbau zu konzentrieren, verrennen sich die Entwickler in hektischen Missionen.
Dabei ist die Grundmechanik solide: Goblins dienen als Allround-Service-Mitarbeiter und hauen Fels aus dem Berg, um neue Gemäuer zu errichten. Die Kohle der gefangenen Helden bzw. Klonkollektive kann man gleich wieder investieren, um sein Dungeon attraktiver bzw. gefährlicher zu gestalten. Da gibt es zwar Interieur von der preisgünstigen Dämonenfratze bis zum sauteuren Schädelbecken, aber wirklich viel Auswahl hat man als Meister des Schreckens nicht. Vor allem nicht, was die Räume für die noblen Besucher angeht - die Bedürfnisse der Helden lassen sich viel zu schnell befriedigen; Waffenkammer, Bibliothek, Schatzkammer, Monster, das war's.

Apropos Monster: Es gibt nur wenige Arten von Pentagrammen für Fallen und etwas mehr als ein knappes Dutzend klassische Monster von der Werratte bis zum Betrachter. Wo sind hier die kreativen Ideen? Wo ist die Vielfalt hinsichtlich des Schreckens, den ich mit miesen Kreaturen und tödlichen Gerätschaften auslösen kann? Ich muss mich ja nicht mal richtig bemühen, damit sich die Dämonen der Unterwelt bei mir wohl fühlen! Das ganze Spiel ist eher eine unterirdische Dauershow von Kloppmistszenen als eine kreative Herausforderung, zumal ohne martialische oder architektonische Finessen immer dasselbe in schlecht designten Dungeon passiert.

Als Ersatz für die eigene Inspiration als Bauherr hat man tatsächlich aktive Missionen eingestreut, die es zu bewältigen gilt: Was für ein Unsinn! Genau das ist ein Fehler, denn anstatt auf den strategischen Dungeoneffekt und Komplexität zu setzen, bietet man dem Spieler 08/15-Missionen - da muss man natürlich wieder nah ran und ärgert sich gleich doppelt ob der schwachen Kulisse und frustrierender Zeitlimits. Als Action-Rollenspiel mit Hol- und Bringdiensten taugt so ein unterirdisches Konzept wahrlich nicht, denn das ist weder Fisch noch Fleisch. Aber Realmforge wollte dem Rollenspiel als Designelement scheinbar nicht entsagen: Es gibt tatsächlich eine Karriere für den angehenden Dungeon Lord inklusive Fähigkeitenbaum für Angriffe, Verbesserungen und Bau. Wer will sich auf lange Sicht mit einem Meister beschäftigen, der so schlecht unterhalten kann?          

Fazit

Be evil and feel good? Wohl eher: Be bored and feel cheated! So ein schöner Name, so ein schlechtes Spiel. Komisch, denn ich mag das Konzept, ich liebe Kerker und würde gerne die ganze Nacht lang fiese Katakomben bauen - so wie damals in Dungeon Keeper. Aber mit diesem wertvollen Klassiker hat dieser inkonsequente Aufguss nur auf den ersten Blick etwas zu tun. Ja, das Grundgerüst ist solide, die Lokalisierung gelungen und die Steuerung schnell verinnerlicht. Manchmal blitzt sogar so etwas wie sarkastische Stimmung auf, wenn ein Held etwas von sich gibt! Aber für satte 40 Euro wird man hier nicht nur auf potenten Rechnern in die Grafikvergangenheit gebombt, von den primitiven Soundeffekten, dem kitschigen Artdesign und den steifen Animationen ganz zu schweigen. Man muss auch noch ein unausgegorenes Spieldesign zwischen Action-Rollenspiel mit nervigem Zeitlimit und viel zu schwachbrüstiger, in keiner Weise fordernder Aufbaustrategie ertragen. Das ist nur noch ein unterirdischer Abklatsch der großartigen Unterhaltung, die man zu Bullfrog-Zeiten genießen konnte.

Pro

einfache Steuerung
Karriere mit mehreren Fähigkeiten+ einige stimmige Helden-Reaktionen
komplett deutsche Lokalisierung

Kontra

kitschiges Artdesign
monotoner Spielablauf
Dungeon Lord ohne Charisma
schwache Kulissen, Animationen & Sounds
kaum Auswahl für Dungeonbauer
kaum architektonische Missionen
nervige Missionen mit Zeitlimit
sporadische Abstürze & Bugs

Wertung

PC

Großer Name, schwaches Spiel: Dungeon Keeper war faszinierend - das hier ist nur noch ein unterirdischer Abklatsch.

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