Im Test:
Das Imperium schlägt zurück
Rund zehn Jahre nach den Geschehnissen aus Warhammer 40.000: Dawn of War II - Chaos Rising schwelt der Krieg zwischen Chaos, Space Marines, Eldar, Orks und Tyraniden weiter. Es gibt keine Ruhe im Aureliasektor und das scheint dem Imperium zu missfallen, das jetzt gehörig auf den Putz hauen möchte und sich für die pragmatische Ausrottung aller Streithähne entschieden hat. Mit dem ausgerufenen "Exterminatus" sollen ganze Planeten und sämtliche Kampfparteien vernichtet werden...
Neben den fünf bekannten und sich grundlegend voneinander unterscheidenden Fraktionen betritt das Imperium das Schlachtfeld als sechste spielbare Partei. Mit großen Infanterieverbänden, einer ordentlichen Fahrzeugauswahl und dem größten Panzer seit es Geschütze gibt, weiß das Imperium ebenfalls mit defensiven Qualitäten zu gefallen. Doch an die Besonderheiten der Tyraniden und den äußerst gefälligen Orks mit ihrer einzigartigen "Ausdruk'sweisä" (Ich mosch Dich platt!) reichen die Imperialisten nicht heran.
Befreiungskampf in der Kampagne
Ansonsten hat sich an den temporeichen Scharmützeln, die eher an ein Action-Taktikspiel mit leichten Rollenspiel-Elementen erinnern - wobei beide Bausteine eher oberflächlich bleiben - nichts Gravierendes verändert. Die meisten Feinde schaltet ihr entweder in aggressiver Haudrauf- oder Schießplatt-Manier aus oder verwendet hinlänglich bekannte Unterdrückungsfeuer-/Deckung-/Flanken-Aktionen. Und nein, Basisbau im klassischen Sinne gibt es natürlich nicht. Trotzdem erwarten euch viele Verbesserungen im Detail.
Jede der sechs Fraktionen könnt ihr in der rund ein Dutzend Missionen umfassenden Kampagne spielen, die jeweils ca. sieben bis acht Stunden verschlingt - ein sehr guter Umfang für eine Erweiterung, die ohne das Hauptspiel auskommt. Dabei spielt jede Partei in der Kampagne auf den gleichen Schlachtfeldern bzw. Karten, aber die Missionsziele und Storyperspektiven verändern sich je nach Wahl des Streithahns.
Gleiche Schauplätze für sechs Fraktionen
So müsst ihr als Chaos-Kommandant z.B. eine Orkbasis vernichten, während ihr als Orkchef den Waffenbrüdern zu Hilfe kommt. Manch ein Bosskampf oder Frontalangriff sieht je nach Volk unterschiedlich aus, weil meist Feinde aus anderen Fraktionen auf euch lauern. Viel mehr Abwechslung solltet ihr nicht erwarten und spätestens nach dem zweiten Durchspielen stellt sich Routine auf den bekannten Karten und durch die bereits erlebten Skript-Ereignisse ein. Durch diese anderen Sichtweisen und Missionsziele bietet die Kampagne einen erhöhten Wiederspielwert, der stark an die persönliche Wiederholungsresistenz und die Zuneigung zu den Völkern geknüpft ist.
Die Missionen
Alle Kampagnenvarianten erzählen eine einzigartige Geschichte, welche die Missionen zusammenhält, ohne allzu tiefgreifende Akzente zu setzen. Fortgesponnen wird die Story durch mittelmäßige Zwischensequenzen in Spielgrafik, die in der Nahansicht leider recht detailarm wirken, aus der Ferne hingegen eine bombastische, bildschirmerschütternde Schlachtfeldatmosphäre erzeugen. Gelegentlich gibt es hübsche Rendersequenzen zu sehen, meistens zu wichtigen Anlässen wie dem beginnenden Exterminatus.
Herausragend ist hingegen die deutsche Synchronisation, die sich trotz manch nervigen Einheitenkommentars als sehr gelungen erweist. Erfüllte Nebenziele in den Missionen versprechen meist Bonusausrüstung oder Zusatzressourcen.
Obwohl das Design der Missionen im Prinzip darauf hinausläuft, dass ihr alle Punkte auf den meist schlauchförmigen Kartenkorsetts der Reihe nach abklappert und von Feinden säubert, sind die Einsatzziele um Vielfalt und die Extraportion Schlachtfeldbrachialität bemüht. Eine gelungene Platte aus Eroberungen, Erforschungen, Verteidigungsaufträgen, Boss- oder Arenakämpfen, taktischen Ruckzügen und fiesen Attacken (manchmal sogar unter Zeitdruck) wird geboten und manche Einsätze wie der Exterminatus oder der spektakuläre letzte Auftrag beleiben nachhaltig im Gedächtnis. Trotzdem sind viele Karten zu eng, bieten zu wenig Platz für große Fahrzeuge, Infanteriegroßverbände oder alternative Marschrouten, dafür gibt es alle Nase lang geskriptete Ereignisse, die für Tempo und Überraschungen sorgen. Außerdem wirken die Haupt- und insbesondere die Nebenmissionen nicht mehr so belanglos und austauschbar wie in den vorherigen Spielen.
Die Sektorkarte
Welche Mission ihr als nächstes bestreiten wollt, entscheidet ihr auf der Weltraumkarte. Es gibt Story- und Nebenmissionen, wobei sich die Anzahl der optionalen Einsätze in Grenzen hält, aber immerhin sind diese vorhanden. Während im Hintergrund oftmals die Protagonisten in Portraitform über die Geschehnisse quatschen, verwaltet ihr auf der Sektorkarte eure Helden bzw. die Armee. Ihr verteilt in den Missionen gesammelte Ausrüstung (Waffen, Panzerung, Relikte und Co.) an eure heroischen Kampfmaschinen und entscheidet in welche Richtung sie weiterentwickelt werden sollen.
Auf der Sektorkarte wählt ihr den nächsten Einsatzort aus und kümmert euch um die Helden bzw. ihre Fähigkeiten und Ausrüstung.
Bis Stufe 10 können eure mächtigen Kämpfer aufsteigen und bei jedem Aufstieg dürft ihr eine neue Fertigkeit aus den Kategorien Ausdauer, Angriff und Wille erlernen. Da insgesamt zehn Punkte für 15 Fertigkeiten zur Verfügung stehen, müsst ihr eine Wahl treffen, in welche Richtung ihr welchen Helden treiben wollt. Diese Weiterentwicklung und das Sammeln der Ausrüstung ist ein wichtiger motivierender Schlüsselfaktor, der im Vergleich zu Dawn of War 2 etwas vereinfacht und geradliniger gestaltet wurde. Dennoch verspielt Retribution hier einige Chancen, da zusätzliche (teambezogene) Fertigkeiten, kleine Talentbäume, weitere Ausrüstungsplätze und Co. mehr Tiefe geschaffen hätten.
Helden oder Normalos?
Auf den Schlachtfeldern dürft ihr weiterhin keine Basis errichten, aber zumindest neue Einheiten anfordern und so etwas wie Ressourcen einsammeln. Bei Dawn of War 2 steckten noch Granaten oder sonstiger Schnickschnack in den Kisten, jetzt lassen sich dort Anforderungspunkte oder Energie auflesen, die ihr entweder in neue Einheiten oder Verbesserungen der Helden (beschränkt auf die Mission) investieren könnt. Zudem erhaltet ihr Anforderungspunkte, Energie oder eine Anhebung des Bevölkerungslimits, wenn ihr "Kartenkontrollpunkte" erobert. Neue Einheiten könnt ihr übrigens an solch eroberten Positionen anfordern, sofern Ressourcen und Bevölkerungslimit mitspielen.
Helden oder Normalos?
Generell lassen sich die Missionen mit Helden, (verbesserten) Standardtruppen oder einer Mischung aus beiden bestreiten. Für welche Spielweise ihr euch entscheidet, legt ihr vor und nach jeder Mission fest: Einerseits durch die Truppenauswahl vor dem Einsatzstart, ob ihr Helden oder Spezialeinheiten losschicken wollt und andererseits durch die Art der Belohnung nach jedem erledigten Schlachtfeld, indem ihr neue Ausrüstung, Truppen oder Spezialeinheiten auswählt. Jedoch ist der Balanceunterschied zwischen diesen Spielstilen gewaltig. Mit Helden ist es wirklich leicht eine Schlacht zu gewinnen.
Das liegt hauptsächlich an den mächtigen Spezialfertigkeiten (Heilung), mit denen die normalen Einheiten keinesfalls mithalten können. Mit einer Helden-Mischung aus einem Nahkämpfer im Frontalangriff (als Schadensfresser) und sonst nur Fernkämpfern habe ich nahezu jeden Einsatz problemlos bestritten, was ebenso an der zaghaft agierenden Computerintelligenz lag, die oft nicht Herr der Lage war bzw. zu defensiv agierte und das Deckungssystem war bei dieser Spielweise irgendwie überflüssig. Als Kommandant der Helden hatte ich ohnehin das Gefühl ein Action-Rollenspiel bzw. Hack&Slay zu spielen als einen Strategietitel, denn braucht man nur ihre Fertigkeiten mehr oder weniger sinnvoll einsetzen. Wird dann mal ein Anführer aus den Stiefeln gehauen, kann dieser an Ort und Stelle oder für Anforderungspunkte am Respawnpunkt wiederbelebt werden.
Als Kommandant der "normalen Truppen" oder der Spezialeinheiten muss schon etwas mehr taktisches Gespür an den Tag gelegt werden, vor allem weil das mit dem kostspieligen Nachschub so eine Sache ist. Eine schöne Idee ist übrigens, dass wenn manche Helden nicht mit auf dem Schlachtfeld anwesend sind, sich ihre durch Level-Ups erlangten Verstärkungen oder Verbesserungen auf die normalen Einheiten auswirken. Nach dem Einsatz: Mit der Auswahl der jeweiligen Missionsbelohnung legt ihr außerdem fest, ob ihr mit Helden oder Standard-Truppen unterwegs sein möchtet.
Multiplayer und Steam
Im Mehrspieler-Modus gibt es, neben der grandiosen Chance die Kampagne auch kooperativ zu absolvieren, ziemlich wenig Neues, außer einiger Karten für die Versus-Gefechte und ein neues Last-Stand-Schlachtfeld. Dafür wurde auf der technischen Seite endlich die nervtötende Games for Windows Live-Anbindung ausgemerzt und komplett durch Steam ersetzt - sowie entsprechendem Kopierschutz mit Accountbindung.
Fazit
Diese Erweiterung weiß mit großen Umfang zu überzeugen und ist trotz relativ langer Liste an Kontrapunkten mehr als die Summe seiner Einzelteile. Ja, die Schlachten sind taktisch wenig fordernd (mit Helden zu einfach), laufen oft nach bestimmtem Muster ab und die rudimentären Rollenspiel-Elemente hätten ausgebaut werden müssen. Aber trotz dieser Unzulänglichkeiten gepaart mit KI-Schwächen und Karten-Recycling können die Schlachten in der Kampagne fesseln. Woran liegt das? Einerseits treibt die klassische Heldenverbesserung via Aufstieg und Ausrüstung stärker an als der Drang die Story fortzuführen und andererseits überzeugt das großartige Szenario, das Relic Entertainment mit enormer Detailfülle eingefangen hat. Vor allem die Wucht und die Brachialität der Kämpfe zelebriert dieses Spiel meisterlich, auch wenn die Scharmützel im Vergleich zu anderen Spielen eher kompakter Natur sind. Im Mehrspieler hält sich das Add-On hingegen zu stark zurück. Unterm Strich also richtig gute Action-Taktik!
Pro
Kontra
Wertung
PC
Umfangreich, explosiv und voller Action: Diese Erweiterung ist trotz seichter Taktiktiefe richtig gut!
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