Landwirtschafts-Simulator 201119.10.2010, Mourad Zarrouk
Landwirtschafts-Simulator 2011

Im Test:

Nachdem Trittbrettfahrer UIG mit seinem unspielbaren Agrar Simulator unlängst den Super-Gau provozierte (4P Wertung 1%) wollen wir doch mal sehen, ob und was das "Original" besser macht. Denn auch beim Landwirtschafts-Simulator lag im Februar noch einiges im Argen (LWS "Gold"-Wertung 49%). Konnte man aus  Fehlern lernen? Ist man auf dem richtigen Weg?

Wo immer noch kein Hahn kräht

Mein Hof zu Beginn...was die Geräte angeht, eher ein "Museumshof".
Neues Spiel, alter Eindruck: Es ist wieder acht Uhr, die Sonne ist mal wieder aufgegangen, aber es kräht immer noch kein Hahn! Wohlgemerkt - ich stehe auf einem (virtuellen) Bauernhof! Wie schon in der überarbeiteten Gold-Version des Landwirtschafts-Simulators 2010 (LWS) vom Februar sehe ich (zunächst) keine Lebewesen: Keine Kühe, keine Schafe, keine Hühner, keine Menschen...kein Schwein eben. Wieder werde ich das seltsame Gefühl nicht los, mich in einem postapokalyptischen Szenario zu befinden und jeden Moment kommen Außerirdische (oder Zombies), um mich wie schon alle anderen zuvor zu pulverisieren (oder zu fressen), bis kein Krümel von mir übrig bleibt. Ängstlich schaue ich mich um und entdecke aber auch schon das erste neue Element: Ein Wohnhaus! Sogar ein ganz mondänes! Man hat mir endlich ein Haus spendiert...mit Vorgarten und Deko-Family-Van (leider nicht fahrbar) vor der Tür. Immerhin, aber ansonsten ist alles auf den ersten Blick wie gehabt: Die Grafik wirkt auf potenten Rechnern und voller Maximalausreizung der Engine besser als letztes Jahr, die Landschaft sowie der museumsreife Start-Fuhrpark können sich durchaus sehen lassen und das Ganze entwickelt mit der Zeit irgendwie seinen eigenen Charme.

Eine Insel mit mehreren Bergen

Immerhin: Ein feines Wohnhaus hat man mir spendiert...nur darin schlafen darf ich nicht.
Der Verpackung liegt eine postergroße Karte der neuen Spielwelt bei. Sofort wird ersichtlich: Die neue Insel ist gut doppelt so groß wie die letzte, verfügt nun über mehr Stationen (Sägewerk, Dorf, Molkerei, Aussichtsplattform etc.) sowie deutlich mehr Felder. Altbekannte Stationen wie Brauerei, Getreidemühle oder der Hafen sind natürlich nach wie vor dabei. Altbekannte Unzulänglichkeiten aber auch: So ist nach wie vor in der Karriere keinerlei Charakterentwicklung möglich, ich kann weder Aussehen oder zumindest Geschlecht meines Alter Egos bestimmen.  So beginne ich meine Karriere wie schon letztes Jahr als offensichtlich männlicher Mr. Namenlos, denn die Person am Steuer der Maschinen ist augenscheinlich maskulin.  Kleine "I"-Symbole neben bestimmten Stationen meines Hofes (und auch anderen Stationen) symbolisieren Informationsfenster, die sich öffnen, sobald ich sie berühre. So erfahre ich auch ohne grundlegendes Tutorial nach und nach, was wo zu tun ist und wo ich welche Objekte für welche Aktion finde. Neueinsteigern seien aber die sechzehn Einzelmissionen wärmstens empfohlen, wo sie mit den Grundlagen der Spielmechanik vertraut  gemacht werden.

Bauer findet... Menschen!

Stattdessen muss ich Tag- und Nacht arbeiten...immerhin leuchtet der Mond stets hell.
Nach wie vor ist der Einstieg trotz Info-Fenstern, die es ja teilweise auch schon vorher gab, etwas zäh. Das hier ist "Open World" in seiner härtesten Form. Sagt man mir bei Mafia oder GTA  zumindest ansatzweise, was als nächstes auf dem Plan steht, werde ich hier meinem Schicksal überlassen - und zwar  richtig. Weizen ernten? Feld umpflügen? Raps, Mais oder Gerste aussäen? Bei ca. 35 unterschiedlich großen Feldern, die offenbar allesamt mir gehören (da bekommt Großgrundbesitz eine völlig neue Bedeutung) fällt die Wahl schwer. Ich entscheide mich zunächst dafür, das Feld direkt nebenan umzuflügen, um  anschließend Aussaat zu betreiben. Also rauf auf den Bock, den Pflug angekoppelt, hochgestellt, zum Feld gefahren, abgesenkt und los... Wie gehabt ziehe ich so eine Bahn nach der anderen, während die Sonne über meinem Haupt ihre Runde dreht. Spannend? Nach wie vor nicht! Also verliere ich irgendwann die Lust daran und schaue lieber mal im Farmer-Shop vorbei. Auf dem Weg dahin erwartet mich die erste Überraschung: Menschen! Es laufen Menschen auf dem Bürgersteig! Männer und sogar Frauen! Ich bin nicht allein! Okay, Autos kurven ja  wie immer auf den Straßen umher, aber echte Menschen...außerhalb ihrer Blechbüchsen? Wahnsinn!

     

Bauer findet... Tiere!

So ein Fuhrpark wie dieser muss schließlich mühsam erarbeitet werden.
Kaum von meinem Glück erholt, entdecke ich im Shop, den ich über eine Art grünes Diamantsymbol ähnlich den Sims betrete, den nächsten Hammer: Neben allen möglichen modernen und zunächst unerschwinglichen landwirtschaftlichen Maschinen, Geräten und Gefährten (übrigens Original von Deutz-Fahr, Krone, Horsch und anderen Firmen lizenziert) komme ich am Ende des Auswahlmenüs zur Rubrik Vieh! Und siehe da, ich könnte theoretisch eine oder mehrere Kühe kaufen! Leider reicht mein Budget noch nicht und so fiebere ich meinem Neuerwerb entgegen. Viehwirtschaft im LWS - dass ich das mal erleben darf! Was tun, um schnell an die nötige Kohle zu kommen? In Mafia II konnte ich  Autos klauen und verschrotten lassen, bei GTA Taxi fahren, nur was mache ich hier? Erst warten, bis ich meinen Raps ernten kann? Bitte nicht! Die Rettung: Meine Silos! Je nach Schwierigkeitsgrad befinden sich diese nämlich mit den vier Anbaufrüchten schon entsprechend befüllt und ich muss lediglich mit dem Anhänger darunter fahren und die Ladung abhängig von der Frucht zur entsprechenden Annahmestelle karren.  Über einen Blick auf meinen integrierten PDA sehe ich, dass der Preis für Gerste bei der Brauerei im Moment recht gut ist, also auf geht's!

Bauer findet... ansatzweise so etwas wie Spielspaß

...und so dresche ich das Korn...
Auf dem Weg passiere ich das neue und größere Dorf -  Leben! Es wird Nachmittag und die ersten Autos machen die Lichter an. Ich passiere den Hafen, dessen Anlagen erstaunlich realistisch aussehen (der Containerterminal zumindest), fahre eine Küstenpromenade entlang und komme zur "Brauerei", die eher einem Gasthaus ähnelt. Aber egal: Hauptsache man nimmt mir die Gerste ab. Den Anhänger über ein Fallgitter bugsiert und die Kipp-Taste gedrückt. Schon sprudelt der Geldsegen. Naja... So viel kommt bei der Fuhre gar nicht herum, aber immerhin genug für meine erste Kuh. Yieee-Haaa! Nun geht's wieder zurück zum Shop und endlich bin ich stolzer Cowboy! Man informiert mich, das gute Stück namens "Betty" (kein Witz) sei automatisch zur Koppel transferiert worden... sonderbar: Wieso darf ich sie nicht einfach mitnehmen? Einen Hänger hätte ich doch dabei? So mache ich mich auf zur Koppel, um das gute Tier zu begrüßen. Nach etwa drei Minuten Trecker-Fahrt (30 Km/h...spitze...gäähn) erreiche ich die Koppel und da steht sie auch, die Betty. Viele kleine "I"'s dort verraten mir, was zu tun ist, damit die Gute auch Milch gibt und somit Ertrag abwirft. Um das jetzt mal abzukürzen: Es ist eine Menge... Mindestens Mais oder Gras muss ich hier regelmäßig hoch karren, damit das Vieh glücklich bleibt. Und ich hatte schon fast gedacht, ich spiele endlich... da arbeite ich auch schon wieder.

Bauer findet... Mitspieler

...und pflüge den Acker um. Von morgens bis abends und eben auch nachts...
...und endlich intelligente(re) Hilfsarbeiter. Die neue Multiplayeroption ist schon eine echte Bereicherung, denn nun kann ich mir die Arbeit  gemeinsam mit anderen teilen, chatten und sogar Geld tauschen. Zusätzlich hat man endlich an der KI des integrierten Hilfsarbeiters gearbeitet. Beim Vorgänger war der KI-Partner nämlich schlichtweg zu blöd um mir eine Hilfe zu sein. Das klappt nun besser: Stoisch wird da z.B. ein Feld abgeerntet, bis der Mähdrescher voll ist und ich mit dem Traktor vorbeikomme, um das Korn abzuschöpfen. Danach fährt er munter weiter. Das ist ein mittlerer Quantensprung in dieser Serie. Nach wie vor fragt man sich aber, wieso ich die komplette Nacht durcharbeiten muss und jetzt, wo ich doch ein schönes Haus habe, nicht auch darin schlafen darf? Nach wie vor vermisse ich Schweine, Hühner, Schafe und andere Nutztiere außer den Milchkühen. Nach wie vor treibt die (zweifellos verbesserte)  Physik-Engine mitunter ihre Stilblüten und eine Sprachausgabe oder andere KI-Bauern, mit denen ich in den Wettbewerb treten müsste, suche ich auch immer noch vergebens. Der Multiplayer bietet nur rein kooperatives Spiel, kein kompetitives und schon gar kein "Capture the Cow" oder ähnliches. Trotzdem:  Bei Giant-Software war man die letzten Monate nicht untätig, sondern hat vieles  verbessert, einiges hinzugefügt und ist auf dem richtigen Weg. Es bleibt aber noch viel Luft nach oben.

   

Fazit

Für Fans der Serie dürfte die aktuelle Ausgabe eine Offenbarung, ja ein Meilenstein sein. Multiplayer! Viehwirtschaft! Mehr lizenzierte Landmaschinen und Fahrzeuge! Eine doppelt so große Spielwelt! Dem gegenüber stehen eine nicht vorhandene Charakterentwicklung, stoische, immer wiederkehrende Spielabläufe und eine unfassbar lange Spielzeit, die notwendig ist, bis man sich wirklich fette, moderne Maschinen leisten kann, geschweige denn eine ganze Kuh-Herde. Aber was soll's: Genau wie die Zeitschrift "Landlust" Auflagenhöhenflüge verbucht, von denen andere Printmagazine nur noch träumen können, so hält auch dieses Phänomen an und wem es gefällt, der wird die aktuelle Ausgabe lieben. Schlussendlich darf man den Herstellern zu Gute halten, nichts verschlechtert zu haben, vorhandene Stärken (Darstellung und Akustik der Maschinen sowie Steuerung per Pad) konsequent ausgebaut sowie neue Features hinzugefügt zu haben. Was will der PC-Landwirt von heute mehr? In jedem Fall liegt man Lichtjahre vor dem Trittbrettfahrer UIG mit seiner dreisten Möchtegern-Kopie von letzter Woche. Jeder Käufer, der an einen Händler gelangt sein sollte, der ihm keine Geldrückerstattung anbieten wollte, ist gut beraten, nun den Tausch gegen dieses preislich identische Produkt einzufordern. Zumindest darauf besteht nämlich unzweifelhaft ein Anspruch.

Pro

<P>
realistische Darstellung der Fahrzeuge und Geräte
leicht zugängliches Spielprinzip
umfangreicher Fuhrpark
Multiplayer …
Viehwirtschaft ...
Original Lizenzen (Deutz, Pöttinger u.a)
Wetter sowie Tag/Nachtwechsel</P>

Kontra

keine Charakterbildung möglich
kein Personalmanagement
sich ständig wiederholende Spielabläufe
… allerdings ausschließlich Coop
… allerdings nur Milchkühe

Wertung

PC

Lassen wir die Kuh im Dorf: Eine konsequente Verbesserung des Vorgängers, aber noch lange keine Spielspaßrakete.

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