Cities in Motion17.02.2011, Bodo Naser
Cities in Motion

Im Test:

Schon in der Vorschau war abzusehen, dass Cities in Motion (ab 6,69€ bei kaufen) von Paradox Interactive einiges Potenzial besitzt. Die städtebaulichen Missionen versprachen Spaß, weil man klug planen und haushalten musste. Die spannende Frage ist, ob die endgültige Version des finnischen Indie-Entwicklers das hält, was sich Fans des Nahverkehrs und Freunde anspruchsvoller Aufbauspiele davon versprechen.

Weg von der Straße!

Mann, bin ich stolz drauf! Ich habe nämlich entdeckt,

Schienenlegen mit Köpfchen. In Berlin bietet sich der begrünte Mittelstreifen für die Trasse an, damit die Straßenbahn stressfrei ankommt.  
dass man die Schienen auch über Grünstreifen legen kann und nicht auf die oft verstopfte Straße angewiesen ist. Gut, diese bahnbrechende Erkenntnis dürfte allerspätestens mit der Veröffentlichung von Cities in Motion nicht mehr exklusiv sein, aber bis dahin kann ich mir heftig auf die Schulter klopfen. Alle Welt fragt sich nun, warum ich denn so erfreut bin? Ich erklär es allen Neugierigen, die das Aufbauspiel noch nicht kennen

Bisher habe ich die Tramstränge im Spiel immer streng über die Straße geführt, was aber dazu führte, dass die virtuelle Straßenbahn öfters im Stau stand, wenn zu viele Autos unterwegs waren. Schließlich kann die nicht einfach einen anderen Weg nehmen, da sie an die Schiene gebunden ist. Nun bin ich im Berlinszenario drauf gekommen, die Eisenstränge doch mal im Wald, Park oder übers Grün zu verlegen. Die deutsche Hauptstadt verführt nämlich dazu, da es noch freie Flächen gibt. Man kann aber auch durch den Tiergarten abkürzen, wenn man das möchte. Man kann seine Tram ebenso komplett im Wald verlegen, wofür aber Bäume weichen müssen.

Obwohl Achievements durchaus vorhanden sind, gibt's für diese "Heldentat" aber keins, da die Macher wohl denken, dass das nicht Wichtiges sei. Ich freu mich trotzdem wie ein Schneekönig, da es heutzutage nicht oft vorkommt, dass man etwas abseits des Offensichtlichen entdecken darf. Viele Spiele erklären einem einfach alles haarklein, was viel Überraschung, Spannung und letztlich Motivation nimmt. Bei Cities in Motion ist das etwas anders, denn im Tutorial wird nur ganz grundsätzlich erklärt, wie's geht. Wie man zum Sieg kommt, muss man dann doch selbst rausfinden.

Freiheit vielerorts

So ist es nur richtig,

Freigeistig gehen die Entwickler auch mit den Missionen links oben um, da der Spieler sie  nicht machen muss. Man wird gefragt. 
dass einem die Simulation die Entscheidung lässt, die Dinge so oder anders zu gestalten. Gut, man sollte Geld machen, sein Liniennetz vergrößern und in der Passagiergunst nicht zu weit zurück fallen. Aber wie man dort hinkommt, bleibt letztlich jedem selbst überlassen, was ein großes Maß an Freiheit bietet. Will man lieber viele kurze Buslinien einführen, die dann durch eine Bahn, die quasi als Lasso dient, verbunden werden, oder doch lieber eine lange Linie quer kreuz und durchs Zentrum dafür mit weniger Haltestellen? Eigene Lösungen sind immer wieder gefragt. Manchem wird das vielleicht schon wieder zu wenig Vorgabe sein, da es ja auch Leute gibt, die gern an die Hand genommen werden.

Dazu passt es dann auch, dass die Aufträge, die man so angeboten bekommt, ebenfalls optional sind. Man kann sie machen, da sie Geld oder größere Zustimmung unter den Fahrgästen bringen, muss es aber nicht. Wer keine ellenlange und wenig lukrative Buslinie in einen bäuerlichen Vorort am Rand der Karte bauen möchte, kann die Aufgabe einfach ausschlagen. Andererseits sind die Ziele oft sinnvoll, etwa wenn wichtige Plätze wie der Bahnhof, das Stadttheater und die Universität per U-Bahn verknüpft werden. Die Missionen sind stets klar formuliert, so dass man sie auch versteht, wenn man sich fürs englische  Original entscheidet. Vieles ist nämlich intuitiv zu verstehen und es wird zudem bald eine deutsche Version von Koch Media geben. 

                                    

100 bewegte Jahre

Nun tritt viel stärker die historische Dimension des Spiels hervor,

Idylle im Wandel. In den historischen Szenarien kann man sehen, wie sich die Städte im Laufe Zeit verändern. Hoffentlich zum Guten.
da man in verschiedenen Zeiten spielen kann. So ist das aufstrebende Berlin der 20er-Jahre etwas ganz anderes wie das moderne, auch wenn die Bebauung sich nur allmählich ändert. Die Simulation dauert 100 Jahre von 1920 bis 2020, ohne dass man die immer ganz spielen muss, da auch einzelne Abschnitte möglich sind. So kann man etwa nachspielen, wie sich die Depression von 1929 oder der Mauerfall 1989 auf den Verkehr auswirkten. Es gibt eine Kampagne mit zwölf Szenarien, die man ebenfalls einzeln absolvieren kann. Man kann die Städte Amsterdam, Wien, Helsinki und Berlin auch im freien Spiel voll bauen, wo man sich teils wie auf einer leeren Modelleisenbahn vorkommt. Wer das möchte, bleibt hier von Missionen verschont.

In der Vorschau gab es noch Bedenken, dass der Umfang zu gering sein könnte, die sich jedoch nicht bestätigt haben. Das Spiel hat zwar keinen Multiplayer und beschränkt sich thematisch auf den Nahverkehr, aber das reicht aus, da einen die Arbeiten an den ganzen Linien voll in Beschlag nehmen. Die Städte sind recht groß und schon ein Jahr dauert lange. Zusätzlich kümmert man sich noch um Fahrzeuge, Schiffe, Bahnen und Fluggeräte. Es passieren auch immer wieder Unglücke wie etwa Feuer, die einen auf Trab halten. Auch den Beschwerden der Fahrgäste will man abhelfen, so dass auch auf längere Sicht kaum Langeweile aufkommt.

Die Beschleunigungsfunktion braucht man daher so gut wie nie, da es keinen Grund gibt, sie zu betätigen. Es gibt immer was zu sehen: Hier rumpeln Oldtimer über den Straßenbelag, ein Lastwagen rauscht vorüber oder ein Flieger startet vom Flugplatz der Stadt. Obwohl Cities in Motion den Namen Simulation zu Recht trägt, hält sich der Wuselfaktor trotz stetig steigendem Verkehrsaufkommen mit der Zeit in Grenzen. Man kann natürlich auch noch näher ranzoomen, um die einzelnen Fahrgäste an der Haltestelle warten sehen, die im Wirrwarr manchmal fast überfahren werden. Dann kommt endlich der Bus, die Leute freuen sich und alles geht seinen geregelten Gang.

Verborgene Stärken

Woraus zieht das Spiel seine Anziehungskraft?

Ist Erfolg planbar? Damit eine Linie Geld abwirft, muss man viel mehr beachten als nur ne coole Streckenführung. 
Diese ist auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Wer es nur oberflächlich mal kurz anspielt, kann dessen volle Spieltiefe kaum erahnen. Nur wer sich der spröden Schönheit länger hingibt, wird vom Virus Verkehrsplanung angesteckt. Wie so viele komplexe Spiele muss man sich allerdings erst darauf einlassen, da Cities in Motion seine Vorzüge nicht gerade heraus kehrt. Beim ersten Spielen kommt es einem womöglich wie eine stinknormale Simulation mit erweitertem Managementteil vor.

Man fängt und baut erst mal seine erste Buslinie, die meist noch recht kurz ist. Sie besteht aus einer Reihe von Haltestellen verschiedener Art und Güte, je nachdem wie nobel es sein soll. Diese fast man in einem Menü zu einer Strecke zusammen, indem man die einzelnen durchklickt, was einfacher gehen könnte, da die Bedienung umständlich geraten ist. Dann kauft man den richtigen Bus aus der Liste, wobei Kenner auf Verbrauch, Geschwindigkeit, und Kapazität achten, und gibt grünes Licht für die Stecke. Nun kann man zusehen, wie der Busfahrer seine Runden durchs Viertel dreht. 

               

Die tägliche Technikschlacht

Wo andere Spiele enden, geht dieses nun erst richtig los,

Was tun, wenn mehr Leute in den Bus wollen, als reinpassen? Dann muss ein zweiter her. Bei richtig vielen wird es ne ganze Flotte.
denn beim täglichen Betrieb kann so einiges schief laufen. Reichen die Fahrzeuge, sind sie technisch in Ordnung oder braucht man Ersatz? Die ersten Trambahnen im Spiel fassen ganze zehn Leutchen, sind langsam und fallen dauernd aus. Da kann es eng werden, wenn am Brandenburger Tor 60 Fahrgäste mitwollen. Es kann durchaus vorkommen, dass man an die zehn Bahnen kreiseln lassen muss, um alle zu befördern. Zudem muss man diese ganze Armada von Vehikeln inklusive Wartung managen.

Aber es gibt keine Wahl wie später im Spielverlauf, da es zu Beginn in den 20ern halt nur eine Bahn gibt. Mit einer hypermodernen, schnellen Niederflurbahn mit bequemen Sitzen aus dem Jahr 2010, wo viele Leute auf einmal reingehen, kann man das gar nicht vergleichen. Außer Omnibus und Straßenbahn gibt es noch U-Bahn, Boots- oder Hubschraubertaxi, die alle aus der jeweiligen Zeit stammen und die man erneuern sollte, sobald es was Neues auf dem Markt gibt. Das sorgt für Staunen bei den Passagieren.

Wirtschaftlichkeit beachten

Natürlich stellt sich die wichtige Frage,

Wer will mitfahren? Um herauszufinden, wer wo hinwill, muss man sich die Viertel ganz genau anschauen.   
 ob die Linie überhaupt Gewinn abwirft? Das Verhältnis von Fahrtgeld, Passagieraufkommen und laufenden Kosten muss stimmen, sonst schreibt man rasch rote Zahlen. Zu Beginn ist es schwer, die Leute überhaupt anzulocken, aber prominent platzierte Haltestellen sorgen für Anziehungskraft. Ebenfalls wichtig ist das Image der Firma, das sich mit Werbung in den einzelnen Zielgruppen wie alte Leute, Touristen oder Schlipsträger verbessern lässt. Doch wer ständig neue Strecken aufmacht, mit modernem Material fährt und pünktlich ist -obgleich es keinen genauen Fahrplan gibt-, hat Annoncen eigentlich gar nicht nötig. Die Beliebtheit steigt dann von ganz allein in den grünen Bereich.

An der Preisschraube lässt sich auch drehen, denn man kann das Entgelt für eine Fahrt festlegen und zwar nach Transportmittel getrennt. Natürlich sollte das möglichst nicht in den roten Bereich gehen, da sonst die Leute abgeschreckt werden. Hier ist allerdings das ständige Auf und Ab der Wirtschaft im Blick zu behalten, das sich an einer Wachstumsstatistik ablesen lässt. Wer in einer ökonomischen Flaute von minus zwei Prozent Wachstum die Preise erhöht, wird sich wenig Freunde machen - es sei denn, er befördert mit seinem Luxus-Flugtaxi nur Paris Hilton und Co. Wenn die Wirtschaft schrumpft, sollten das auch die Fahrtpreise.

               

Beherrschbare Mängel

Freilich haben sich auch ein paar Fehler eingeschlichen,

Derart flott geht die Streckenlegung nicht immer von der Hand, da die Steuerung muckt. Hindernisse müssen aus dem Weg geschafft werden. 
 die aber allesamt den Spielfluss nicht vollends ausbremsen. So lassen sich partout keine Bahnschienen über Rondelle legen, die aber auf der Karte zum Glück nur selten vorkommen. Hier muss man dann halt den Weg anders wählen, was im Gewirr der möglichen Wege recht problemlos geht. Auch die Enden der Metro wollen bisweilen nicht so recht ineinander passen, obwohl man alles probiert. Überhaupt das Bauen der Bahnstecken -gleich ob über- oder unterirdisch- könnte etwas komfortabler gehen.

Zudem dürfte die Beschränkung auf den Nahverkehr nicht jedermanns Sache sein, obwohl es durchaus Sinn macht, da es sonst aufgrund der Komplexität uferlos wäre. Vermutlich werden auch noch ein paar Updates oder Add-Ons erscheinen, die neue Inhalte hinzufügen, wozu dann vielleicht auch Fernzüge gehören. Eine zeitliche Taktung der Linien ist nicht möglich, da es keinen Fahrplan gibt. Allerdings würde es ohnehin nur dauernd Verspätungen geben, da das Verkehrsmittel entweder im Stau steckt oder kaputt ist.

Wahrzeichen auszumachen

Obwohl die 3D-Darstellung

Berlin by train. Leider weiß man nicht immer zweifelsfrei, welches Gebäude genau man unter sich hat. 
nicht genau dem realen Vorbild entspricht, da sie eher schematisch ist, sind die Städte auf den ersten Blick gut zu erkennen. Berlin ist riesig, Amsterdam von Kanälen durchzogen und Wiens Altstadt verschachtelt. Es gibt markante Bauten wie das Olympiastadion oder Schlösser, die genau bezeichnet sind; ansonsten gibt es leider nur markante Gebäude, die ohne genaue Bezeichnung bleiben. Welcher Vergnügungspark, Flughafen oder Kolleg es sein soll, kann man nur raten, was aber fürs Spielerlebnis unerheblich.

Ansonsten geht die detailreiche Darstellung mit den ganzen Grafikoptionen aber eindeutig zu Lasten der Performance: Auf älteren Rechnern, die nicht die neuste Grafikkarte besitzen, kann es vereinzelt zu Rucklern kommen. Insbesondere, wenn es brennt oder Rauch aufsteigt. Es gibt aber jede Menge Einstellungen im Spiel, mit deren Hilfe sich Cities in eine flüssig spielbare Form bringen lässt.

       

Fazit

Anspruchsvoll, dynamisch, frei! Cities in Motion gefällt mir viel besser als die zuletzt erschienenen Städtebau-Simulationen, da es selbst nach zig Partien immer wieder spannend ist. Obwohl es sich auf den Nahverkehr beschränkt, bietet es eine Spieltiefe, die heutzutage in diesem Genre selten ist. Das verwundert auch deshalb positiv, da es sich schließlich um den Erstling der bislang völlig unbekannten finnischen Indie-Entwickler handelt. Hier reicht es eben nicht, wenn man die Linie einfach nur baut, man muss sie aufmerksam überwachen, entwickeln und auf Erfolg überprüfen. Alles im Spiel ist zudem im ständigen Wandel: Gesellschaft, Technik und Design. Da auch die wirtschaftliche Dynamik wechselt, kann man sich nie auf seinen Lorbeeren mit bereits gut laufenden Bahnen, Bussen und Schiffslinien ausruhen. Gerade das fordert den ganzen virtuellen Manager, der hier neben Bauingenieur und Verkehrsplaner auch Mechaniker ist, wenn er etwa schaut, ob ein Fahrzeug erneuert werden muss. Es herrscht zudem eine große Freiheit, da es bis auf die optionalen Missionen nur wenige Vorgaben gibt. Das geht so weit, dass man sogar jedes Gebäude abreißen kann, wenn es einer Trasse weichen soll. Hier entdeckt man dann einen der wenigen echten Schwachpunkte, denn die Steuerung des Streckenbaus könnte intuitiver sein. Zudem hat man sich den Multiplayer gespart, den man aber aufgrund der Komplexität des freien Spiels nicht vermisst. Ansonsten kann ich diese Simulation im besten Sinne nur wärmstens empfehlen!

Pro

Beschränkung auf Nahverkehr macht Sinn…
große Spieltiefe
hohe Freiheit beim Vorgehen
bleibende Motivation, es schaffen zu wollen
historische Entwicklung
Auf und Ab der Wirtschaft einplanen
immer wieder anders

Kontra

...obwohl Fernverkehr wünschenswert wäre
keine zeitliche Fahrplanung möglich
etwas fummelige Steuerung
kein Multiplayer

Wertung

PC

Endlich mal eine Simulation mit Tiefgang, die zudem lange Spaß bringt. Glückwunsch an die Indie-Entwickler!

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