The Next Big Thing04.02.2011, Jan Wöbbeking
The Next Big Thing

Im Test:

Die Pendulo Studios schicken Adventure-Freunde auf eine Reise in die Vergangenheit: Das Point-and-Klick-Abenteuer »The Next Big Thing (ab 0,95€ bei GP_logo_black_rgb kaufen)« führt ein ungleiches Journalisten-Pärchen durch das Hollywood der 50er Jahre – allerdings in einer alternativen Variante der Traumwelt, in welcher Menschen und Monster friedlich nebeneinander leben.

Zurück zu den Wurzeln

Verschrobene Figuren wie der an Frankensteins Monster erinnernde Big Albert oder ein zur Fliege mutierter Wissenschaftler genießen zwar nicht die gesellschaftliche Anerkennung eines gewöhnlichen Zweibeiners, haben es aber durch die Produktion von Horror-Filmen zu Ruhm gebracht.  Das Spiel ist nicht nur ein Trip in die Vergangenheit der Filmmetropole, sondern auch in die des Entwicklers aus Madrid. Der Titel »Hollywood Monsters« aus den späten Neunzigern spielte im gleichen 

Zu Beginn muss Liz die Drecksarbeit erledigen.
Szenario und auch die Handlung weist starke Ähnlichkeiten auf. Wie damals beginnt alles auf einer Feier eines Studio-Bosses für Gruselfilme. Auch bei der Wahl der Protagonisten setzt Pendulo auf das altbewährte Hausrezept des sich notorisch zankenden Duos: Der Sportreporter Dan Murray und seine ihm zugeteilte junge Kollegin Liz Allaire lassen schon zu Beginn keine Gelegenheit aus, sich ihre gegenseitige Abneigung mitzuteilen. Ununterbrochen tauschen die beiden Sticheleien aus, obwohl insgeheim natürlich eine gute Portion Sympathie für den widerborstigen Kollegen mitschwingt.

Trotzdem ist »The Next Big Thing« nicht nur eine Runaway-Kopie, denn schon nach wenigen Minuten offenbaren beide Hauptfiguren eigene Macken und Charakterzüge. Liz wirkt in Gesprächen wie die schizophrene Schwester von Inspektor Columbo: Während ihrer abrupten Gedankensprünge verwirrt sie ihr Gegenüber mit zusammenhanglos eingestreuten Ziffern und Satzfetzen. Sie tritt zwar resoluter auf als der schusselige Fernseh-Detektiv, besitzt aber eine ähnliche Hartnäckigkeit beim Herumschnüffeln. Dan dagegen ist ein eingebildeter, selbstgefälliger und bequemer Star-Reporter: Als er beobachtet, wie Frankenstein-Verschnitt Big Albert durch ein Fenster in die Villa seines Bosses einsteigt, interessiert ihn das zunächst nicht die Bohne.

Monströses Kuriositätenkabinett

Ich schlüpfe erst einmal in die Rolle seiner resoluten Gehilfin mit der gespaltenen Persönlichkeit und statte der Villa einen Besuch ab, in welcher nach wie vor gefeiert wird. Leider werden die Treppen zum interessanten oberen Stockwerk von grimmigen Robotern bewacht und auch der Hausherr hat es sich an denkbar ungünstiger Stelle bequem gemacht.  So sehr sich Liz auch anstrengt: sie schafft es einfach nicht, Studio-Besitzer Fitz Randolph mit verwirrenden Multiple-Choice-Sätzen von seinem gemütlichen Sessel aus dem Foyer wegzulocken.

Nicht besonders glaubwürdig: Um blitzschnell seinen Ruf zu verschlechtern, zerlegt Dan die vom Chef geliehene Luxuskarosse.

Praktischer wäre es ohnehin, wenn Dan den Job übernehmen würde, denn er kennt den Boss persönlich. Als ich Wind davon bekomme, dass der Sport-Spezi ganz heiß auf Karten für einen legendären Boxkampf ist, ändert sich meine Strategie. Um an die begehrten Tickets zu gelangen, muss ich zunächst einige etwas seltsam erscheinende Aufgaben lösen. Es gilt, das erfolglose Garderoben-Monster Edgar davon zu überzeugen, dass er viel besser für die Rolle eines Alien-Superhelden geeignet ist als dessen menschlicher Star-Schauspieler in seinem Kostüm. Nur dann händigt er mir die Jacke seines Widersachers aus, in welcher die Eintrittskarten stecken. Also stromere ich durch die bereits zugänglichen Zimmer der Villa und suche nach Kleidungsstücken, welche Edgar seine Ähnlichkeit zum Superhelden verdeutlichen sollen.                              

Knobeln auf die bequeme Art

Die Aktion ist ein typisches Beispiel für die oft recht konstruiert wirkenden Rätsel. Andererseits sorgt die komfortable Umsetzung dafür, dass auch Anfänger nicht ins Straucheln geraten: In einem übersichtlichen Diagramm kann ich stets alle offenen und erledigten Aufgaben überblicken.

Der masochistische »Poet des Schmerzes« lässt sich nur durch ausgefallene Foltermethoden beeindrucken.
Falls ich trotz des sehr niedrig angesetzten Schwierigkeitsgrades einmal feststecke, liest mir der Erzähler auf Knopfdruck mehrstufige Hinweise vor. Wenn das zu einfach ist, darf man den Schwierigkeitsgrad erhöhen, wodurch Tipps, Hinweise oder sogar die Hotspot-Anzeige sich nicht mehr aktivieren lassen.

Am Tag nach der Party erfährt Dan, dass Liz entführt wurde, kurz nachdem sie Big Albert stellen konnte. Also schlüpfe ich in seine Rolle und erkunde das Anwesen ein wenig näher als am Abend zuvor. Der Studio-Boss hat offenbar den Unmut einiger Mitarbeiter auf sich gezogen, seitdem  er statt Horrorstreifen nur noch familienfreundliche Filme produzieren möchte. Auf seiner Suche trifft Dan unter anderem den »Poet des Schmerzes«. Das masochistische Monster ist gelangweilt von seinen ordinären Alltagsschmerzen und ist auf der Suche nach neuen, inspirierenden Methoden sich zu piesacken.

Schmerzhafte Dialoge

Offenbar fand auch Dialogautor Josué Monchan nicht genügend Inspiration, denn die Dialoge sind eine klare Schwäche des Spiels. Wenn der Schmerzpoet neue Verse vorträgt oder Edgar flache Fäkalwitze zum Besten gibt, kommt das bei weitem nicht so lustig rüber wie z.B. die skurrilen, aber ungemein feinsinnigen Dialoge in The Whispered World. Auch die selteneren, aber passenden Seitenhiebe in Runaway 2 haben mir besser gefallen als die oft bemüht wirkenden Gags. 

Die Bedienung gestaltet sich sehr komfortabel: Die rechte Maustaste schaltet zwischen Anschauen und Benutzen um. Nähert sich der Zeiger dem oberen Bildrand, führt ein kleines Menü zum Inventar...
Einige Pointen gehen außerdem in der deutschen Vertonung verloren. Es wurden zwar bekannte Sprecher wie Rainer Schmitt (Daniel Craig, Nick Nolte) engagiert, doch offenbar fehlte ihnen genügend Zeit zum Einsprechen oder eine gute Dialogregie, denn viel zu häufig werden die falschen Satzteile betont. Die Synchronisation ist zwar weitaus professioneller gelungen als im Negativbeispiel »Edna bricht  aus«, mit etwas mehr Sorgfalt wäre aber deutlich mehr drin gewesen. Einige Charaktere wirken außerdem zu abgegriffen: Die Figur des depressiven Roboters z.B. wurde in Douglas Adams »Per Anhalter durch die Galaxis« deutlich lustiger umgesetzt als hier.

Die Suche nach seiner Kollegin führt Dan auch in einen gigantischen »Tempel der Illsuionen« in ägyptischem Stil. Dort muss der Frauenheld z.B. eine zum Leben erwachte Mumie mit erstaunlich viel Sex-Appeal bezirzen. Neben nicht gerade komplexen Inventar-Puzzles wartet hier auch ein Hieroglyphen-Rätsel, bei dem ich schon etwas mehr um die Ecke denken musste.

Starke Technik

...und zur ausführlichen Aufgabenübersicht.
Die mystischen Gemäuer und andere Kulissen wurden erfreulich detailreich gezeichnet, wirken aufgrund sporadischer Animationen und des braveren Stils aber nicht so lebendig wie z.B. die verschnörkelte Welt von The Whispered World mit ihren flackernden Kerzen, blubbernden  Kesseln und klappernden Maschinen. Liz, Dan und die zahlreichen Monster bewegen sich aber sehr flüssig und glaubwürdig. Auf ihren Klamotten zeichnen sich sogar feine Schatten ab. Auch die musikalische Untermalung passt stets zum Szenario, hält sich meist aber dezent im Hintergrund: Auf der Party z.B. erklingt gediegene Festmusik durch die geschlossene Tür zum Saal, im Tempel flöten und fideln exotisch klingende Instrumente im Takt einer Rassel.                       

Fazit

Schade! The Next Big Thing verschenkt eine Menge seines Potenzials. Das detailreich gezeichnete, von flüssig animierten Monstern bewohnte Hollywood der Fünfziger Jahre bietet ein interessantes Szenario und auch die Geschichte gestaltet sich vor allem nach dem Verschwinden der durchgeknallten Liz interessant. Die Dialoge sind aber bei weitem nicht so skurril geraten, wie es die Charaktere eigentlich verdient hätten: Oft werden einfach nur platte Gags abgespult, welche ich anderswo bereits viel besser gehört habe. Außerdem ist eine gute Portion Wortwitz in der nicht optimalen deutschen Synchronisation verloren gegangen. Die technische Umsetzung ist den Spaniern dagegen vorbildlich gelungen: Von ein paar Abstürzen und kleinen Bugs abgesehen, gestaltet sich das Abenteuer nämlich unheimlich komfortabel. Alle wichtigen Ereignisse werden in professionell inszenierten Filmchen erzählt, ein übersichtliches Diagramm gibt Auskunft über alle Aufgaben und der Erzähler hilft auf Wunsch mit mehrstufigen Tipps auf die Sprünge. Ich frage mich allerdings, warum Pendulo trotz derart vieler Hilfen auf wirklich knifflige oder komplexe Kopfnüsse verzichtet hat. Profis können immerhin Hilfen und Hotspots ausschalten, sollten sich aber auch dann in nur rund sieben Stunden recht leicht durchgeknobelt haben.

Pro

ausgefallenes Szenario
ungewöhnliche Charaktere
detailreiche Zeichnungen
flüssig animierte Menschen, Monster und Roboter
große, animierte Inventar-Gegenstände
übersichtliches Aufgaben-Diagramm
begrenzte, mehrstufige Erzähler-Hinweise
drei Schwierigkeitsgrade

Kontra

überwiegend steife Dialoge
viele Gags wirken nur bemüht komisch
deutsche Synchro oft falsch betont
nur rund sieben Stunden kurz
keine knackigen Rätsel
Kulissen nur leicht animiert
gelegentliche Abstürze, Bugs und Sound-Aussetzer

Wertung

PC

The Next Big Thing punktet mit einem interessanten Szenario und viel Komfort, leidet aber unter schwachen Dialogen und zu einfachen Rätseln.

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