Cossacks08.12.2000, Frank
Cossacks

Im Test:

Mit Cossacks bringt CDV erneut ein Echtzeitstrategie-Game der besonderen Art auf den Markt. Hierbei handelt es sich um das Erstlingswerk des ukrainischen Programmierteams GSC Gameworld. Cossacks spielt im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts; in einer Zeit der Musketiere und Dragoner, der Kanonen und Königreiche. Ob die Kosaken der Genre-Konkurrenz das Fürchten lehren, erfahrt Ihr in unserem Test!

Mit Cossacks bringt CDV erneut ein Echtzeitstrategie-Game der besonderen Art auf den Markt. Hierbei handelt es sich um das Erstlingswerk des ukrainischen Programmierteams GSC Gameworld. Cossacks spielt im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts; in einer Zeit der Musketiere und Dragoner, der Kanonen und Königreiche.

Gameplay

Neben der üblichen Kriegführung beinhaltet Cossacks ein gelungenes Ressourcen-Management. Zur Verfügung stehen neben einer Vielzahl von Militäreinheiten und -gebäuden auch zivile und wirtschaftliche Einrichtungen. Auf den ersten Blick mag der Eindruck entstehen, dass hier jemand ein neues "Zeitalter der Königreiche" erschaffen wollte, denn das Spielprinzip ist identisch: Arbeiter erschaffen, Gebäude bauen, Rohstoffe einfahren, Rohstoffe auf dem Markt verkaufen, Technologien entwickeln, in ein neues Zeitalter vorstoßen, ein starkes Heer aufbauen und den Gegner in die ewigen Jagdgründe schicken. Der zweite Blick verrät mehr: Erinnerten die Streitkräfte bisheriger Echtzeitstrategie-Games eher an marodierende Banden, so setzt Cossacks neue Maßstäbe : Bis zu 8000 (!) Einheiten können sich maximal auf dem Bildschirm tummeln. Auch andere Neuerungen distanzieren das Spiel von ähnlich anmutenden Konkurrenzprodukten.

Dem Neuling steht ein umfangreiches und gut erklärtes Tutorial zur Verfügung, um sich mit den Spieloptionen vertraut zu machen. Der erfahrene Echtzeitstratege steigt wahrscheinlich sofort in eine der vier kniffligen Kampagnen ein, die auf historischem Hintergrund beruhen. Als Engländer bekämpft man niederländische Piraten in der Karibik; die Ukraine versucht sich vom polnischen Joch der Unterdrückung zu befreien, während die Russen und Franzosen am Aufstieg zur Großmacht arbeiten. Daneben existieren noch zehn Einzelmissionen - ebenfalls auf historischen Ereignissen basierend. Wem das alles zu sehr an Bildung grenzt, der darf auch gerne Zufallskarten mit variablen Gelände- und Rohstoffparametern und bis zu sechs Computergegnern (es gibt keine Verbündeten) spielen.

Auswählen kann man hierbei aus 16 Nationen : Algerien, Österreich, England, Frankreich, Niederlande, Piemont, Polen, Portugal, Preußen, Russland, Sachsen, Spanien, Schweden, Türkei, Ukraine und Venedig. Jede dieser Nationen hat eine eigene Architektur (!). Wenn auch den nationalen Technologiebäumen ein allgemeines Grundgerüst zu Eigen ist, so unterscheiden sie sich doch in diversen möglichen oder eben unmöglichen Entwicklungen. Einige Nationen sind z.B. nicht in der Lage, ins 18. Jahrhundert vorzustoßen (u.a. Ukraine).

Nicht generell neu (vgl. Anno dazumal), aber in dieser Sparte der RTS (Real-Time-Strategy) bisher vernachlässigt, ist der kontinuierliche Rohstoffverbrauch. Zunächst ist die Rohstoffpalette bestehend aus Holz, Nahrung, Steinen und Gold erweitert worden um Eisen und Kohle. Eure Leute kosten nicht nur Rohstoffe bei der Erschaffung, sie wollen auch fortlaufend mit Nahrung versorgt werden. Eine gut funktionierende Wirtschaft ist also unablässig, zumal Militäreinheiten mit Feuerwaffen (Musketiere, Grenadiere, Kanonen) bei jedem Schuss Eisen und Kohle verbrauchen.

Durch den Bau eines Diplomatiezentrums kommt man in den Genuss, Söldnertruppen anzuheuern. Diese Söldner haben den Vorteil, im Gegensatz zu regulären Truppen sehr schnell "produziert" zu werden und einsatzbereit zu sein. Dafür wollen sie aber auch Geld sehen. Solltet Ihr also ein großes Söldnerheer aufgebaut haben, und Eure Goldförderung ist zu gering, werden die Söldner nicht mehr bezahlt und meutern. Nichts ist schmerzhafter, als eine ehemals verbündete Kosaken-Schwadron, die die eigenen Geschütze munter aufmischt oder gar erobert.

Auch hier beschreitet Cossacks neue Wege: Man kommt nicht umhin, sämtliche zivilen Einrichtungen, seien es nun Arbeiter oder Gebäude, von Militäreinheiten bewachen zu lassen - es sei denn, man zimmert eine Palisade oder Steinmauer. Das Gleiche gilt für Kanonen: Ihr setzt eine eigene Militäreinheit in unmittelbare Nähe der gegnerischen Arbeiter/des Gebäudes/der Kanonen; diese wechseln die Seite, indem sie Eure Farbe annehmen. Es darf sich allerdings keine feindliche Militäreinheit in der Nähe befinden. Somit kann man die Produktion des Gegners empfindlich stören, da man nicht nur eine Goldmine einsackt, sondern auch gleichzeitig die darin arbeitende Bevölkerung.

Sechs Rohstoffe stehen zur Verfügung: Um Holz und Steine hacken zu können, benötigt man ein Lagerhaus (Arbeiter) bzw. ein Rathaus, Nahrung gewinnt man durch Errichten einer Windmühle und das Anlegen von Getreidefeldern (Bauern). Eisen, Kohle und Gold werden in Minen abgebaut, die direkt auf dem jeweiligen Vorkommen platziert werden. Um den Abbau zu beginnen, müssen Arbeiter in die Mine dirigiert werden. Allerdings ist der Arbeitsplatz in den Bergwerken begrenzt; in der ersten Stufe können nur fünf Bergleute pro Mine tätig werden; in späteren Ausbaustufen können das bis zu 90 (!) Leute sein. Allerdings sind diese Ausbaustufen sehr teuer und für jedes Bergwerk einzeln durchzuführen. Weitere zivile Entwicklungen zur Produktionssteigerung (Nahrung, Holz, Steine) können in der Schmiede und der Akademie durchgeführt werden. Im übrigen sind die Rohstoffe unerschöpflich; mit Ausnahme von Getreidefeldern, die nach Verbrauch neu eingesät werden müssen.

Die militärische Komponente des Spiels birgt zwar keine großartigen Neuerungen, aber einige interessante Man kann Söldner anwerben, eigene Truppen ausheben, Verteidigungsanlagen errichten, Militärforschung (und Manöver) betreiben usw. Neu an der Sache ist die Möglichkeit, Offiziere und Trommler auszubilden. Diese haben einen positiven Einfluss auf Moral, Angriffs- und Verteidigungsstärke der Truppen und machen geordnete Formationen wie Linie, Säule oder Quadrat erst möglich. Zur Schwierigkeit: Einerseits ist der Computergegner (natürlich) immer in der Überzahl und manchmal erst beim dritten Neustart zu besiegen, andererseits kann man feindliche Formationen regelrecht exekutieren, ohne deren Gegenwehr oder Flucht erwarten zu müssen. Nach Erreichen des 18. Jahrhunderts stehen weitere Technologien und neue Truppen zur Verfügung. Allerdings muss erst eine neue Kaserne gebaut werden, um die sehr wirkungsvollen Grenadiere dieser Zeit zu rekrutieren. Weitere "Zeitalter" gibt es nicht.

GSC hat sich sehr um mehr Realismus bemüht: so können Gebäude nur noch von Feuerwaffen (Artillerie, Grenadiere, Bogenschützen) zerstört werden. Der einsame Schwertkämpfer, der in mühevoller Kleinarbeit eine befestigte Stadtmauer einreißt, gehört ebenso der Vergangenheit an, wie der durch Mauern schießende Handkanonier. Eine Mauer stellt also nicht nur ein Wegehindernis dar. Allerdings haben Mörser und Haubitzen eine bogenförmige Schussbahn und schießen über das Hindernis hinweg. Anders die billigeren Palisaden; durch diese Holzzäune kann man sehr wohl schießen, und auch Pikeniere sind in der Lage, sie einzureißen. Auch die Landschaft stellt sich manchmal als Hindernis entgegen. Wenngleich die Pixelmännlein (endlich) Wald durchqueren können, gibt es Höhenzüge und Berge, die unüberwindlich sind. Zur besseren Wegplanung kann man sich diese Stellen durch Drücken von [Q] auf dem Hauptbildschirm anzeigen lassen. Höhenunterschiede wirken sich auch taktisch aus : "Oben" positionierte Einheiten sehen und schießen weiter. Außer Mörsern und Haubitzen kann keine Einheit über einen Hügel schießen.

Das Interface sowie die Steuerung der Einheiten entsprechen dem Genrestandard. Massenproduktion und Zusammenfassen von Einheiten zu Gruppen, Wegpunkte markieren und Angreifen basieren auf den üblichen Tastenkombinationen (ctrl; shift). Die wenigen zusätzlichen Optionen sind im sehr ausführlichen und somit sehr guten Handbuch näher erläutert. Vorgesehen war wohl auch die Möglichkeit im Internet spielen zu können (GameSpy), aber dazu scheint wohl erst noch ein Patch von Nöten zu sein.

Grafik/Sound

Laut CDV/GSC handelt es sich bei der Grafik um 3D. Man benötigt jedoch keine 3D-Grafikkarte. Allerdings sind keine Zoomstufen oder Perspektivenänderungen verfügbar, so dass bei einer Auflösung 1024*768 auf einem 15"er kein allzu großer Kartenausschnitt sichtbar ist. Die Spielegrafik hinterlässt ansonsten (wie auch das Intro) einen durchweg guten Eindruck, wenn auch die Animationen der einzelnen Figuren ein wenig hölzern wirken. Es gibt viele Einheitentypen von unterschiedlichem Design: Türkische Bauern tragen andere Arbeitskleidung als ihr englisches Pendants, der polnische Pikenier hat eine andere Uniform als der preußische usw. Kavallerie-Einheiten bewegen sich, trotz Galopp, als ob sie auf Schienen fahren. Diese Mängel fallen aber bei großen Formationen nicht mehr so sehr auf. Im Ausgleich dazu sind alle Gebäude sehr schön anzusehen. Granatexplosionen hinterlassen zwar keine Schäden in der Umgebung, aber Treffer an Häusern oder Schiffen lassen außer Rauch auch Trümmerteile aufwirbeln. Zum Sound gibt es nicht viel zu sagen: die Pixelmännchen sind anscheinend stumm geboren worden und Explosionen und Schüsse heben sich nicht vom Durchschnitt anderer Spiele ab. Die Musik ist allerdings ein Ohrenschmaus, nicht nur zeitgenössisch, auch noch gut.

Fazit

Das Spiel besticht durch ungeheure Tiefe (kontinuierlicher Rohstoffverbrauch, viele Technologien) und einer ungewöhnlich großen Vielfalt an verschieden Architekturmodellen für die einzelnen Nationen. Die Grafik ist vielleicht nicht der letzte Schrei, dennoch gut. Die Animationen sind überarbeitungswürdig, ebenso wie der Sound, aber der Gesamteindruck und nicht zuletzt der Spielspaß stimmen.
Wünschenswert wäre eine andere KI in den Kampagnen, vor allem ein einstellbarer Schwierigkeitsgrad für Neueinsteiger. Dass Ihr noch nicht im Internet spielen könnt, ist ein äußerst peinlicher Fehler, den CDV/GSC sich hier geleistet haben. Sollten zumindest die beiden letztgenannten Kritikpunkte ausgemerzt werden, ist Cossacks für jeden Age- und Anno-Fan geradezu ein Pflichtkauf.

Wertung

PC

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