Chirurgie-Simulator 201101.10.2010, Mourad Zarrouk
Chirurgie-Simulator 2011

Im Test:

Berufs-Simulation verkaufen sich hierzulande wie geschnitten Brot. Und wenn auch die Bäcker bislang verschont blieben - nach Landwirten, Lastwagenfahrern oder Feuerwehrleuten müssen jetzt die "Halbgötter in Weiß" daran glauben. Warum sollte der Kelch auch an ihnen vorbeigehen? Und so darf ab sofort am PC fröhlich geschnippelt und genäht werden.

Doktorspiele am PC?

Immer schön der Linie nach: Ihr näht die Wunde, indem ihr einfach der grünen Linie folgt.
Verhinderte Medizin-Studenten und Fans der einschlägigen Serien ("ER", "Doctor House", Scrubs etc.) mussten bislang auf den NDS oder Wii ausweichen (Trauma-Center-Reihe), wenn sie denn virtuell das Skalpell in die Hand nehmen wollten.

Rondomedia hat ein Herz für diese Zielgruppe und bietet mit dem Chirurgie-Simulator ab sofort auch auf dem PC eine Spielwiese für Freunde des gepflegten Bikini-Schnitts. Der Notarzt Simulator stellte unlängst unter Beweis, wie man das Thema auf gar keinen Fall angehen sollte. Machen es die Mönchengladbacher besser als die Münchner von UIG?

 

 

Lassen sie mich durch, ich habe eine Maus

Das ist er: Der berühmte "Bikini-Schnitt". Lecker, oder?
Vor der ersten echten OP steht das Studium. Dauert dies in der Realität locker sechs Jahre, habe ich dies hier im Rahmen eines Tutorials in etwa vier Minuten absolviert. Wie bei Spielen dieser Art üblich (warum eigentlich?), gibt es in Ermangelung einer Sprachausgabe einiges zu lesen, aber das zählt ja zu den Grundfähigkeiten angehender Ärzte. Und so klicke ich mich von einem Infofenster zum nächsten, erfahre im Schnelldurchgang wie ich per Schieberegler die Infusion dosiere und somit direkten Einfluss auf den Kreislauf des Patienten nehme oder die Anästhesie in ähnlicher Form kontrolliere.  Natürlich wird mir auch der Einsatz einiger Operationswerkzeuge erklärt. Hier mache ich Bekanntschaft mit Skalpell, Nadelhalter oder Desinfektionslösung. Schon früh fällt auf: Das gesamte Spiel wird mit der Maus gesteuert. Zwar kann ich einige Kameraperspektiven oder Stationen wie die Anästhesie auch mit einem Tastaturkürzel anwählen, aber die  operativen Eingriffe werden allesamt immer und ausschließlich per Maus ausgeführt.       

In der Praxis...

Neulich beim Schlachter...oder doch nur eine Gallenblasen-OP? Mahlzeit!
...heißt das: Wenn ich einen Schnitt mit dem Skalpell durchführen soll, wird mir der Weg anhand einer grünen Linie vorgezeichnet, der ich dann zu folgen habe. Dabei ist ein ruhiges Händchen gefragt, denn in Abhängigkeit vom gewählten Schwierigkeitsgrad (Leicht, Mittel, Schwer) muss die Aktion wiederholt werden, sobald ich zu weit abweiche. Das ist anfangs recht unterhaltsam und auch durchaus intuitiv. Nur leider wiederholen sich viele Handgriffe auch sehr schnell und so führt man schon bald dieselben Aktionen aus: Zu behandelnde Fläche rasieren, desinfizieren, einen Schnitt durchführen, eine Gallenblase, Mandel oder einen Blinddarm entfernen, die Wunde wieder zunähen und zwischendurch die Infusion anpassen. Doch bevor mir wirklich langweilig werden könnte, ist das Spiel auch schon vorbei! Lediglich acht Operationen gilt es zu absolvieren, dann wird der OP-Saal geschlossen. Geübte Spieler brauchen dafür nicht länger als anderthalb oder maximal zwei Stunden, was angelehnt an den Kaufpreis des Spiels etwa zehn Euro pro Stunde entspricht. Ganz schön happig...demnach dürfte ein Mafia II gut 100 Euro kosten. Wenn ich in diesen knapp zwei Stunden absolut blendend unterhalten worden wäre, ok...aber das kann ich leider nicht behaupten.

Story? Fehlanzeige?

Dagegen ist die Minimal Inversive Unterschenkel-Fraktur OP schon absolut High-Tech.
Man kann über die teilweise überzogenen und mitunter etwas aufgesetzt wirkenden Manga-Stories der Trauma Center Serie sagen was man will - zumindest betten sie das reine Operieren in eine Story ein. Hier findet ihr nichts dergleichen. Ein kurzer Textblock zum Patient: Alter und Geschlecht, was fehlt ihm, was wird unternommen - das wars und ran ans Messer. Es gibt keine Hintergrundinfos: Weder zu mir (was mache ich hier eigentlich und wo liegt  der Sinn in dem Ganzen?) noch zu den beiden immer gleichen Kollegen im immer gleichen OP.  Und weil die  Schwester mir ständig und immerzu sagt, was ich als nächstes zu tun habe komme ich mir eher vor wie ein Handlanger. Immerhin:  Der Chirurgie-Simulator bemüht sich mit seinen halbwegs realistischen Bildern,seiner Auswahl an typischen Operationen (Mandel oder Blinddarm - Entnahme) und dem löblichen Glossar, indem die wichtigsten Fachtermini erklärt werden, um einen ernsthaften Ansatz und macht durchaus vieles richtig und so ziemlich alles besser als der unsägliche Notarzt-Simulator. Er lässt nur soviel liegen, schneidet Dinge im wahrsten Sinne des Wortes nur an und ist viel, viel zu schnell vorbei.

Fazit

Als ich im spartanischen Startmenü die Unterscheidung zwischen "Operationen" und "Freies Spiel" gesehen habe, dachte noch: Prima, man kann zusätzlich zu den regulären Operationen auch einer Art freie Kampagne spielen! Doch weit gefehlt: Die acht zwingend nacheinander zu absolvierenden Operationen werden im "freien Spiel" genau so gespielt wie zuvor, nur dass man sich am Ende nicht in die überflüssige Rangliste eintragen darf. So etwas nenne ich eine Mogelpackung. Und überhaupt: Auch bei dieser "Simulation" wäre  mal wieder  so unheimlich viel mehr drin gewesen: Akut Schwerstverletzte unter Zeitdruck operieren oder auch mal der Einsatz eines Defibrillators (Battlefield lässt grüßen) oder unterschiedliche Kollegen, mit unterschiedlichen Aufgaben, die auch mit mir kommunizieren, statt nur stumpfe Anweisungen zu geben und das mit Sprachausgabe!  Das wäre dann ein vernünftiges Pendant zur Trauma Center Serie, die Nintendo-Freunden vorbehalten bleibt.  Das hier ist eher eine etwas bessere Demo zum Vollpreis, die zwar andeutet, was am PC möglich wäre, aber zu Ende ist, bevor es überhaupt richtig begonnen hat. Schade, Chance vertan...mal wieder.

Pro

leicht zugängliches Spielprinzip
recht realistische Darstellungen
intuitive Steuerung

Kontra

<P>
viel zu kurze Spieldauer
keinerlei Storyelemente
keine Sprachausgabe
genau ein Lied in Dauerschleife
fehlende Dramatik
zu wenig Abwechslung im OP</P>

Wertung

PC

Viel zu eingeschränkter und vor allem zu kurzer Ausflug in die Welt der Chirurgie am PC

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