Im Test:
Die Motivationsbremse: Blutbad in der Arena
Ich bin ein Noob. Ein verdammter Noob. Schon wieder beißt mein Held ins Gras, als ich unvorsichtigerweise den Radius meines eigenen Turmes verlasse. Natürlich, was habe ich mir gedacht? Zwei gegen einen zahlt sich selten aus in dieser frühen Phase des Spiels. Zudem habe ich meinen Ultimate-Skill noch nicht erlernt, mit dem ich kräftig Schaden austeilen kann. Außerdem hätte ich meinem Teammitglied, das mit mir in der oberen Lane unterwegs ist, mitteilen sollen, dass ich einen Ausfall wage. Sicher, er hätte mir geraten, am Turm zu warten, aber ich brauche schließlich Farm. Gerade mit dem Dragon Knight gibt es wenig, was essentieller ist, als viel Gold, gute Items und ein hohes Level.
Moment! Lane? Farm? Turm? Ultimate? Wer noch nie DotA gespielt hat, der hat vielleicht ein ganz gutes Gefühl dafür bekommen, wie es ist, das erste Mal in eine Partie einer "Multiplayer Online Battle Arena" (MOBA) geworfen zu werden. In den ersten Minuten prasseln eine Unmenge an neuen Informationen auf den Spieler ein. Das erfordert Kenntnis der Karte, des eigenen Helden und der notwendigen Gegenstände, bevor das Spiel überhaupt beginnt.
Läuft es erst einmal, erfährt man schnell, was es mit diesem Heldentod auf sich hat, denn den erlebt man als Anfänger ohne Führung zigfach. DotA 2 ohne Tutorial anzugehen, fühlt sich an, wie in eine Partie American Football einzusteigen, ohne die Regeln zu kennen - Zurechtweisungen der Mannschaftskollegen inklusive. Zum Glück gibt es eine umfangreiche Einführung, die dem Spieler grundlegende Mechaniken beibringt und in Übungsgefechten härtet, bevor er das erste Mal an einem öffentlichen Match teilnimmt.
Lernphase, Schritt I: Der grundlegende Spielablauf
An der Basis der Spieler befinden sich neben einer inneren und äußeren Verteidigung die Baracken, die in regelmäßigen Abständen automatisch agierende Monster (Creeps) erschaffen. Diese versuchen auf den Lanes die gegnerische Basis anzugreifen. Jedes Team besteht aus fünf Helden, die im Anfänger-Modus „Pick All“ aus einem Pool von ingesamt 102 Heroen gewählt werden können. Ziel ist es, auf wenigstens einer, bestenfalls allen Lanes bis zum Ancient durchzubrechen und durch dessen Zerstörung das Spiel zu gewinnen.
Lernphase, Schritt Ia: Das Spielfeld
Wie in jedem echten Sport gibt es nur ein Spielfeld, denn DotA 2 hat genau wie der Vorgänger nur eine Karte. Diese ist detailliert gestaltet, bietet unzählige Wege abseits der Lanes und ist perfekt auf das Konzept abgestimmt. Die Beschränkung auf eine Karte bietet zudem den Vorteil, dass es keine Balance-Verschiebungen durch unterschiedlich gestaltete Umgebungen geben kann. Jeder der 102 Helden ist exakt auf das Terrain abgestimmt und mit den anderen balanciert.
Keine leichte Aufgabe, besitzt doch jeder mindestens drei Fähigkeiten sowie den Ultimate-Skill, die alle in Einklang gebracht werden müssen. Dennoch hat Valve hier einen richtig guten Job gemacht: Die Balance ist exzellent! Die Helden gewinnen Erfahrung durch das Besiegen feindlicher Pendants, das Zerstören von Türmen sowie das Töten von Creeps - (Farmen). Hier kann auch Gold verdient werden, allerdings einzig durch den „Last Hit“ - nur wer den Gegner tötet, bekommt das Gold aufs Konto. Schon beim Farmen ist Timing also essentiell.
Lernphase, Schritt II: Die Gegenstände und der Shop
Was sich zunächst einfach anhört, kann ein Grundstudium von Guides und Replays nach sich ziehen, da die Items zahlreich und die Kombinationsmöglichkeiten unendlich groß sind. Zudem ist es für einen effektiven „Build“ dringend notwendig, die Fähigkeiten der feindlichen Helden in der eigenen Lane zu kennen, um ihnen mit den entsprechenden Gegenständen zu begegnen. Viele von ihnen sind außerdem mehrteilig: Sange & Yasha etwa, eine Kombination aus zwei Schwertern, die Stärke und Beweglichkeit erhöhen,
Zum Transport der Items gibt es die Möglichkeit einen Kurier zu erstehen, den einer der Spieler zu Beginn kaufen muss und der nach etwa einem Drittel der Spielzeit von anderen verbessert werden sollte. Eine Absprache ist sinnvoll, auch wenn erfahrene Spieler aufgrund der Heldenwahl meist wissen, wessen Aufgabe der Kurierkauf ist. Der Helfer kann von allen Mitspielern verwendet werden, so dass nur ein Kauf pro Spiel notwendig ist.
Lernphase, Schritt III: Üben, üben, üben
Ich kann nur empfehlen, den Bekanntenkreis nach erfahrenen MOBA-Spielern abzugrasen, die sich bereit erklären dem Neuling ein wenig unter die Arme zu greifen. Sonst verschwindet die Motivation schneller als sie gekommen ist. Die Community von DotA 2 ist unheimlich gnadenlos mit Neulingen. Selbst die Ankündigung vor dem Spiel, dass sich ein Noob in den eigenen Reihen befindet, führt oft nur zu spöttischen Kommentaren oder Wut, statt sinnvollen Tipps oder Taktikanweisungen, die das Spiel vielleicht retten könnten. Sicher ist es z.B. unangenehm, wenn ein Anfänger bereits zu Beginn den Gegner füttert (feedet), indem er sich blindlings abschlachten lässt und so für größere Erfahrungs- und Goldvorsprünge aufseiten des Feindes sorgt. Trotzdem würden Tipps mehr helfen als von erfahrenen Spielern ständig als Noob beschimpft zu werden.
Lernphase, Schritt IV: Taktikfeinheiten, Spielverständnis und Ränge
Dennoch kann nicht davon die Rede sein, dass man DotA 2 damit gemeistert hätte: Einerseits warten weitere 101 Helden darauf, gespielt zu werden und andererseits stößt man immer wieder auf neue Situationen oder ertappt sich dabei, doch zu weit vorgerückt zu sein. Zudem verhält sich jede Partie wie ein StarCraft 2- oder FIFA-Match: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Jeder Sieg zählt nur bis zur nächsten Niederlage und jeder Kill nur bis zum nächsten Gank. Das Prinzip hat Suchtpotenzial und man spielt oft "nur noch kurz eine Runde", um dann festzustellen, dass es eigentlich vier waren. Zudem gibt es neben dem „All-Pick“-Modus auch beschränktere Wahlmodi, in denen man entweder mit einem zufälligen Charakter spielen muss oder abwechselnd aus zwanzig Helden wählen darf. Jeder Spieler hat zudem einen Rang, der gleichzeitig der Hauptindikator für das Matchmaking ist.
Problematisches Matchmaking und faires Free-to-play
Ähnlich wie seine Mitbewerber League of Legends (LoL) und Heroes of Newerth (HoN) setzt auch DotA 2 auf ein Free-to-play System. Anders als etwa bei LoL, in dessen Shop Helden gekauft werden können, darf man bei DotA 2 jeden Helden spielen, ohne einen Cent auszugeben. Einzig optische Veränderungen wie neue Umhänge, Waffen oder Rüstungen können im Shop erstanden werden, die aber keinerlei Einfluss auf die Balance des Spiels haben. Das ist fair und sorgt für ausgeglichene Matches.
Fazit
DotA 2 mit einer Wertung zu versehen ist nicht leicht. Das Spiel zwingt mich in einen repetitiven Spielablauf auf nur einer Karte, drängt mir seine eigene Sprache auf und zwingt mich, mir umfangreiche Kenntnisse anzueignen, um in den ca. 45 Minuten dauernden Matches überhaupt eine Chance zu haben. Bis sich die ersten Erfolge einstellen, können durchaus Tage oder Wochen ins Land ziehen. Doch nach langer und harter Lern- und Eingewöhnungsphase ist da dieses andere DotA. Dieser faszinierende Sport, der sich mir nach und nach erschließt und mich in seinen Bann zieht. Vor allem in einer eingespielten Gruppe macht DotA 2 Spaß, da es unheimlich taktisch ist und stark auf Kooperation und Timing basiert. Es fordert viel strategische Planung und schnelle Reaktionen, die richtige Zusammenstellung des Teams und die richtigen Absprachen untereinander. So entstehen mitunter glorreiche Momente bei knapp gewonnenen Spielen oder dramatischen Niederlagen. Genauso wie bei anderen Sportspielen. Und wer würde schon Fußball oder American Football verstehen, wenn er ohne Vorkenntnisse des Regelwerkes in eine Partie geworfen wird? MOBAs sind ein Phänomen. DotA 2 ist durch seine Präsentation, seine phänomenal gute Balance, die ausgereiften Spielmechaniken und den Warcraft-Charme die Champions League seines Sports.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Erst unzugänglich, dann aber taktisch und fesselnd: DotA2 ist die Königsklasse unter den MOBAs.
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