Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten13.07.2012, Jan Wöbbeking
Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten

Im Test:

Kurz vorm Weihnachtsfest bringt Peter Jackson endlich den Kleinen Hobbit ins Kino. Wer nicht warten mag, kann schon jetzt auf Abenteuerreise gehen. Das Universum des Schwarzen Auges ist natürlich ein anderes, doch die Geschichten ähneln sich: In Satinavs Ketten macht sich ein unerfahrener Jungspund auf in die große weite Fantasy-Welt, um sein abgelegenes Heimat-Örtchen vor einer Krähenplage und einem geheimnisvollen Seher zu bewahren.

Adventure statt Rollenspiel

Anders als bisherige DSA-Titel wie Drakensang besitzt das Abenteuer keinerlei Rollenspiel-Anteile. Stattdessen wurde der Hamburger Entwickler Daedalic (Deponia, Harveys Neue Augen) beauftragt, ein klassisches Point-and-Klick-Adventure in der Fantasy-Welt zu erschaffen. Die komplett gezeichnete Kulisse erinnert mit ihren knorrigen Bäumen und hübsch verschnörkelten Details sofort an The Whispered World von Marco Hüllen. Die Ähnlichkeit kommt nicht von ungefähr: Hüllen und ein Teil des alten Teams waren auch diesmal beteiligt.

Das Spiel hält sich laut den Entwicklern zwar strikt an den DSA-Kanon, verlegt die Geschichte aber in einen unbekannteren Teil der Welt – damit auch Neulinge nicht überfordert werden. Das Vorhaben ist geglückt: Für die Hauptfigur Geron aus der Provinz ist der Schauplatz genau so neu wie für mich. Das Abenteuer webt behutsam immer neue Infos in die Geschichte ein. Außerdem macht es den Einstieg leicht, indem es sich nicht mit zu vielen Charakteren verzettelt, sondern sich auf Geron und seinen Auftrag konzentriert.

Schluss mit lustig

Nach dem Tod von Gerons Eltern nahm der eigenbrödlerische Gwinnling das Waisenkind bei sich auf.
Nach dem Tod von Gerons Eltern nahm der eigenbrödlerische Gwinnling das Waisenkind bei sich auf.

Das verschlafene Andergast ist der Startpunkt für seinen Trip. Es lässt sich am ehesten mit einem bayerischen Örtchen im Hochmittelalter vergleichen: Das Fußfolk lebt in einfachen Häuschen und am Straßenrand suhlen sich die Schweine. Als eine Krähenplage über Andergast hereinfällt, ist Schluss mit der ländlichen Idylle. Die von üblen Alpträumen geplagten Bewohner vermuten den Seher hinter der Katastrophe: Er wurde zwar vor vielen Jahren auf dem Scheiterhaufen verbrannt, sagte vorher aber jede Menge Unglücke vorher, welche allesamt eintraten. Zu allem Überfluss bezeichnete er kurz vor seinem Tod Geron als Unglücksbringer, weshalb er im Ort besonders kritisch beäugt wird.

Die lästige Krähenplage ist aber auch eine Chance für den Protagonisten: Als Lehrling eines Vogelfängers und Fallenstellers besitzt er die besten Chancen, gegen den Fluch anzugehen und sich als Retter seiner Heimat zu beweisen. Bei der Bekämpfung der Plage scheint die rätselhafte Fee Nuri eine wichtige Rolle zu spielen. Auf den ersten Blick sieht sie wie ein hübsches Mädchen aus, doch im Verhalten unterscheidet sie sich von den Menschen. Oft spricht sie in Rätseln, handelt impulsiv oder kindlich-naiv, was Geron auf der gefährlichen Reise oft in Schwierigkeiten bringt. In einer Höhle  patscht sie z.B. trotz Verbot gedankenverloren auf einen fragilen Feen-Kristall und bringt dadurch die halbe Decke zum Einsturz. Da sie ihren eigenen Kopf besitzt, ist sie außerdem ein leichtes Opfer für die Fallen der finsteren Kreaturen, welche das Pärchen verfolgen.

Bizarre Kulissen

Nach dem Einbruch der Krähenplage wird nicht nur Geron von Alpträumen geplagt. In seinen erscheint ihm der vor Jahren hingerichtete Seher.
Nach dem Einbruch der Krähenplage wird nicht nur Geron von Alpträumen geplagt. In seinen erscheint ihm der vor Jahren hingerichtete Seher.

Nach und nach stoßen die beiden auf immer neue Hinweise auf das Übel, welches Gerons Heimat bedroht. Auf ihrer Suche nach einem Feenforscher durchqueren sie tödliche Sümpfe, treffen auf Zyklopen, schmierige Schmuggler, schillernde Pfauen, magische Portale und bizarre Gärten voller seltsam verbogener Ranken.

Auch ein sprechender Rabe kreuzt von Zeit zu Zeit ihren Weg. Er hilft ihnen, indem er z.B. einen unerreichbaren Gegenstand vom Fahnenmast schubst. Als Freund der Tiere vertraut Nuri ihm auf Anhieb, während Geron skeptisch bleibt. Die Rätsel gestalten sich fast genau so abwechslungsreich wie die Szenarien und erstrecken sich meist über ein Areal von ein paar begehbaren Bildschirmen.

Taktlose Orks

Die gutherzige aber auch implusive Fee Nuri bringt Geron oft in Schwierigkeiten.
Die implusive Fee Nuri bringt Geron oft in Schwierigkeiten.

Um an einer Horde Orks vorbei zu kommen, die einen Bergpass blockieren, muss Geron improvisieren. Die Krieger erwarten das Zeichen einer Gottheit, deren gigantische Skulptur neben einem Wasserfall in den Fels gehauen wurde. Zunächst muss Geron den Zeremonienmeister und seinen nicht besonders taktsicheren Trommler ablenken, damit er sich an ihren Utensilien bedienen kann. Also schnappe ich mir einen zerborstenen Schädel und platziere ihn unter einem tropfenden Rinnsal. Das Wasser tröpfelt zwar einen anderen Rhythmus auf den Schädel, ist aber nicht laut genug, um wirklich zu stören.

Daher kommt Nuris Feenmagie zum Einsatz: Sie kann kleine Gefäße und Apparaturen in Sekundenschnelle wieder instand setzen. Also laufe ich zu ihr, lasse sie zaubern und platziere den heilen Schädel unter dem Rinnsal. Jetzt tropft das Wasser derart laut auf den hohlen Schädel, dass der Trommler ständig aus dem Rhythmus kommt, das Ritual abgebrochen wird und ich mich hinter dem Rücken der Orks in Ruhe bedienen kann. Danach muss ich noch ein wenig mit den unterschiedlichen Gebirgssteinen experimentieren, um ein eindrucksvolles Zeichen des Ork-Gottes zu inszenieren.

Heile, heile Gänschen

Im Gegensatz zum Edna-Schöpfer "Poki" mag DSA-Projektleiter Matthias Mangelsdorf keine Minispiele. Daher gibt es diesmal nur klassische Umgebungs- und Inventarrätsel.
Anders als Edna-Schöpfer "Poki" mag der Projektleiter von Satinavs Ketten, Matthias Mangelsdorf, keine Minispiele. Daher gibt es diesmal nur klassische Umgebungs- und Inventarrätsel.

Obwohl Geron kein Magier ist, beherrscht er als Magie-Dilettant ebenfalls ein kleines Kunststück: Er kann kleine Glasflaschen, Krüge und andere Gefäße mit Gedanken zum Zerspringen bringen. Im Laufe des Abenteuers muss ich oft davon Gebrauch machen. Ein Grüppchen finsterer Häscher will Geron z.B. mit einem Puppenkopf voller Magnesium ablenken. Doch da die improvisierte Leuchtgranate sich nicht entzündet, muss er nachhelfen: Ich hole das Inventar ins Bild, indem ich den Cursor an den unteren Bildrand bewege, klicke auf den Zerstörungs-Zauber und dann auf Puppenkopf. Mit einem Knall geht er in Flammen auf und die Helden können fliehen.

Nuris Feenmagie lässt sich auf ähnliche Weise einsetzen. Von solchen Spezialitäten abgesehen sind die Rätsel aber sehr klassisch gestrickt. Ich steuere stets nur Geron. Kombinationsrätsel gibt es nur, wenn Nuris Zauber gefragt ist. Besonders cool ist, dass sie kurzzeitig das Mondlicht bündeln kann und so dem in einer Mühle gefesselten Geron Licht macht. Hier macht es richtig Spaß, nach und nach mit kleinen Magie-Experimenten an

Im Gegensatz zu den detailverliebten Zeichnungen wirken die Animationen hölzern. Die Figuren laufen nicht so abgehackt herum wie in Edna bricht aus, besitzen aber trotzdem nur wenige Animationsphasen.
Im Gegensatz zu den detailverliebten Zeichnungen wirken die Animationen hölzern. Die Figuren laufen nicht so abgehakt herum wie in Edna bricht aus, besitzen aber trotzdem nur wenige Animationsphasen.
Scherben und andere spitze Gegenstände zu gelangen, bis die Fesseln schließlich durchtrennt sind.

Hinweismangel

An anderer Stelle gibt es aber auch frustrierende Kopfnüsse. Am schwierigsten wird es, wenn ich mich im späteren Spielverlauf in die speziellen Naturgesetze von Feen und anderen Wesen hineinversetzen muss. Dort muss ich die Regeln zu Wetter, Jahreszeiten und Düften befolgen und sogar optische Täuschungen überlisten. Ähnlich wie in The Book of Unwritten Tales gibt es auch hier an MC Escher angelehnte obskure Bauwerke. Anders als bei der Konkurrenz knausern die Entwickler hier aber zu sehr mit Hinweisen. Auch wenn ich das Inventar gründlich untersuche und sämtliche Dialoge abklappere, gibt es zu wenige Denkanstöße. Schade, dass Daedalic sich beim Rätsel-Design nicht so viel Mühe gegeben hat wie bei Harveys Neue Augen. Dort bekam man als hartnäckiger Spieler fast immer einen kleinen Tipp.

Schade auch, dass ich mich in einigen heiklen Situationen für eine Antwort entscheiden muss, diese aber keinen Einfluss auf den weiteren Spielverlauf nehmen. Davon abgesehen sind die Gespräche aber genauso gut gelungen wie die einfach animierten, aber stimmungsvollen Zwischensequenzen. Ich hatte richtig Spaß daran, die Einwohner Aventuriens auszufragen und immer mehr über ihre wundersame Welt zu erfahren. Es herrscht ein deutlich ernsterer Ton vor als in The Whispered World. Im Gegensatz zu Sadwicks ständigen sarkastischen Kommentaren reißt hier nur ab und zu jemand einen Witz. Auch die

-	Anstelle von Hilfe-Funktionen gibt es lediglich ein kurzes Tagebuch. Der Mauszeiger signalisiert auf Wunsch, welche Objekt-Kombinationen sinnvoll sind. Diese Kombinationshilfe und die Hotspot-Taste lassen sich auf Wunsch deaktivieren.
Anstelle von Hilfe-Funktionen gibt es lediglich ein kurzes Tagebuch. Der Mauszeiger signalisiert, welche Objekt-Kombinationen sinnvoll sind. Diese Kombinationshilfe und die Hotspot-Taste lassen sich auf Wunsch ausschalten.
gelungen Synchronisation trägt viel zur Stimmung bei. Sascha Draeger ist zwar nicht die beste Besetzung für Geron, liefert aber wie der Rest der Sprecher einen richtig guten Job ab. Vor allem die Betonungen passen fast immer bemerkenswert gut.

Bedächtige Piano-Klänge

Eine weitere Stärke ist der Soundtrack. Als ich das Spiel gestern Abend durch hatte, musste ich sofort die beiliegende Soundtrack-CD hören, weil mir die ruhigen Piano- und Gesangs-Melodien immer noch im Kopf herumgeisterten. Weniger gut in Erinnerung geblieben sind mir die technischen Probleme. Auch die Retail-Fassung muss zwingend bei Steam aktiviert werden. Da es zunächst einen Bug gab, ließ sich das Spiel in den ersten Tagen überhaupt nicht starten. Außerdem legt die Engine fast immer eine kurze Denkpause ein, sobald ich einen neuen Bildschirm betrete. Dann stockt der Mauszieger für rund eine Sekunde und manchmal hängt sogar der Sound. Das Problem lässt sich verschmerzen – nervig ist es natürlich trotzdem.

Fazit

Meiner Meinung nach hätte Daedalic sein Fantasy-Adventure in der dunklen Jahreszeit veröffentlichen sollen. Die Abenteuerreise durch Aventurien ist genau das richtige Programm für finstere Winterabende: Die urigen Kulissen sind wunderhübsch gezeichnet und die Story um Geron und seine dunkle Visionen hat auch mich als DSA-Neuling in ihren Bann gezogen. Der mystische Soundtrack und die gelungene deutsche Synchro runden die Fantasy-Geschichte ab, welche aber auch Schönheitsfehler besitzt. Im Gegensatz zu Harveys Neue Augen hat Daedalic sich bei weitem nicht so viel Mühe beim Rätsel-Design gegeben. Die Umgebungs- und Inventar-Puzzles bieten zwar viel Abwechslung und auch die kleinen Magie-Experimente machen Spaß, doch später werden die Kopfnüsse übertrieben knifflig. Das größte Problem ist im Gegensatz zu Harvey der Mangel an Hinweisen: Vor allem beim Enträtseln von optischen Täuschungen und übernatürlichen Mechanismen wird es richtig schwer. Auch technische Problemchen wie das Stocken der Maus funken dazwischen. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, sollte sich aber ruhig auf den bezaubernden, rund 15 Stunden langen Abenteuer-Ausflug durch Aventurien begeben.   

Pro

unterhaltsame Abenteuer-Reise durch die DSA-Welt
abwechslungsreiche Rätsel und Szenarien
detailverliebt gezeichnete Kulissen
ruhiger mystischer Soundtrack
urige Atmosphäre
gelungene deutsche Synchronisation
Neulinge werden behutsam an die Fantasy-Welt herangeführt

Kontra

einige frustrierend harte Rätsel
es mangelt häufig an Hinweisen
Mauszeiger bleibt oft kurz hängen
nur einfache, teils abgehackte Animationen
Dialog-Entscheidungen beeinflussen den Spielverlauf nicht

Wertung

PC

Unterhaltsame Abenteuerreise mit hübsch gezeichneten Kulissen aber zu wenigen Hinweisen auf die knackigen Rätsel.

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