Indiana Jones und die Legende der Kaisergruft29.05.2003, Paul Kautz
Indiana Jones und die Legende der Kaisergruft

Im Test:

Unabhängig davon, was Eidos behauptet: der berühmteste Archäologe der Welt ist immer noch Dr. Indiana Jones, der Mann, der wie ein Hund heißt. Nach einigen legendären Adventures und einigen eher berüchtigten Geschicklichkeitsspielen kehrt der Schatzjäger nun auf den PC zurück - wieder in einem Action-Adventure. Knallig wie eine Peitsche oder schlapp wie sein Hut? Unsere Review gibt Antworten.

Ein Tag wie jeder andere

Wie so oft beginnt Indys Abenteuer harmlos: auf einer Tour durch die Tempelruinen Ceylons fällt ihm ein merkwürdiges Artefakt in die Hände, für das sich seine Erzfeinde, die Nazis, ausgesprochen interessieren. Zurück in New York bekommt Dr. Jones Besuch von zwei Chinesen (u.a. der bezaubernden Mei Ying, die noch stark an Bedeutung gewinnen wird), die ihn darüber informieren, dass er gerade einen von drei Spiegelteilen gefunden hat, die benötigt werden, um die sagenumwobene Gruft des ersten Kaisers zu öffnen. Diese Grabstätte beinhaltet der Legende nach eine gigantische schwarze Perle, mit der man anderen Menschen seinen Willen aufzwingen kann. Kaum ist seine Neugier geweckt, befindet sich Indy mal wieder im typischen Schlamassel aus Nazis, Ninjas und (natürlich) schönen Frauen.

Indiana Jones und die Legende der Kaisergruft (ab 59,99€ bei kaufen) ist wie der Vorgänger Der Turm von Babel  ein aus der Schulterperspektive präsentiertes Action-Adventure. Ihr müsst knapp 60 umfangreiche Levels lang knifflige Jump-and-Run-Passagen überwinden, mit vielerlei Gegnern kämpfen, Puzzles lösen und sehr laracroftige Hebeldrückereien hinter Euch bringen.

Ein Mann, eine Peitsche

Der erste bleibende Eindruck, noch bevor das stilvolle Hauptmenü erscheint, ist der, dass die Ladezeiten nicht eben ohne sind - auf Maschinen mit weniger als 512 MB RAM kann man sie nicht gerade als fingernagelfreundlich bezeichnen. Habt Ihr einen Spielstand angelegt, Eure Optionen und einen Schwierigkeitsgrad gewählt, der in erster Linie die Gegnerstärke beeinflusst, geht es auch schon ins erste Level, das Euch sanft in die Steuerung des Archäologen einführt: Indy kann rennen und gehen, springen, schwimmen, sich an Abgründen entlang hangeln oder sich flach an Wände drücken.

Wichtig ist natürlich die Beherrschung seiner Peitsche, mit der Ihr nicht nur Gegnern eine Tracht Prügel verpassen, sondern Euch auch über Abgründe hinweg schwingen könnt - sogar aus dem Springen heraus und über mehrere Schwinger hinweg. Außerdem erfahrt Ihr noch, dass Ihr in jedem Level die Augen offen halten solltet, befindet sich doch in jedem Abschnitt ein besonders wertvolles und gut verstecktes Artefakt. Sitzt dieses grundlegende Wissen, befindet Ihr Euch auch schon mitten im Spiel.

    

Blutige Nase gefällig?

Natürlich wäre das Spiel nicht komplett ohne den seit Indys drittem Software-Abenteuer (das eigentlich sein erstes war) legendären Keilereien. Nur, dass Ihr dieses Mal ein paar Möglichkeiten mehr habt, als einfach nur in drei Richtungen zu prügeln: durch das Drücken beider Maustasten lässt Indy verschiedene Schläge auf seinen Widersacher los, die Ihr auch zu Kombos verbinden könnt.

Ihr könnt Gegner auch packen und wegstoßen, was sich besonders vor Abgründen als praktisch erweist. Außerdem dürft Ihr am Boden liegenden Feinden einen Tritt verpassen - nicht ganz fair, aber wohl nötig, denn die Gegner sind nicht ohne: sie schreien nach Verstärkung, suchen Schutz, blockieren Angriffe oder versuchen sich von Kanten hochzuziehen. Allerdings greifen sie nur selten gemeinsam an; selbst wenn der Raum vor Feinden wimmelt, könnt Ihr sie meist gemütlich nacheinander erledigen. Indy richtet sich praktischerweise automatisch auf Gegner aus, so dass Ihr den aktuellen Widersacher sicher im Visier habt.

Falls Ihr zu viele Schläge einstecken solltet, hilft der Griff zum Heilpäckchen oder der an Brunnen wieder auffüllbare Wasserflasche. Falls die Fäuste weh tun, könnt Ihr auch zu allerlei Hilfsmitteln greifen, um Euren Kontrahenten ein blaues Auge zu verpassen: Stühle, Tischbeine, Flaschen oder eine Schaufel wirken Wunder - da fliegt während des Kampfes schon mal der Hut weg. Außerdem könnt Ihr natürlich auch auf ein recht begrenztes Waffenkontingent zurückgreifen. Pistole oder MG sind immer knapp munitioniert, und sollten sich daher für Notfälle aufgehoben werden. Im späteren Spielverlauf bekommt Ihr es übrigens nicht nur mit den sonst dutzendfach gleich aussehenden Nazis, Söldnern oder Arabern, sondern auch mit Oberbossen wie Monsterkrokodilen, einem Riesenkraken oder einer Art Terminator zu tun, gegen die normale Waffen nichts nützen. Übrigens ist das Spiel komplett blutfrei, außerdem verschwinden tote Gegner nach kurzer Zeit.

   

Speicher-Krampf

Die Kämpfe sind nur das erste Drittel der Herausforderungen, die Ihr im Spiel bewältigen müsst. Das zweite wären die teilweise sehr langen und anspruchsvollen Jump-and-Run-Sequenzen: Ihr müsst sehr oft klettern, springen, Euch mit der Peitsche oder an einer Kette baumelnd auf Vorsprünge springen, oder in typischer Indy-Manier durch Fenster schmettern. Anfangs sind diese Szenen noch ein Klacks, später werden sie marterpfahl-artig schlimmer und ausufernder. Außerdem bekommt Ihr es mit vielerlei Fallen zu tun, die Eure knappe Lebensenergie bei Berührung empfindlich schröpfen: Indy-typische Kreissägen und Schwingäxte sind normal, giftiges Gas schnell tödlich. Generell gilt die Faustregel, dass der offensichtlichste Weg zu einem wertvollen Fundstück meist der tödlichste ist.

Das letzte Drittel stellen schließlich die Puzzles, die Euch aber nur selten belästigen und dem Spiel dadurch mehr Betonung auf »Action« statt auf »Adventure« verleihen. Neben den üblichen Hebel- und Schalterspielchen müsst Ihr auch mal Gegenstände kombinieren oder die richtige Position einer Uhr herausfinden. All diese Dinge verlangen nicht allzu viel graue Masse, lockern das Spiel aber auf. Der Haken an der ganzen Sache ist das von der Xbox-Fassung übernommene Speichersystem - es gibt schlicht keins! Lediglich am Ende der teilweise sehr langen Levels wird automatisch ein Spielstand angelegt, ansonsten habt Ihr keine Möglichkeit, Euren Fortschritt zu speichern. Das wird natürlich sehr schnell zum Krampf, behält man die Kombination aus harten Kämpfen und fiesen Hüpf-Sequenzen im Hinterkopf. Wenn man bevorzugt gegen Ende des Levels (wo die Designer oftmals härtere Fallen- oder Gegnerkaliber auffahren) durch einen Fehler oder Ungeschicklichkeit in den sicheren Tod stürzt, wird man ohne jegliches Mitleid seitens der Entwickler dazu gezwungen, den ganzen Abschnitt nochmals durchzuleiern. Durch dieses auf Dauer wahnsinnig nervende Trial-and-Error-Prinzip wird immerhin die Spiellänge erheblich gestreckt - Jung-Indys sollten nicht weniger als 30 Stunden einplanen, um die Geheimnisse um die Kaisergruft gelöst zuhaben. Der nagende Frust wird allerdings schon viel eher einsetzen.

    

Stets ein Grinsen im Gesicht

Grafisch zeigt sich Indy von seiner besten Seite, besonders wenn man an den scheinbar mit einem Hackbeil designten Vorgänger denkt: Ihr seht Dr. Jones standardmäßig über die Schulter, könnt aber auch kurzzeitig in einen Ego-Modus schalten, um beispielsweise dank eines Fadenkreuzes besser zielen zu können. Die flüssigen Animationen beschränken sich nicht nur auf Standard-Manöver, sondern beinhalten auch kleine Spielereien: beispielsweise streckt und dehnt sich Indy während Ruhepausen, setzt sich nach einem Bad ganz lässig den Hut wieder auf oder wackelt Besorgnis erregend, wenn er kurz davor ist, das Gleichgewicht zu verlieren. Besonders die Kämpfe bestechen durch fantastische und schon comichaft-witzige Bewegungen, dazu gesellt sich eine lebendige Mimik in den detailliert dargestellten Gesichtern. Leider gilt das nicht für die abwechslungsarmen Gegner, die durchgehend gröber wirken als der Held. »Grob« trifft auch auf die Hintergründe in den Außenlevels zu, die im merkwürdigen Kontrast zu den teilweise wunderschönen Bauten stehen. Dazu kommen noch nette Effekte wie glitzernde Metalloberflächen oder im Wind wirbelnde Blätter.

Zwischen den Missionen gibt es lange und atmosphärische schöne Zwischensequenzen, die den Großteil der Story tragen - innerhalb der Aufträge bekommt Ihr leider nur wenig mit. Während Ihr durch zehn umfangreiche Abschnitte wie Prag, Istanbul, Hong Kong oder besagte Kaisergruft trabt, passiert die meiste Zeit Story-technisch leider gar nichts. Auch ist das Spiel sehr linear, es führt immer nur ein Weg zum Ziel. Bis auf gut versteckte Bonus-Artefakte und Heilpäckchen gibt es außerdem nichts zu finden.

Neben dem schon erwähnten Speichermurks ist die Kameraführung die zweite große Schwäche des Spiels. An sich folgt sie zuverlässig Indys Hut, mit der Maus habt Ihr die Perspektive meistens gut im Griff. In der Nähe von Wänden oder unter Wasser ist die Programmierung aber überfordert und veranlasst die Kamera zu wilden Schwenks - vor allem beim Versuch, sich wieder hinter dem Protagonisten zu zentrieren. Das Ergebnis sind dann oftmals Blind- und damit Fehlsprünge, womit »nicht vorhandene Speicherfunktion« und »lange Ladezeiten« wieder zum Problem werden. Ansonsten bereitet die Steuerung kaum Probleme, eine Strafe-Funktion wird allerdings schmerzlich vermisst.

Mein Name ist Indiana

Wie bei jedem Indy-Game verzaubert auch die Legende der Kaisergruft mit einer Soundkulisse vom Feinsten. Besonders hervorzuheben ist natürlich die orchestrale Musikbegleitung, aus der immer wieder John Williams Indy-Thema hervorsticht - irgendwann kann man gar nicht anders, als unbewusst mitzupfeifen. Die Musik passt sich darüber hinaus dem Bildschirmgeschehen an, vor gefährlichen Stellen kommt beispielsweise ein überraschender Einsatz des Orchesters. Auch die Sprachausgabe lässt sich nicht lumpen: in der deutschen Version bekommt Ihr Wolfgang Pampel zu hören, der Harrison Ford schon seit Star Wars-Zeiten seine deutsche Stimme leiht. In der englischen Fassung hingegen übernimmt David Esch den Part des Indy; der Mann hat schon Han Solo in Star Wars: Galactic Battlegrounds vertont, sollte Ford-Fans also ebenfalls bekannt vorkommen. Die englische Version hat überdies den Vorteil, dass in Ihr die einzelnen Akzente besser rüberkommen - Nazis radebrechen beispielsweise witzig-holpriges Englisch.

Während die Zwischensequenzen und Hauptdialoge also kompetent vertont sind, leiden die sowieso schon scheinbar geklonten Gegner auch noch an einem Gruppen-Redezwang: Ihr bekommt von denen immer wieder dieselben Sätze zu hören. Auch Indys Schallplatte hat manchmal einen Sprung, so kommentiert er verschlossene Türen immer wieder mit dem gleichen »That's not going to work« - da wäre doch mehr drin gewesen. Außerdem nervt sein ständiges Schnaufen auf Dauer.   

Fazit

Ich bin wirklich ein Philanthrop, aber für eine derartig verhunzte Speicherfunktion gehören die Entwickler ausgepeitscht! Es macht einfach keinen Spaß, dazu gezwungen zu werden einen Level wieder und wieder neu zu beginnen, nur weil man (idealerweise dank der zickigen Kamera) danebengesprungen ist, oder von einem hungrigen Krokodil kurz vor dem Levelende erwischt wurde. Diese beiden Punkte kosten Indy einen Aufstieg in die Oberklasse der Action-Adventures, der sonst problemlos möglich gewesen wäre: die Mischung aus klasse Grafik, herausfordernder Action, exzellentem Sound und netten Puzzles stimmt und treibt den Spieler motiviert voran - bis er wieder mal einen Schlag zuviel abbekommt und von vorne beginnen muss. Wer die Zähne hart genug zusammenbeißt, wird viel Spaß in der Kaisergruft haben; die meisten Spieler dürften jedoch schon lange vorher die Flinte ins Korn geworfen haben. Mal schauen, wie sich Kollegin Croft in ihrem bald erscheinenden Angel of Darkness  macht - von Indy sollten die Entwickler lernen, wie man manche Sachen besser nicht macht.

Pro

<P>
sehr schöne Animationen
gutes Kampfsystem
schöne Grafik
exzellente Musik
gute Sprachausgabe
sehr umfangreich
intelligente Peitschen-Nutzung
versteckte Artefakte
abwechslungsreiche Levels
gute Levelarchitektur
detaillierte Figuren
schöne Zwischensequenzen</P>

Kontra

<P>
keine freie Speicherfunktion
teils fiese Hüpfsequenzen
zappelige Kamera
schreckliche Unterwassersteuerung
abwechslungsarme Gegner
stets gleiche Gegnersprüche
dauerschnaufender Held
grobe Hintergründe
Indy kann nicht strafen
träge vorgetragene Story
sehr lange Ladezeiten</P>

Wertung

PC

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