Im Test:
Wer kriegt die Insel?
Genau diese heiße Phase des Mittelalters kann man in Crusader Kings 2 spielen, denn dem Kampf um England sind gleich die ersten beiden Kampagnen gewidmet. Man startet recht bescheiden als Herzog mit wenigen Tausend Kämpfern in der nordfranzösischen Provinz, die Nachschub liefert. Immer wieder muss man Zufallsereignisse überstehen, die Folgen haben: Eine Affäre führt beispielsweise zur Tochter, die man anerkennen kann. Wer will kann natürlich auch Harold oder sogar den norwegischen König Harald Hardråde spielen. Das ist der Vorteil des jederzeit pausierbaren Echtzeit-Strategiespiels, denn es zeigt alles aus mehreren Perspektiven. Der Norweger und der Angelsachse haben ihre Armeen etwa schon in England, während Wilhelm erst noch hin schippern muss. Dafür muss er erst eine Flotte ausheben, die auch genug Männer transportiert.
Kreuz des Barbarossa
Bevor man loszieht, ist es wichtig, in der Heimat für Ruhe zu sorgen. So ist etwa das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ein von vielen Völkern bewohnter Flickenteppich, der von der Ostsee bis nach Norditalien reicht. Wie soll man da allen gerecht werden? Wird irgendein Provinzfürst nicht berücksichtigt, gibt es gleich einen Aufstand. So muss etwa Friedrich I Truppen in die Lombardei schicken, um dort für Ruhe zu sorgen. Wen schickt man als Anführer? Der Herzog von Schwaben könnte sich hier seine ersten Sporen verdienen, da er mal Barbarossa auf den Thron folgen soll. Er ist erst 20 Jahre und muss noch erfahrener werden, um ein guter Kaiser zu werden. Nach und nach sammelt jeder Charakter positive wie negative Eigenschaften, wenn er etwa im Krieg verletzt wird. So ist es durchaus gefährlich, den König oder seine Sippe in die Schlacht zu schicken, da er sterben kann.
Politisch unkorrektes Handeln
Weitere wichtige Aufgabe als Familienpatron ist das Abwenden von Ärger von der eigenen Familie, was ähnlich wie in Sengoku funktioniert: Je nachdem, ob man einen fähigen oder schlechten Spionagechef besitzt, bekommt Meldungen über die Intrigen, die laufen. Was ist geplant, wer ist beteiligt und wieweit ist die Planung? Hier stehen auch Ränke gegen die eigene Sippe, etwa wenn jemand den dritten Thronfolger umbringen will. Den Sechsjährigen hat man vielleicht gerade erst zur Ausbildung zum Bischoff nach Mainz geschickt, wofür man auch noch zuständig ist. Und jetzt will ihm der Graf von Schwerin ans Leder, was man verhindern möge. Man kann Verschwörer verhaften, was aber riskant ist. Klappt es, landet der Unhold im Reichsgefängnis, wo er nicht mehr so schnell raus kommt. Gelingt es nicht, taucht er unter und es wird schwer, ihn zu fassen. Hat man jemand gefasst, kann man ihn hinrichten lassen, was aber unehrenhaft ist.
Wiederspielbarkeit
Wer noch größere Herausforderungen sucht und auch mal gegen richtige Mitspieler zocken möchte, kann sich beim Multiplayer verlustieren. Hier können bis zu 32 Spieler online oder per LAN gegeneinander antreten, um herauszufinden, wer der größte König ist. Wie schon beim Vorgänger gibt es zudem Downloads für den Singleplayer, wo man auch mal die Mongolen zocken kann. Ob man für zusätzlichen DLC gutes Geld ausgeben möchte, muss jeder selber wissen. Crusader Kings 2 bietet jedenfalls auch so genug, da man immerhin den mittelalterlichen Hochadel ganz Europas, Russlands, Ägyptens und des Nahen Ostens spielen kann.
Angriff aus dem Nichts
Sagt sich ein Vasall von einem los und macht gar ein eigenes Fürstentum auf, kommt es ebenfalls zum Kampf. Kann man einen langwierigen Bürgerkrieg für sich entscheiden, bekommt man die Provinzen, um die der Streit ging. Für Sieg und Niederlage gibt es extra eine Anzeige, die Prozente angibt, die man schon hat. Belagert man erfolgreich eine Stadt, steigt das Konto um einen Punkt, verliert man, sinkt es, was auch negativ werden kann, wenn der Feind gewinnt. Sonst gibt es noch lokal Bauernaufstände, die aber schneller niedergeschlagen sind, weil sie schlechter organisiert sind. Mit Hilfe des Marschalls vom Rat lässt sich die Wahrscheinlichkeit von Aufständen senken, wofür er aber Zeit braucht. Das ist eine der Spezialaufträge der Ratsmitglieder, wie es sie auch schon in Sengoku gab.
Automatik-Schlachten
Andere Spiele wie zuletzt King Arthur 2 bieten hier schmucke Echtzeit-Kämpfe an, bei denen man sich mitten im Kampf wähnt, während hier nur Zahlen runterlaufen. Dass der Krieg einen trotzdem fordert und man am Ball bleibt, liegt an der KI, die je nach Schwierigkeitsgrad aggressiv vorgeht. Abgesehen von wenigen hyperaktiven Vorstößen mit nur ein paar Mannen bringen einen die Feinde immer dann in die Bredouille, wenn sie über genug Truppen verfügen. Um zu siegen, sind daher eher ein fähiger General und eine Überzahl an Kämpfern entscheidend - weniger ein wohlüberlegter Plan.
Statische Einheiten
Zwar existiert ein Technologiemenü, allerdings ist das weder übersichtlich noch gut zu bedienen und man sieht auch kaum Fortschritte. Man kann theoretisch militärische, steuerliche und kulturelle Sachen erfinden, was aber eigentlich nicht mehr als eine Verbesserung des Istzustands ist. So kann man etwa die Offensivkraft der Kavallerie verbessern, aber keine neuen Reiter erfinden. Das heißt im Umkehrschluss, dass technisch das ganze Spiel über eigentlich alles beim Alten bleibt. Und das obwohl man sich sowohl den Entwicklungsstand des Reiches als auch jeder einzelnen Provinz anzeigen lassen kann, was man sich sparen kann.
Erobern und Aufbauen
Bei Crusader Kings 2 muss ein Feldherr gleich mehrere Orte einnehmen, um eine Provinz ganz zu kontrollieren, was man an den Flaggen im Menü sieht. Hat man eine Stadt eingenommen, darf man sie ausbauen. Je nach Entwicklungsstand gibt es dort schon Bauten, was meist der Fall ist, oder man fängt von null an, was eher selten ist. Empfehlenswert ist in erster Linie der Bau von Burgen, die die Verteidigung eines Landstrichs stärken. Auch solche, die mehr Soldaten oder Steuern bringen, können nützlich sein, wenn nur man wenig hat. Immerhin sorgt der Verwalter dafür, dass Gebäude schneller erreichtet werden, auch wenn sie immer noch teuer sind. So kostet eine Kirche, die auf Deutsch warum auch immer Tempel heißt, stolze 750 an Geld, was etwa das Dreifache des Jahreseinkommens eines Kleinstaats ist.
Postenschacher unter Adeligen
Bei Verhandlungen hilft der Kanzler, der eine möglichst hohe Ahnung von Diplomatie haben sollte, da er die Beziehungen verbessert. Durch ihn wird wahrscheinlicher, dass jemand zustimmt. Dabei geht es meist nachvollziehbar zu, denn es ist logischerweise davon abhängig, was man für einen Vorschlag macht. Kann sich der Gesprächspartner verbessern, ist die Zustimmung sicher. Wer einem Grafen einen Posten als Herzog anbietet, wird sein Herz im Sturm erobern. Andererseits wird eine waschechte Prinzessin nicht glücklich sein, wenn sie einen Hanswurst aus Nicäa heiraten soll. Gerade im Kronrat sollte man sich keine Feinde machen, was sich durch Geschenke, Land oder Auszeichnungen befördern lässt.
Der König ist tot…
Damit man überhaupt erben kann, muss zuerst ein Erbe vorhanden sein. Daher bekommt man extra eine Meldung, wenn jemand keinen Nachfolger hat. Meist liegt das daran, dass der Erblasser keine Frau hat und so auch keine Kinder. Hier kann man helfen, indem man eine Ehe vermittelt. An dem biologischen Grundsatz können auch die komplexen Erbregeln wenig ändern, die im Menü Gesetze zu finden sind. Änderungen am Althergebrachten sind im Spiel allenfalls schrittweise möglich, brauchen eine Zustimmung und können so Gegnerschaft provozieren. Eigentlich hat ein König schon genug Feinde, so dass er sich nicht noch welche machen muss.
Fazit
Crusader Kings 2 ist besser, als ich erwartet hatte. Trotz einiger Schwächen zieht es mich in den Sog der Herrschaft, was bei Sengoku nicht so der Fall war. Mehr als einmal ertappe ich mich dabei, wie ein mittelalterlicher Fürst zu denken, wozu auch das authentische Ambiente sowie die wuchtigen Klänge beitragen. Die Reichsbildung läuft erfrischend politisch unkorrekt: Ohne mit der Wimper zu zucken, heirate ich Minderjährige, unterdrücke ganze Völker und lasse Widersacher umbringen, obwohl es schlechte Presse bringt. Die langwierigen Kriege fordern den ganzen König, da man für genug Nachschub sorgen muss, auch wenn die automatischen Schlachten mehr taktische Möglichkeiten bieten müssten. Die Computerwidersacher sorgen mit geschicktem Entgegenhalten immerhin dafür, dass eine Eroberung dennoch nie langweilig wird. Wer nicht gleichzeitig auf die richtige Antwort auf Zufallsfragen oder Intrigen achtet, hat bald einen waschechten Aufstand an der Backe. Darüber hinaus muss ich Multitasking beweisen, wenn ich mich auch noch um meine Familie kümmere, die dringend Ehepartner, Erben und Geld braucht. Natürlich wollen auch ausländische Adelige mit Geschenken, Posten oder Land bestochen sein, damit sie einem wohlgesonnen sind. Das gilt auch für den praktischen Kronrat, für die man die Besten des Landes als Berater kürt. Es gibt so viel zu tun, dass die fehlende Forschung und Übersetzungsfehlerchen nicht stark ins Gewicht fallen. Wer ins Mittelalter abtauchen will, wird hier strategisch gut unterhalten!
Wertung
PC
Bietet nicht nur heilige Kriege, sondern eine komplexe Simulation des Adels im Mittelalter.
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