Defenders of Ardania23.03.2012, Marcel Kleffmann
Defenders of Ardania

Im Test:

Mit Defenders of Ardania (ab 2,38€ bei kaufen) steht endlich mal wieder eine Tower Defense auf dem Plan, diesmal sogar mit Offensiv-Möglichkeiten – hurra! Doch die Vorfreude verfliegt zügig, denn das Spiel von Paradox Interactive und Most Wanted Games kann zwar mit knallbunter Grafik überzeugen, aber die inneren Werte enttäuschen.

Eine Tower Defense mit Story?

Finstere Untote bedrohen das farbenfrohe Fantasyreich Ardania. Nur ein mächtiger Feldherr und seine wachsende Gefolgschaft aus illustren und leicht geisteskranken Magiern, angetrunken Zwergen der Marke "Haudrauf" und Co. können das Unheil abwenden! Nein, Defenders of Ardania wird keinen Preis für das originellste Szenario bekommen. Für die Hintergrundgeschichte einer "Tower Offense" reicht es dennoch aus, jedenfalls um die 18 Missionen der Kampagne (ca. fünf bis sieben Stunden) irgendwie zu verbinden.

Lobenswert sind einmalige Charaktere wie Zauberer oder Zwerg, die sich im Verlauf des Feldzugs euch anschließen und immer wieder mit eingesprochenen Erklärungen und Dialogen (in englischer Sprache) für Auflockerung durch Klischees oder Anspielungen auf Filme sorgen. Hier punktet das Spiel, obwohl ich nicht verstehen kann, warum sich die Einleitung einer Mission nicht überspringen lässt.

Aufgezwungene Wartezeiten

Auf der Karte von Ardania wählt ihr die nächste Mission aus.
Auf der Karte von Ardania wählt ihr die nächste Mission aus.

Wenn man eine Karte neu startet, muss man sich die Dialoge erneut anhören, was durchaus mehrere Minuten dauern kann, bevor es überhaupt losgeht. Und dann sagt der Erzähler nicht einmal Bescheid, wann es so weit ist. So muss man zwei Minuten Gelaber ertragen, bei dem man nichts machen darf als über die Karte zu scrollen – das nervt. Ein Hinweis auf die "Return-Taste", die zum Überspringen dient, fehlt übrigens. Eine simple "Start"-Einblendung oder ein "Überspringen-Knopf" wären schön gewesen und wenn wir schon bei schlechtem Spieldesign sind: In einer Mission kann man nicht speichern, Checkpoints fehlen ebenso.

Defenders of Ardania ist keine reine Tower Defense wie Defense Grid, Sol Survivor oder Plants vs. Zombies, sondern lässt euch offensiv den Gegner attackieren - das ist allerdings keine Neuheit, denn das Prinzip ist aus vielen anderen (kostenlosen) Spielen oder Mods bekannt. Daher müsst ihr euer Schloss vor den anstürmenden feindlichen Horden schützen und zugleich die gegnerische Festung irgendwie zerstören.

Altbekannte Defensive: Türme

Die Türme der Untoten setzen meinen Flugzwergen, die Bomben auf Türme werfen, ordentlich zu. Lustigerweise darf ich in dieser Karte nur zehn Türme bauen, während der Computergegner über elf Türme verfügt.
Die Türme der Untoten setzen meinen Flugzwergen, die Bomben auf Türme werfen, ordentlich zu. Lustigerweise darf ich auf dieser Karte nur zehn Türme bauen, während der Computergegner über elf Türme verfügt.

Zur Verteidigung eurer Burg baut ihr Türme. Diese können entweder neben den Laufwegen der Feinde errichtet oder direkt auf der Karte gebaut werden, was wiederum die Wege der Gegner beeinflusst. Sogar kleine "Spießrutenläufe" für die Feinde können hochgezogen werden - das finde ich prinzipiell gut. Im Turmbaurepertoire herrscht hingegen Langeweile, da nur altbekannte Vertreter wie Verlangsamungstürme, Anti-Luft-Einrichtungen und Flächenbombardementkatapulte gebaut werden können.

Unfassbar unsinnig ist jedoch das viel zu niedrig angesetzte Baulimit auf den Karten: Oftmals kann ich nur vereinzelt Türme an bestimmte Stellen pflanzen oder höchstens kleine Grüppchen hochziehen - sogar im Survial-Modus ist die Turmanzahl beschränkt.

Dafür gibt es auf den Karten "strategisch" wichtige Felder, auf denen man einen Turm bauen kann, damit ein Reichweiten- oder Ressourcenbonus erlangt wird. Blöd nur, dass die Computerintelligenz es während der gesamten Testprozedur nicht einmal versucht hat, mir solche wichtigen Positionen (z.B. durch turmzerstörende Einheiten) abspenstig zu machen. Sogar als ich einen feindlichen Turm auf einem Ressourcenpunkt vor seiner Basis weggeblitzt habe und dort ein eigenes Bauwerk hochzog, war dem Gegner das egal. Gleiches gilt für besondere Missionsziele, welche die KI gerne für mich übrig lässt, z.B. das Besetzen von vier Punkten, damit das alte Verteidigungssystem anspringt.

Bescheidene Offensive: Truppen

Zum Angriff blast ihr mit Einheiten der Marke Krieger, Kleriker, Kampfzwerge, Sprinter usw., die sich (wie eure Gegner) einen automatischen Weg zur jeweiligen Feindbasis suchen - ihr dürft zwar einen Wegpunkt setzen, aber das ist oft unnötig. Die Angriffstruppen werden in einem umständlich zu bedienenden Ringmenü ausgewählt und dann auf die Feinde losgelassen. Auf die Zusammenstellung der Einheiten, die über unterschiedliche Attribute wie Laufgeschwindigkeit, Panzerung oder Angriffstärke verfügen, müsst ihr ohnehin kaum achten. Meistens reicht es aus Kleriker zu bauen, denn sie haben viel Leben, fungieren als Tank, Heilen sich selbstständig und sogar die Baukosten halten sich in Grenzen. Fast alle Vorteile in einer Einheit - welch glorreiches Design! Und wenn ihr noch einige turmattackierende Magier oder Flugzwerge ordert, sollte es bis zum Sieg nicht mehr lange dauern. Geschickte Truppenkombinationen aus sich ergänzenden Einheitentypen sind nicht gefragt. Es reicht aus Einheiten-Monokulturen auf den Gegner zu hetzen. Die restlichen Truppentypen sind Kanonenfutter - im wahrsten Sinne des Wortes. 

Mein mobiles Turm-Abrisskommando bestehend aus Zauberern, die von einem magischen Schild beschützt werden, marschiert auf. Gleich gibt's Kleinholz!
Mein mobiles Turm-Abrisskommando, bestehend aus Zauberern, die von einem magischen Schild beschützt werden, marschiert auf. Gleich gibt's Kleinholz!

Daher lässt die Einheiten-Balance zu wünschen übrig und daran ändert auch das Erfahrungssystem nichts. Eure Truppentypen gewinnen an Stärke bzw. Erfahrung, je mehr ihr baut und sobald die dritte Stufe erreicht ist, wird eine Heldeneinheit freigeschaltet. Monokulturen von Truppentypen werden also mit superstarken Einheiten belohnt. Erreichen die Krieger zum Beispiel "Stufe 3" bekommt ihr einen Krieger-Helden. Solche Helden halten viel mehr aus, verbessern oder heilen die Truppen in ihrem Umfeld und richten mächtig Schaden am gegnerischen Domizil an, sofern sie dort ankommen. Apropos verunglückte Balance: Die Abklingzeit eines Helden (nach der Produktion) ist erstaunlich kurz. Ansonsten gibt es noch einige Upgrades zu erforschen (größeres Ressourcenlager, günstigere Türme etc.) und eine äußerst magere Auswahl an Zaubersprüchen: Hauptgebäude reparieren, Gegner verletzen und Türme verbessern. Hier hätten mehr Optionen oder Zauber wirklich gut getan.

Kaum Tiefgang

Massenproduktion führt zum Erfolg: Meine Kleriker überrennen den Gegner. Seine Türme und seine Zaubersprüche sind einfach nicht stark genug, um die sich selbst heilenden Tanks zu erledigen.
Massenproduktion führt zum Erfolg: Meine Kleriker überrennen den Gegner. Seine Türme und seine Zaubersprüche sind einfach nicht stark genug, um die sich selbst heilenden Tanks zu erledigen.

Trotz der Defensiv- und Offensiv-Möglichkeiten ist die Taktik seicht, denn es gibt kaum (sinnvolle) Kombinationsmöglichkeiten und Handlungsoptionen. Oftmals erobert ihr ohne viel Widerstand die strategisch wichtigen Stellen mit Türmen und erringt so die Ressourcenoberhand. Und weil die Computerintelligenz eure eroberten Kartenpunkte nicht angreift und ihr somit mehr Rohstoffe als der Gegner habt, ist ein Sieg nur eine Frage der Zeit bzw. der Zeitbeschleunigung. Mehrere Schwierigkeitsgrade hätten in der Hinsicht sicher geholfen, denn über weite Teile der Kampagne ist es zu leicht - erst viel zu spät, also gegen Ende, zieht die Herausforderung an.

Wesentlich launiger ist da der Suvivial-Modus, bei dem ihr gemeisterte Kampagnen-Karten als pure Tower Defense (also ohne Einheiten) bestreiten könnt und zwar gegen immer stärker werdende Gegnerwellen. Doch auch hier gibt es die blödsinnige Turmbegrenzung, denn irgendwann reichen selbst zehn maximal aufgewertete, sinnvoll platzierte und aufeinander abgestimmte Türme nicht mehr aus, um Welle 45 abzufangen. Dass das Turmlimit mit der Zeit bzw. den Wellen erhöht werden könnte, daran haben die Entwickler wohl nicht gedacht. Stärker überzeugen kann das Spiel im Mehrspieler-Modus, da es drei "unterschiedliche Fraktionen" gibt und Matches gegen - hoffentlich schlauer agierende - menschliche Gegner möglich sind.

Umständlich und verschachtelt: Das Benutzer-Interface.
Umständlich und verschachtelt: Das Benutzer-Interface.

Umständliches Interface

Auch wenn die PC-Version komplett ohne nutzbare Buttons auf der Benutzeroberfläche auskommt (lediglich Minikarte und Ressourcenanzeige sind zu sehen), ist die Steuerung längst nicht optimal. Einerseits ist es gut, dass man eine freie Sicht auf das Geschehen hat, aber andererseits ist es viel zu umständlich die vorhandenen Kontextmenüs durchzuklicken, um Türme zu bauen, Einheiten zu ordern oder Upgrades zu erforschen. Das hätte mir mit klassischen Menüleisten viel besser gefallen und sie wären leichter zu bedienen gewesen, ohne die Übersicht zu gefährden. Zudem sind wichtige Funktionen wie "Turmbau-Positionen anzeigen" nur per Hotkey erreichbar und nicht via Schaltflächen im Interface. Auf der 360 sieht es nicht anders aus: Während die zuschaltbaren Filter wie Anzeige der Trefferpunkte etc. auf den Schultertasten liegen, wird das bekanntermaßen suboptimale Digipad wird für die wesentlich wichtigere Offensiv- sowie Upgrade-Auswahl genutzt, was in der Hektik des Gefechts immer wieder für Schwierigkeiten sorgt. Zudem wird die Kulisse, die wahrlich keine hohen Anforderungen stellt, immer wieder von Bildrateneinbrüchen gepeinigt.

Fazit

Wie kann man in diesem Genre so viel falsch machen? Trotz ansehnlicher Kulisse fällt Defenders of Ardania im Vergleich zu Defense Grid, Sol Survivor, Anomaly oder Plants vs. Zombies mehrere Klassen zurück. Die Gründe dafür finden sich u.a. bei völlig belanglosen und niedrigen Limitierungen für Türme & Einheiten sowie einer miesen Balance, weil eine früh verfügbare Einheit alle nötigen Stärken in sich vereint. Hinzu kommt, dass es keine taktische Finesse gibt, da es schlicht zu wenig unterschiedliche Türme, Upgrade-Möglichkeiten, Zaubersprüche sowie Einheiten gibt. Langweilige Monokulturen aus Einheiten führen meist zum Sieg. Das Ganze wird mit einem unvergleichlich umständlichen Benutzerinterface gekrönt und von einer Computerintelligenz überschattet, die zwar über eine ordentliche Wegfindung verfügt, aber ansonsten kaum etwas auf die Reihe bekommt. Ein bisschen besser als die Kampagne ist der Mehrspieler-Modus, da dort die KI-Macken nicht zum Tragen kommen - die Schwächen in der Balance bleiben allerdings. Als eingefleischter Freund von Tower Defense-Spielen hat mich Defenders of Ardania so richtig enttäuscht!

Wertung

360

Grässliche Design-Entscheidungen, kaum taktische Optionen und viel Langeweile - und obendrauf hat man mit Mankos der Pad-Steuerung sowie Einbrüchen der Bildrate zu kämpfen.

iPad

Auch unter iOS zerstört das vermurkste Spieldesign den im Ansatz aufkommenden Turmspaß.

PC

Grässliche Design-Entscheidungen, kaum taktische Optionen und viel Langeweile: Wer auf spannende Tower Defense mit Offensiv-Touch gehofft hat, wird enttäuscht.

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