State of Decay19.11.2013, Jens Bischoff
State of Decay

Im Test:

Knapp ein halbes Jahr nach dem Xbox-360-Original haben Microsoft und die Undead Labs ihre Zombie-Apokalypse nun auch auf den PC ausgeweitet. Was den Überlebenskampf auszeichnet und ob es nennenswerte Unterschiede gibt, klärt der Test.

Abstoßende Fassade

Trotz leichter grafischer Verbesserungen bei Texturen und Effekten ist die von den Undead Labs heraufbeschworene Zombie-Apokalypse auch auf dem PC zunächst alles andere als attraktiv: Ausgelutschtes Szenario, lahme Inszenierung, holprige Technik, schwache Lokalisierung. Doch hinter all den Unzulänglichkeiten und überstrapazierten Klischees verbirgt sich nach wie vor ein überraschend interessanter und taktisch geprägter Überlebenskampf irgendwo im US-amerikanischen Nirgendwo.

Man braucht zwar eine Weile, bis man über die ganzen Pop-Ups, Ruckler, Kollisionsfehler, KI-Aussetzer und andere Macken hinwegsehen kann, aber sobald man seine eigene Basis errichtet und Verantwortung für deren Bewohner übernommen hat, lässt einen der tagtägliche Kampf um Nahrung, Munition sowie andere Ressourcen so schnell nicht mehr los.

Man plündert verlassene Gebäude, hält nach Überlebenden Ausschau, arrangiert sich mit anderen Gruppierungen, versucht den eigenen Stützpunkt auszubauen und die Zombieplage einzudämmen. Es gilt Infektionsherde zu säubern, Dead-Block-ähnliche Belagerungen zu überstehen, umherziehende Horden abzufangen oder besonders gefährliche Einzelexemplare zur Strecke zu bringen. Neben gewöhnlichen Untoten, gibt es nämlich auch solche mit Tobsucht, giftigem Blähbauch, ohrenbetäubenden Schreien oder kugelsicheren Westen.

Kopfsalat

Nach wie vor gilt: Nur ein kopfloser Zombie ist ein guter Zombie.
Nach wie vor gilt: Nur ein kopfloser Zombie ist ein guter Zombie.
Das zur Verfügung stehende Waffenarsenal ist allerdings auch nicht ohne: Vom einfachen Tischbein oder Schraubenschlüssel, über Pistolen und Gewehre unterschiedlichster Kaliber bis hin zu Minen und Granaten aus Armeebeständen ist alles vertreten. Mit der Dead-Rising-Serie kann man es in punkto Waffenvielfalt und -originalität allerdings nicht aufnehmen und auch Waffen-Modifikationen sind leider nur durch begrenzt haltbare Schalldämpfermontagen möglich.

Doch egal, welche Tötungswerkzeuge man verwendet, ein Zombie ist erst tot, wenn sein Hirn Matsch ist. Ob durch gezielte Schüsse, brachiale Finisher oder Überfahren spielt hier  keine Rolle. Letzteres liefert bei ausreichender Geschwindigkeit so gut wie immer das gewünschte Ergebnis, was Fahrzeuge zu einer der wichtigsten Ressourcen überhaupt macht - egal, ob wendiger Kleinwagen, schnelles Coupé oder wuchtiger Jeep.

Schadensbegrenzung

Wer nicht schnell genug ist, riskiert, dass sich Zombies an Fahrzeug und Insassen vergreifen.
Wer nicht schnell genug ist, riskiert, dass sich Zombies an Fahrzeug und Insassen vergreifen.
Doch selbst der dickste Pick-Up-Truck hält nicht ewig und wer zu langsam ist, riskiert durch sich am Wagen festklammernde Zombies nur noch mehr Schäden. Mit abrupten Brems- und Lenkmanövern oder Türschlägen kann man sich ungewollter Mitfahrer aber meist schnell wieder entledigen. Und wer gelernte Mechaniker in seinen Reihen hat und über eine entsprechend ausgebaute Werkstatt verfügt, kann irgendwann selbst Motorschäden wieder in Ordnung bringen. Schade nur, dass es keine Radiostationen mehr gibt, um zu persönlichen Lieblingsklängen Zombiehorden platt zu walzen.

Auch Waffen nutzen sich mit der Zeit ab und sollten bevor sie ganz zu Bruch gehen, repariert oder ausgewechselt, Munitions- und Medizinvorräte gepflegt sowie müde Knochen ausgeruht werden. Jeder befreundete Bewohner lässt sich spielen und verfügt über individuelle Talente und Fähigkeiten, die sich durch steten Gebrauch weiter verbessern lassen: Wer viel rennt und klettert, steigert seine Fitness, wodurch er noch besser rennen und klettern kann. Wer viel schießt, wird irgendwann zum Meisterschützen, wer sich viel prügelt, zur Kampfmaschine, wer viel erkundet und plündert, zum Aufklärungsspezialisten.

Fatale Folgen

Wer stirbt, ist jedoch Weg vom Fenster und kommt auch nicht wieder - selbst die Start-Charaktere sind vor diesem Schicksal nicht gefeit. Einen alten Spielstand kann man nach dem Exitus auch nicht laden, da das Spiel komplett eigenständig speichert - auch im Todesfall. Nur das Marschgepäck Verstorbener kann ähnlich ZombiU anschließend noch geborgen und zum Stützpunkt zurückgebracht werden. Dass man den Tod entsprechend ernst und Bedrohungen nie auf die leichte Schulter nimmt, tut Spannung und Charakterbindung aber gut.

Auch mit Infektionen ist nicht zu spaßen, einen Todgeweihten zu verstoßen oder eigenhändig umzubringen, nicht einfach. Echte Dilemmata wie in The Walking Dead gibt es aber nicht. Bei folgenschweren Entscheidungen hat man eigentlich keine Wahl und sonst geht es fast immer nur darum, ob man einen Auftrag annimmt, ablehnt oder die Entscheidung auf später verschiebt. Teils sind die Folgen vielleicht nicht absehbar, aber in erster Linie geht es darum, Bedrohungen abzuwenden, die Versorgungslage zu verbessern oder die Sicherheit zu erhöhen.

Je größer die eigene Gruppe, desto mehr Optionen stehen einem zur Verfügung. Mit jedem neuen Gast steigt aber auch der Bedarf an Platz, Nahrung und Medikamenten. Irgendwann sind auch die Ausbaukapazitäten der Basis erschöpft und man muss sich nach geräumigeren Alternativen umsehen. Zudem können Außenposten und Fallen errichtet werden, um die Zombieplage an bestimmten Stellen zusätzlich einzudämmen. Denn selbst wenn man das Spiel verlässt, ist die eigene Gruppe weiterhin aktiv, und nimmt an simulierte Ereignissen, Einsätzen und Kampfhandlungen teil. Tagebucheinträge bringen einen aber auch nach längerer Auszeit wieder auf den neusten Stand.

Alles im Blick

Die große dynamische Spielwelt kann so manchen anderen Makel durchaus vergessen lassen.
Die große dynamische Spielwelt kann so manchen anderen Makel durchaus vergessen lassen.
Ist man selbst aktiv, wird man über mögliche Missionen und Gefahren stets über Funk informiert. Auch sonst trägt der nicht nur mit Gruppenmitgliedern geführte Funkverkehr zur Verdichtung der Atmosphäre bei. Man selbst tauscht via Walkie-Talkie aber nicht nur Informationen und Nettigkeiten aus, sondern kann je nach Spielfortschritt auch Verstärkung rufen, Hilfsmittel anfordern oder Bauentscheidungen treffen.

Praktisch ist auch die interaktive Kartenfunktion, auf der alle wichtigen Ereignisse und Entdeckungen eingetragen werden oder manuelle Zielpunkte setzen lassen. Abgesehen von story-relevanten Missionen sind die meisten Einsätze zeitlich nur begrenzt verfügbar und können bei Nicht-Annahme herbe Konsequenzen haben. Wer zu lange Vermisstenmeldungen ignoriert, riskiert z. B. den Tod der Betroffenen, was sich wie andere Fehlschläge auch auf die Moral der Gruppe auswirkt.

Doch auch andere Parameter wie Einfluss, Ausdauer und Ansehen gilt es stets im Auge zu behalten, Verletzungen und Müdigkeit darf man ebenfalls nicht ignorieren. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Entscheidung, Dinge schnell und laut oder langsam und leise zu erledigen. Egal, ob beim Kämpfen, Plündern, Fahren, Klettern oder Erkunden - man entscheidet selbst, ob man unnötige Auseinandersetzungen riskieren oder lieber meiden will. Leider sind die Resultate aber nicht immer überzeugend, da die KI ihre Höhen und Tiefen hat. Auch die deutsche Lokalisierung ist fehler- und lückenhaft.

Luft nach oben

Die Kollisionsabfrage ist ebenfalls von sehr durchwachsener Qualität und kann selbst zigmal überwundene Bordsteinkanten oder Treppenstufen plötzlich zu unüberwindbaren Hindernissen machen, während auf der anderen Seite selbst dicke Mauern oder geschlossene Türen einfach durchschritten werden. Die große dynamische Spielwelt macht das aber meist schnell wieder wett. Trotz nach wie vor sehr grobschlächtiger Grafik sowie haufenweise Pop-Ups und Clippings gibt es wirklich ungemein stimmungsvolle Stellen und Momente. Vor allem in der Dämmerung entwickeln viele Schauplätze ihren eigenen Charme. Zudem entdeckt man immer wieder neue Orte, Besonderheiten und Details - selbst mitten in der Pampa.

PC-User dürfen neben dem Controller auch zu Maus und Tastatur greifen, eine freie Tastenbelegung wird's aber erst mit dem nächsten Update geben. Schade ist auch, dass es keinerlei Mehrspielerkomponente gibt. Gemeinsame Beutezüge oder Verbarrikadierungen mit Freunden oder Tauschgeschäfte und Rivalitäten mit von anderen Spielern geführten Gruppen hätten dem ohnehin nur mit spärlichen Handlungsfetzen und zahmen KI-Nachbarn versehenen Überlebenskampf noch mehr Dynamik und Brisanz verleihen können. Immerhin haben die Undead Labs neben einem ersten DLC (Breakdown) auch bereits einen Online-Ableger in Aussicht gestellt.

Fazit

Auf den ersten Blick ist State of Decay auch auf dem PC ein ungemein hässliches und trashiges Zombiegemetzel von der Stange ohne nennenswerte Verbesserungen. Lässt man das ausgelutschte Szenario, die schwache Inszenierung und die nach wie vor grottige Technik jedoch außen vor, entdeckt man dahinter einen nteressanten und facettenreichen Überlebenskampf mit gelungenen Kampf- und Erkundungsreizen sowie motivierendem Basisbau und Ressourcen-Managment. Auch die große dynamische Spielwelt wird immer attraktiver, während die Gefahr unwiederbringlicher Opfer und tödlicher Infektionen trotz schwachbrüstiger Handlung und schludriger Lokalisierung für dichte Atmosphäre sorgt. Allerdings kann man nicht über jeden Makel so einfach hinwegsehen - gerade KI und Kollisionsabfrage sorgen immer noch regelmäßiges für Kopfschütteln. Am bedauerlichsten ist aber wohl die ungenutzte Möglichkeit, mit anderen Spielern zusammen ums Überleben zu kämpfen oder angesichts immer knapper werdender Ressourcen gar miteinander zu konkurrieren - eigene Pläne für einen Online-Ableger gibt es aber bereits.

Pro

große, dynamische Spielwelt
motivierende Stützpunktpflege
dichte Atmosphäre
facettenreiche Aufgaben
aktiv trainierbare Fertigkeiten
passable Fahrphysik

Kontra

maue Story
durchwachsene KI
grobschlächtige Grafik
keinerlei Mehrspieler-Optionen
fehler
& lückenhafte Lokalisierung
(noch) keine freie Tastaturbelegung

Wertung

PC

Interessanter und facettenreicher, aber nach wie vor auch recht holpriger Überlebenskampf im amerikanischen Hinterland.

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