A Game of Thrones: Genesis13.10.2011, Bodo Naser
A Game of Thrones: Genesis

Im Test:

A Game of Thrones: Genesis (ab 5,50€ bei kaufen) ist das erste Strategiespiel in der mittelalterlich angehauchten Welt aus der Feder von George R.R. Martin, die u.a. bereits Vorlage für ein Rollenspiel, ein Sammelkartenspiel sowie eine erfolgreiche HBO-Fernsehserie war. Wird der Echtzeit-Erstling von Cyanide der literarischen Vorlage gerecht?   

Ist das noch Fantasy?

Ein Drache muss sein. Trotz realitischen Ansatz kommen auch  Fabelwesen vor.
Ein Drache ist obligatorisch. Trotz realistischem Ansatz kommen auch Fabelwesen vor.

Was unterscheidet George R.R. Martin von J.R.R. Tolkien? Die Herren von Winterfell stellt eine realistischere Variante der Fantasy dar, die eher sparsam mit dem übersinnlichen Element umgeht, was sich wiederum auf den Einsatz von Magie auswirkt. Wo in Mittelerde Fabelwesen wie Elben, Zwerge oder Orks miteinander ringen, prallen im Königreich Westeros Ritter und Barbaren aufeinander. Wenn bei Tolkien Gandalf seinen Zauberstab schwingt, geht es bei Martin um den Machtkampf der rivalisierenden Herrscherhäuser. So liest sich Letzterer eher wie ein fiktiver historischer Roman, der dem geschichtlich Interessierten seltsam vertraut wirkt, während der Professor aus Oxford uns in eine fremde Welt eintauchen lässt. Bei allem gebotenem Realismus – wo Fantasy draufsteht, sollte auch Fantasy drin sein, was für mich Magie, Mythen und Monster einschließt.

In diesem Bereich zeigt sich A Game of Thrones: Genesis konsequent und nah an der Vorlage, denn auch hier kommt Zauberei allenfalls als Randphänomen vor. Stattdessen geht es um Handfesteres, auch wenn es in der sagenumwobenen Vorzeit Westeros spielt: Zunächst ist man bei der Landung der Kriegerkönigin Nymeria dabei, die weit vor den Ereignissen aus der Winterfell-Saga angesiedelt ist. Statt Einhörner, Greife oder Warge führt man normale mittelalterliche Soldaten ins Feld, in deren Reihen auch Ritter, Fußkämpfer oder Bogenschützen zu finden sind. Einzig ein Drache darf nicht fehlen, den man im Lauf der Kampagne bekämpfen muss. Leider wird die Geschichte nicht sonderlich opulent präsentiert -  es gibt z.B. abseits des Intros keine weiteren Videos, die das epische Geschehen illustrieren könnten. So wirkt das Design weitgehend schmuck- und ideenlos; die Schiffe der Nymeria orientieren sich an antiken griechischen Vorbildern.

Feldzug um Westeros

Die Kampagne beginnt mit der Landung Nymerias, deren Boote griechisch aussehen.
Die Kampagne beginnt mit der Landung Nymerias, deren Boote griechisch aussehen.

Die Kampagne ist kaum mehr als eine endlose Aneinanderreihung von Schlachten, die im Jahr minus 700 beginnt und sich bis zur Invasion der Wildlinge zieht. In jeder Mission geht es um Macht und Einfluss auf der jeweiligen Karte, wofür man nicht nur kämpfen kann. In erster Linie kommt es auf den fast schon exzessiven Einsatz von Bündnissen an, die offen oder geheim sein können. Man schickt einen Gesandten in eine fremde Stadt, der diese dann auf seine Seite bringt. Dann schickt einem der Verbündete regelmäßig Geld, auf das man angewiesen ist, da es die einzige Finanzquelle ist. Alles recht simpel – allerdings kann der Spieler nie genau wissen, ob eine Stadt nun wirklich auf seiner Seite ist. Der Feind kann nämlich Geheimabkommen schließen, die unser Bündnis unterminieren. Einzig ein Blutsbündnis ist etwas stabiler, da es mittels Ehe geschlossen wird.

Dieses Schließen von Bündnissen ist das einzige Mittel, um an neue Städte zu kommen, da man diese nicht gründen kann. Die Zahl der Städte, Burgen und Minen ist stark begrenzt und man muss meist eine bestimmte Anzahl in seinen Einflussbereich bekommen, um zu gewinnen. Da man keine neuen Gebäude bauen kann, sind die Ausbaumöglichkeiten für ein Echtzeit-Strategiespiel zu begrenzt, so dass unter dem Strich alle Missionen weitgehend identisch ablaufen und sich meist nur in der Anzahl der zu erobernden Städte unterscheiden. Es gibt aber die Möglichkeit, die Einheiten auszubauen, um sie zu verbessern.

Ringen der Spezialisten

Ein Vielzahl von Einheiten durchkämmen das Land, von denen die wenigsten Krieger sind.
Eine Vielzahl von Einheiten durchkämmen das Land, von denen die wenigsten Krieger sind.

Mangels gescheiten Aufbaus sind die Einheiten Dreh- und Angelpunkt des wenig innovativen Strategiespiels. Es gibt an die 25 nicht militärische, kämpfende und Armeeeinheiten, die man in der Kampagne erst nach und nach freischaltet. Anders im freien Spiel, wo man von Beginn an mehr hat, da man sich der Rivalen erwehren muss. Dann kann man etwa Bauer, Attentäter oder Söldner ausheben, die unterschiedliche Aufgaben haben. Der Attentäter etwa sorgt dafür, dass feindliche Gesandte getötet werden. Das kann wichtig sein, wenn diese versuchen, eine verbündete Stadt auf deren Seite zu ziehen. Ein Spion kann geheime Abkommen schließen, die dann unbemerkt bleiben, da nur er sie sehen kann. Ein feindlicher Schnüffler kann die Sache enttarnen, was meist in einem Hin und Her der Grenzorte mündet, das auf Dauer ermüdet.

Auch der Einheitenausbau sorgt nicht für mehr Abwechslung. Zwar sind  die Aufrüstungen wie etwa Belagerungsfähigkeit für Infanterie sinnvoll, aber sie sind auch viel zu leicht erreicht. Darüber hinaus gibt es nichts zu erforschen, weshalb Genesis auch in diesem Bereich schnell ausgereizt ist. Im freien Spiel, wo man eines der acht Häuser kommandiert, kann man immerhin für jedes Haus Spezialeinheiten ausheben. Der Maester der Tyrell kann z.B. Einheiten innerhalb eines Wirkungskreises heilen. Wer eine gute Leibwache für den Fürsten sucht, sollte sich den Hauptmann der Garde kaufen, den aber nur die Baratheon haben, was übrigens einer der wenige Punkte ist, wo sich die Adelshäuser mal wirklich unterscheiden. Sonst spielen sie sich recht ähnlich, auch wenn die Lannister gute Händler sind.

Spärlicher Militäreinsatz

Im Spiel sind kriegerische Auseinandersetzungen nur ein Teil.
Im Spiel sind kriegerische Auseinandersetzungen nur ein kleiner Teil, der zudem wenig ausgefeilt ist.

In der Geschichte Westeros, wie sie das Spiel erzählt, sind die ganz großen Schlachten eher selten, da es sich meist um Scharmützel kleinerer Truppenverbände handelt. Man bekämpft ein paar versprengte Einheiten des Feindes mit gekauften Söldnern, weil diese den eigenen Nachschub an Geld bedrohen. Mit Söldnern kann man auch wunderbar feindliche Gesandte bekämpfen, für ein gescheites Gefecht sind sie nur bedingt geeignet. Zudem sind einige der militärischen Einheiten wie die Gardisten gar nicht für richtige Vorstöße gemacht. Deren Aufgabe ist der Schutz der eigenen Städte, da sie Geheimaktionen verhindern, indem sie feindliche Spione der Stadt verweisen. Wachen können sogar Aufstände bekämpfen, die von Brandlegern initiiert werden.           

Ihr volles militärisches Potenzial schöpfen einzig die Armee-Einheiten aus, da nur sie belagern dürfen. Hier kämpfen Pikeniere, Reiter oder Armbrustschützen gegeneinander, wobei die Speerträger gegen Reiter effektiv sind. Teuerste Einheit sind die Ritter, die aber nur im offenen Gelände gut sind und bei Belagerungen nix taugen. Die Belagerung läuft ebenfalls nach Schema F ab. Katapulte, Belagerungstürme oder ähnliches typisches Gerät sucht man vergeblich. Obschon der Anführer die Leute motiviert und notfalls heilt, ist das doch wenig ausgefeilt für eine Welt, die in der Romanvorlage derart kriegsversessen ist.

Haus gegen Haus online

Obwohl nicht das Gelbe vom Ei, bietet der Modus mit den rivalisierenden Herrscherhäusern die Möglichkeit, die weite Welt herauszufordern: Bis zu acht menschliche Fürsten können online ihr Reich vergrößern, Bündnisse schließen oder Geheimaktion starten. Neben dem normalen Haus vs. Haus gibt es auch ein Ranglistenspiel, bei dem es um die Wurst geht. Hier hat man allerdings schon jetzt kurz nach Release das Problem, Mitspieler zu finden, denn A Game of Thrones ist nicht gerade ein Magnet der Multiplayerszene. 

Bugs im Fantasyland

Trotz zweier Patches ist A Game of Thrones weit davon entfernt, fertig zu sein. Im Steam-Forum klagen nicht wenige über unvermutete Abstürze, abgebrochene Starts und Fehler, die teilweise nachvollzogen werden konnten. Die Probleme gehen schon beim Runterladen des letzten Updates via Steam los: Das geht nur, wenn man zuvor die Download-Funktion an und aus macht. Wer nicht auf diese Idee kommt, kann bis zum Ende Westeros warten, bis sich mal etwas tut und die Anzeige, dass das Spiel derzeit nicht verfügbar sei, sich in Luft auflöst.

Fazit

George R.R. Martins Winterfell-Saga hätte eine bessere Spielumsetzung verdient, denn die Echtzeit-Strategie von Cyanide ist weitgehend einfallslos. Das Spiel will zwar die mythische Vorgeschichte von Die Herren von Winterfell erzählen, was wie im Roman einen realistischen Ansatz ohne ständige Magie verfolgt, aber die Kampagne wird schnell öde. Es fehlt u.a. am nötigen Tiefgang, den ein Spiel um mittelalterliche Ränke haben sollte. Obwohl man Bündnisse und Geheimaktionen starten kann, laufen die Missionen fast immer ähnlich ab und es gibt nicht einmal freies Speichern. Die Langeweile ist so auch im freien Modus vorprogrammiert, wo man immerhin mehr Freiheit beim Vorgehen genießt. Zudem ist A Game of Thrones: Genesis einfach nicht wuchtig genug inszeniert, da etwa epische Zwischensequenzen, blutiges Gemetzel oder Schlachtszenen wie im Buch fehlen. Stattdessen bietet es nur ein schematisches Einerlei mit einem wenig inspirierten Artdesign. Für ein Spiel, das in einer Welt spielt, die derart kriegerisch ist, ist es zudem nicht so militärisch, wie man erwarten würde. Es gibt nur eine Hand voll echte Kriegseinheiten, deren Handhabung kaum Überlegung erfordert. Zu guter Letzt wird das Spiel von Abstürzen und Hängern geplagt. Cyanide sollte sich daher lieber wieder um die Radsportler kümmern, anstatt maue Strategie von gestern abzuliefern.               

Pro

Vorgeschichte zur Winterfell-Saga
realistischer Ansatz
Machtkampf der Herrscherhäuser
Bündnisse schließen
Spione und Geheimaktionen
jederzeit pausieren

Kontra

einfallsloses Prinzip
sehr einheitenlastig
Häuser spielen sich ähnlich
maue Kriegführung
kaum Gebäude
keine Zwischensequenzen
nur festen Speicherpunkt
allerhand Bugs
nicht opulent genug

Wertung

PC

Die Winterfell-Saga wird hier als Echtzeit-Einheitsbrei verwurstet.

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