Kehrmaschinen-Simulator 201101.04.2011, Mourad Zarrouk
Kehrmaschinen-Simulator 2011

Im Test:

Alltagssimulationen werden häufig als Software-Müll bezeichnet. Bedauerlicherweise oft zu Recht. Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Handelt es sich ausgerechnet beim Kehrmaschinen-Simulator 2011 (ab 4,99€ bei kaufen) um  ein positives Beispiel oder ist der Name Programm?

Orange ist nur die Müllabfuhr

Im Hof der Stadtreinigung wird der Dreck ausgelehrt
Als freier Unternehmer schlüpfe ich in orange Montur, um die Straßen der fiktiven Stadt "Sauberhausen" rein zu halten. In einem kurzen Tutorial werde ich mit der Kehrmaschine vertraut gemacht: Es wird mir erklärt, wo ich tanken, den Wassertank auffüllen lassen  und den Schmutzbehälter entleeren kann. Außerdem weist man mich in die Funktionsweise und Bedienung der drei Kehrbürsten ein. Im Anschluss wartet im Büro auch schon mein erster Auftrag: Der Rinnstein einer Hauptstraße soll in beiden Fahrtrichtungen von Unrat gesäubert werden - es winken 1000 Euro!  Also nicht lang gefackelt und ran an den Dreck.

Sauberhausen soll sauberer werden

Praktischerweise befindet sich die Straße direkt in der Nachbarschaft des Hofes der Stadtreinigung, so ist die Anfahrtzeit schnell überbrückt.   Sauberhausen ist  eine ansehnliche Kleinstadt und kann neben einem Stadtkern auch mit  Außenbezirken, Industrie- und Messegelände sowie eigener Autobahn glänzen. Natürlich ist das kein "Liberty-City", aber sehr viel größer als in diesem Genre üblich und auch deutlich umfangreicher als New York im "City Bus Simulator 2010 " vom selben Entwickler. Detailliert und ansehnlich war die Spielwelt auch schon damals, doch bewegten sich die Passanten seinerzeit nicht. Diese überfällige Korrektur wurde mittlerweile vollzogen: Überall staksen Männlein und Weiblein entlang der Bürgersteige oder an  zahlreichen Ampeln vorbei. Allerdings passiert nichts, wenn ich so einen Passanten mit meiner Kehrmaschine umfahre. Auch rote Ampeln darf ich ohne Sanktionen "überfahren". In New York gab es dafür   zumindest noch ein Blitzerfoto mitsamt  (wenn auch folgenlosem)  Bußgeld. Ist Sauberhausen also eher ein Anarchohausen? Egal: Dieser Rinnstein sieht schlimm aus und schreit nach dem Einsatz meiner drei Bürsten!  

Spielen, was andere arbeiten

Des Straßenkehrers ganzer Stolz: Sein Fuhrpark.
Flugs die Warnleuchte aktiviert, die Bürsten ausgerichtet, eingeschaltet und schließlich noch die Wasserdüsen zugeschaltet. Mit etwa 20 Kmh (also sehr laaaangsam) juckele ich die Straße am Bord/Rinnstein erst hinauf und dann in entgegengesetzter Richtung gegenüber wieder herunter. Dabei muss ich lediglich darauf achten, die Bürsten immer dicht an der Bordsteinkante zu halten und nicht zu schnell zu werden, denn einen Tempomat gibt es  nicht. Das ist auch schon alles: Keine parkenden Autos, die ich umfahren muss, keine Passanten, die sich durch den Wasserstrahl belästigt fühlen, nicht mal hupende oder drängelnde Verkehrsteilnehmer hinter mir. Insofern also doch  eher "Musterhausen"? Dadurch bleibt das Ganze  recht anspruchslos und eintönig. Irgendwann  gegen Ende des Auftrages erscheint dann die erlösende Nachricht, ich könne nun im Büro eine Rechnung stellen. Wie sich das für einen städtischen Bediensteten gehört, lasse ich natürlich umgehend "den Hammer fallen", schalte also die Bürsten aus, fahre sie wieder hoch und heize was die Karre hergibt (45 Kmh)  zurück zum Büro. Dort stelle ich meine Rechnung und suche mir den nächsten Auftrag aus. Damit ist zum Spielablauf schon alles gesagt.        

Kommt da noch was?

Artig warten die Autofahrer Sauberhausens bis die Stadtreinigung fertig ist mit der Arbeit.
Hin und wieder muss meine Kehrmaschine mit Wasser und Kraftstoff betankt werden und der Müllbehälter will auch geleert werden. Außerdem bekomme ich schon sehr  früh Zugriff auf die zwei weiteren (größeren) Kehrfahrzeuge.

Damit kommt dann nochmal ein wenig Abwechslung ins Spiel, aber es ändert sich nichts Gravierendes. Meistens sind Straßen zu reinigen, manchmal auch Plätze und Wege, das war's. Technisch und optisch wird das alles solide inszeniert. Insbesondere die zahlreichen Nachteinsätze können sich sehen lassen: Wenn der  "Bürstenscheinwerfer" seinen  Lichtkegel auf meinen Arbeitsplatz  wirft und die Warnleuchte die unmittelbare Umgebung in oranges Licht taucht, kommt sogar kurzzeitig so etwas wie "Stimmung" auf.

Scheibenwischer...aber niemals Regen

Dank "Bürstenkamera" hat der Dreck keine Chance!
Auch die Geräuschkulisse ist glaubwürdig und authentisch. Aber warum gibt es keinerlei Sprachausgabe? Warum kein Radio? Man kann es sehen, aber nicht einschalten. Hat die Stadtreinigung Sauberhausen ihre GEZ-Gebühren nicht bezahlt?

Und Wetterwechsel? Es gibt zwar funktionierende Scheibenwischer, in Ermangelung von Regen, kommen diese aber nie zum Einsatz - das hat schließlich schon beim City Bus Simulator  funktioniert! Oder liegt Sauberhausen in der Sahelzone? Was ich aber schmerzlich vermisse, sind Dinge wie "Identifikation mit meiner Spielfigur" oder "Hintergrundgeschichte". Nach den löblichen Ansätzen in den letzten Spielen macht TML hier wieder einen klaren Rückschritt. Mein Alter Ego hat nicht einmal einen Namen, geschweige denn ein "Leben". Arbeit bestimmt seinen Alltag...es gibt nichts außer Arbeit, Arbeit, Arbeit. So ein bedauernswertes  Leben mag ich nicht mal spielen.    

Fazit

Wie zu erwarten war, inszenieren die  TML - Studios hier  eine grundsolide Simulation, die diesen Namen auch verdient. Von der  individuellen Einstellmöglichkeit jedes der vier Außenspiegel bis zur optional zuschaltbaren Hinterachsenlenkung - an nahezu jedes (technische) Detail wurde gedacht. Daher lassen sich die fehlenden Fahrzeuglizenzen verschmerzen. Auch die Tag-Nachtwechsel sowie die architektonisch ansehnliche und große Spielwelt können punkten. Was allerdings fehlt, ist eine lebendige Atmosphäre:  Die Passanten bewegen sich monoton wie Roboter. Kinderwagen? Haustiere? Rad oder Motorradfahrer? Alles Fehlanzeige und so wirkt die Spielwelt zu steril.  Mit meiner Figur kann ich mich noch viel weniger identifizieren als mit  Carlos im City Bus Simulator. Dort wurde um die Aufträge eine Geschichte gesponnen und auch bei Titanic - Der Tauchfahrt-Simulator gab es eine rudimentäre Story. Hier spule ich einen Auftrag nach dem anderen ab und verrichte einfach meine Arbeit. Auch unternehmerisch (ich bin ja offiziell selbständig) werde ich nicht gefordert. Diese Simulation macht also einige Schritte nach vorn, aber auch viele zurück und bleibt damit entwicklungstechnisch stehen, wenn auch auf vergleichsweise hohem Niveau , denn der Kehrmaschinen-Simulator ist trotz aller inhaltlichen Schwächen aktuell eine der solidesten Berufssimulationen am Markt.

Pro

leicht zugängliches Spielprinzip
technisch solide Umsetzung
recht große Spielwelt...
zahlreiche Kameraperspektiven
Tag/Nachtwechsel
realistische Betriebsgeräusche

Kontra

recht kurze Spieldauer
keinerlei Storyelemente
… die allerdings sehr steril wirkt.
keine freies Speichern
ein Lied in Dauerschleife
keine Wetterwechsel
keine Sprachausgabe
mitunter Physik-Aussetzer
monotoner Auftragsablauf
kein echter Wirtschaftsteil
kein Schadensmodell
keinerlei Sanktionen für Verkehrsdelikte

Wertung

PC

Technisch grundsolider Berufssimulator - als Schulungssoftware für künftige Straßenreiniger bestens geeignet, spielerisch jedoch nur ein ausreichendes Vergnügen.

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