Midnight Club II11.07.2003, Paul Kautz
Midnight Club II

Im Test:

Der PC, so besagt ein ausgesprochen hartnäckiges Klischee, ist nur für Punkt-und-Komma-genaue Simulationen zu gebrauchen, konsolige Arcade-Racer seien da fehl am Platze. Electronic Arts´ Need for Speed-Reihe zeigt seit Jahren, dass das Quatsch ist, jetzt drängt auch Take 2 nach vorne - kann Midnight Club 2 der mächtigen Konkurrenz den Auspuff zeigen? PS2- und Xbox-Spieler hatten bereits vor zwei Monaten das Vergnügen, unsere Review durchleuchtet die PC-Version.

Eingebrannter Gummi

Paris, Mitternacht. Auf den Straßen ist es ruhig, bis auf einige Pendler und Nachtschwärmer ist niemand unterwegs. Fern nähert sich ein bedrohliches hohes Brummen. Es gewinnt an Lautstärke, Intensität, und vor allem Nähe.. was ist das? Auf einmal quietschen Reifen, als drei hochglanzpolierte Sportwagen um die Ecke schliddern, und mit Vollgas an uns vorbeiheizen. Das Ganze ist ebenso schnell vorbei wie es begonnen hat, ein Moment der Ruhe setzt ein - lediglich unterbrochen durch einen jaulenden Polizeiwagen, der sich bemüht mitzuhalten, gegen die Raser aber offensichtlich unterlegen ist.

Wer zufällig gerade im Kino »2 Fast 2 Furious« gesehen hat, weiß worum es in <4PCODE cmd=DGFLink;name=Midnight Club 2;id=4308> geht: illegale Höchstgeschwindigkeits-Straßenrennen in hochgezüchteten Rennmaschinen durch drei weltbekannte und realistisch nachgebildete Metropolen. Ihr habt die Wahl entweder im Karriere-Modus immer härtere Rennen um immer bessere Karren zu fahren, oder die Städte, sofern sie schon freigespielt sind, ganz gelassen im Arcade-Modus zu erkunden. Angesichts der schieren Größe der Metropolen und ihrer unzähligen Abkürzungs-Möglichkeiten empfiehlt sich letztere Variante zuerst, um wenigstens einen groben Überblick zu gewinnen.

__NEWCOL__Raser in der Dunkelheit

Habt Ihr einige Zeit im Arcade-Modus verbracht, steht die Karriere auf dem Programm. Ihr springt in Eure mäßige Startmaschine und trefft auch gleich auf den ersten Kontrahenten. Bevor es auf die Strecke geht, folgt noch ein kleiner Monolog seitens Eures Gegners, der zuerst in Gedanken mit sich und dann gut hörbar mit Euch redet. Hat er oder sie seine bzw. ihre Beleidigung losgelassen, geht es auch fast schon los - nur eine lange, Ladezeiten-bedingte Pause trennt Eure Gürtelreifen noch von dem Asphalt der Ehre.

Die Rennen laufen meist gleich ab: Ihr müsst entweder als Erster alle Checkpunkte abklappern, oder einen Rundkurs schnellstmöglich beenden. Habt Ihr das geschafft, gehört der Wagen Eures Widersachers schon fast Euch - in den meisten Fällen folgt noch ein weiteres Rennen, bevor der Gewinn eingestrichen werden kann. Glänzt der neue Hobel in Eurer Garage, steht er ab sofort auch im Arcade-Modus zu Wahl. Habt Ihr das Rennen hinter Euch gebracht, steht es Euch frei, gleich die nächste Herausforderung zu suchen, oder erst mal durch die Stadt zu gondeln. Verlangt es Euch dann wieder nach etwas verbranntem Gummi, werft Ihr einfach einen Blick auf die stets eingeblendete (und auch vergrößerbare) Mini-Map, die neue Herausforderungen als rote Pfeile markiert. Ihr fahrt hin, lichthupt die jungen Raser an, und folgt Ihnen, bis sie bereit sind, sich mit Euch anzulegen. Im Rennen seid Ihr dann selten nur zu zweit unterwegs, meist mischen noch andere Piloten mit.

Need for Speed in schnell

Midnight Run 2 ist ein Arcade-Racer reinsten Wassers und bietet daher ein super-simples Schadensmodell, das das Fahrverhalten nicht beeinflusst sowie eine schön vereinfachte Steuerung, die mit einem Analog-Pad am besten funktioniert - die Tastatur ist etwas zu ungenau. Ihr könnt die Gewichtsverteilung des Wagens im Flug kontrollieren, um sicher zu landen, mit einem Burnout schneller starten oder den Windschatten vorausfahrender Fahrzeuge ausnutzen. Sobald Motorräder ins Spiel kommen, verkompliziert sich die Sache ein wenig: hier gewinnt der Gewichtstransfer erheblich an Bedeutung, schließlich kommt Ihr damit schneller (und meist sogar ohne Einsatz der Bremsen) um Kurven, könnt Wheelies machen (und damit sogar über Autos drüberfahren) und den Kopf senken, um schneller zu fahren. All diese zusätzlichen Features werden im Spiel per eingeblendetem Video erklärt, und bedürfen einiger Übung, sind die Extra-Arbeit aber wert. Später kommt man ohne sie nämlich gar nicht mehr aus.

Schon die Konsolen-Fassungen stellten den unerfahrenen Spieler schnell vor Probleme, die PC-Fassung bleibt dieser Tradition treu. Denn obgleich der Schwierigkeitsgrad etwas entschärft wurde, werden die Rennen sehr schnell sehr hart, und erfordern neben eisenharter Konzentration auch völlige Beherrschung der eigenen Maschine. Die Gegner werden im späteren Spielverlauf unbarmherzig und fahren sehr präzise, so dass ein größerer Fahrfehler das Gewinnen praktisch unmöglich macht - netterweise kann jedes Rennen beliebig oft neu gestartet werden. Falls Ihr mit einem bestimmten Vehikel trotzdem kein Land seht, könnt Ihr jederzeit den fahrbaren Untersatz wechseln.

__NEWCOL__Urbane Straßenrituale

Wie bereits erwähnt, braust Ihr durch realistisch nachgebildete Teile von Los Angeles, Paris und Tokio - Stadtkundige werden tatsächlich Straßenzüge und typische Gebäude wiedererkennen. Die Entwickler verwendeten viele echte Foto-Texturen, um die Metropolen so "echt" wie möglich darzustellen. Und wenngleich die Ladezeiten lang sein mögen - im Spiel wird nicht ein mal nachgeschaufelt, die gesamte Stadt wird im Speicher gehalten! Allerdings werdet Ihr aufgrund der an <4PCODE cmd=DGFLink;name=Burnout 2;id=2968> erinnernden Spielgeschwindigkeit nicht viel davon mitbekommen, außerdem spielt das Geschehen logischerweise nur zwischen der späten Abend- und der frühen Morgenstunde, lässt also nicht viele Möglichkeiten zum Sightseeing. Dafür entwickelt Ihr mit der Zeit einen um so besseren Blick für die ungeheure Detailfülle des Spiels: die glänzenden Wagen spiegeln die echte Umgebung, das (optische) Schadensmodell lässt die Scheibe langsam zerbröckeln oder den Spoiler wegfliegen, umgerempelte Straßenlaternen ziehen sprühende Funkenregen hinter sich her. Falls Ihr es mit dem Rammen übertreibt, erhellt eine gigantische Explosion das Nachtleben - aber keine Bange, eine Sekunde später steht Ihr wieder putzmunter auf der Straße.

Sehr gelungen sind auch die gescripteten Ereignisse, die beispielsweise dafür sorgen, dass Euch der Atem stockt, wenn bei Höchstgeschwindigkeit plötzlich ein Truck direkt vor Euch aus einer Seitenstraße brummt. All das bekommt Ihr aus fünf Perspektiven zu sehen, von denen vier Euren Wagen von außen zeigen, und eine sehr knapp über der Straße liegt, und damit noch mehr Rasanz ins Spiel bringt. Sehr gelungen sind auch die Konterfeis Eurer Widersacher, die comic-mäßig modelliert und cool animiert für gute Stimmung sorgen: ob gutherziger Fettklops, Tuning-Freak oder Raser-Tussi mit Papageienschaukeln am Ohr, die Charakter-Auswahl könnte nicht unterschiedlicher sein.

Mitten durch die Scheibe

Wer sich unter Midnight Club 2 immer noch ein normales Straßenrennen vorstellt, sollte ganz schnell umdenken: gegnerische Fahrzeuge werden gerempelt, ausgebremst und in andere Fahrzeuge oder Wände gedrückt - natürlich scheuen sich auch Eure Widersacher nicht, durch diese Methoden zum Sieg zu gelangen. Darüber hinaus haltet Ihr Euch nicht immer auf regulären Straßen auf, die Rennen gewinnt Ihr am ehesten, indem Ihr die etlichen mehr oder weniger offensichtlichen Abkürzungen nutzt: da werden Treppen zu Sprungschanzen, da geht es (wie in »Blues Brothers«) mitten durch ein Gebäude oder eine Gartenanlage. Auf normalem Asphalt müsst Ihr Euch nicht nur mit dem normalen Straßenverkehr und gelegentlichem Regen, sondern auch mit der Polizei herumschlagen, die naturgemäß wenig Toleranz gegenüber mitternächtlichen Straßenrowdies hat.

Die insgesamt 28, nicht auf realen Vorbildern basierenden Fahrzeuge unterscheiden sich nicht nur optisch sehr deutlich voneinander; in Sachen Geschwindigkeit, Handling und Beschleunigung gibt es ebenfalls Unterschiede. Jedes Rennen hat in dieser Hinsicht andere Anforderungen, so dass Ihr Euren Wagen jeweils anpassen, sprich wechseln solltet. Darüber hinaus verfügen einige Autos über begrenzte Nitro-Schübe: diese Turbo-Boosts beschleunigen Euch kurz auf gigantische Geschwindigkeiten, und können somit gerade auf der Zielgeraden spielentscheidend sein.

__NEWCOL__Bombe auf dem Dach

Wem die integrierten Strecken nicht ausreichen, greift zum beiliegenden Editor und bastelt sich seine Wunschstraße eben selbst: mit einfachen Klicks setzt Ihr Start- und Zielpunkt sowie Checkpoints, und könnt Eure Kreation natürlich auch gleich proberasen. Falls Ihr nicht allein unterwegs sein wollt, empfiehlt sich der Multiplayermodus für maximal acht gesellige Raser; via LAN und Internet könnt Ihr normale Rennen fahren, oder auch zu den ausgefalleneren Modi greifen. Capture the Flag befördert das klassische Hol-die-Fahne-Spielprinzip auf vier Räder und macht höllisch Spaß, der »Detonation«-Modus funktioniert ähnlich, nur dass Ihr hier eine empfindliche Bombe befördert. In jedem Fall gibt es im Mehrspielermodus Extras, die Euch beispielsweise mehr Turbo-Schübe oder dem Gegner eine verdrehte Steuerung bescheren. Leider sind weder KI-Raser noch normaler Straßenverkehr zuschaltbar.

Der Soundtrack von Midnight Club 2 passt wie das Profil in den Reifen, und heizt das sowieso schon adrenalintreibende Geschehen noch mehr an: die pumpenden House- und Hip-Hop-Stücke sind gut gewählt und passen hervorragend zum Spiel. Falls Euch die Klänge aus irgendeinem Grund nicht zusagen sollten, könnt Ihr auch eigene Songs im MP3-Format verwenden. Sehr gelungen ist auch die leider nur englische Sprachausgabe, die sich allerdings deutsch untertiteln lässt. Die Motorensounds schließlich bilden das Schlusslicht der Akustik-Abteilung - sie klingen authentisch und gut, aber insgesamt etwas zu dünn.

Fazit


Liebe und Hass: Midnight Club 2 sieht großartig aus, klingt fantastisch, spielt sich klasse und bietet ein exzellentes Rasergefühl. Aber selten habe ich so oft geflucht wie hier, wenn ich wieder und wieder und immer wieder eine Mission neu beginnen musste, weil ich aufgrund eines Fahrfehlers von der Pole Position auf den unbarmherzigen letzten Platz verwiesen wurde. Midnight Club 2 wird sehr schnell sehr hart, die Gegner rabiat, die zu fahrenden Strecken sehr anspruchsvoll. Und dennoch schafft dieses Game etwas, was in einem anderen Fall kaum denkbar wäre: es hält den Spieler bei der Stange. Man sagt sich immer wieder, dass es nicht so schwer sein kann, man verbeißt sich in die Mission, bis man sie schließlich doch schafft - und dann ist der Freudentaumel groß. Die im Spiel versteckte Motivation ist gewaltig und einzigartig, weswegen ich auch gerne über durch Kopfstöße verbeulte Tischplatten und wüste Verwünschungen gegenüber den Entwicklern hinwegsehe. Das Tüpfelchen auf dem Spielspaß-i ist der großartige Multiplayermodus, der endlich mal mehr bietet als ein simples Fahre-alle-Checkpunkte ab. Insgesamt ein mehr als würdiger Konkurrent zu EAs altehrwürdiger Need-for-Speed-Serie - und ein wesentlich frischerer sowieso!

Pro

<li>rasantes Intro</li><li>sauschnelle Grafik</li><li>echtes Environmental Mapping</li><li>gute Lichteffekte</li><li>realistische Straßenzüge</li><li>faszinierende Bewegungsfreiheit</li><li>gute Texturen</li><li>treibender Soundtrack</li><li>eigene MP3-Files verwendbar</li><li>coole Sprachausgabe</li><li>abwechslungsreicher Multiplayermodus</li><li>sehr offenes Missionsdesign</li><li>exzellente Steuerung</li><li>gutes arcadiges Fahrverhalten</li><li>witzige Einleitungs-Animationen</li><li>sehr motivierende Aufgaben</li><li>fordernde KI</li><li>jedes Rennen verläuft anders</li><li>große Vehikel-Auswahl</li><li>praktischer Editor</li>

Kontra

<li>Sprachausgabe nur Englisch</li><li>steil ansteigender Schwierigkeitsgrad</li><li>teilweise frustrierendes Missionsdesign</li><li>lange Ladezeiten</li><li>keine KI im Mehrspielermodus</i><li>dünne Motorensounds</li><li>im Prinzip immer dieselben Aufgaben</li>

Wertung

PC

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