Sengoku22.09.2011, Bodo Naser
Sengoku

Im Test:

Sengoku (ab 9,99€ bei kaufen) lädt zum Machtpoker im alten Nippon. Zeitlich spielt es zwar in derselben Epoche wie Shogun 2: Total War, aber statt blutiger Eroberung  kommt es auch aufs Managen des eigenen Clans an. Kann das Echtzeit-Strategiespiel damit punkten?

Fernöstlicher Flickenteppich

Man muss seinen Clan zum mächtigsten in Nippon machen, um das Land zu einen.
Man muss seinen Clan zum mächtigsten in Nippon machen, um das zerstrittene Land zu einen.

Das Japan des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit war fast ebenso zersplittert wie das zeitgenössische Mitteleuropa. Die eigentliche Macht lag bei den territorialen Adeligen, die eifersüchtig über ihre Pfründe wachten. Einen entscheidenden Unterschied gab es aber, denn in Nippon fehlte ab 1477 ein zentraler Herrscher, den es im Deutschen Reich immerhin noch gab. Im Inselreich folgte ein über 100-jähriger Bürgerkrieg, bei dem einflussreiche Fürsten um die Macht stritten. Diese turbulente Zeit fand schon öfters als Szenario für Strategiespiele Verwendung, zuletzt etwa bei Shogun: Total War 2. Die von Unsicherheit geprägte Epoche nennt sich auch Sengoku, was Zeit der kämpfenden Reiche heißt. Spielziel ist daher die Einigung Japans, wofür man mindestens die Hälfte des Landes kontrollieren muss.

Wie man das von Europa Universalis kennt, auf dem Sengoku letztlich basiert, gibt es verschiedene Startpunkte. Zum einen ist da der Onin-Krieg, der als Beginn der Bürgerkriegszeit gilt. Neben den Hauptgegnern Yamana und Hosokawa kann man auch noch viele kleinere Familien wie die Ouchi nehmen, die über ganz Japan verteilt sind. Natürlich besteht wieder die Möglichkeit, seinen unbekannten Clan zu Macht und Größe zu führen, wie man das von anderen Spielen von  Paradox Interactive kennt, wenn es auch hier mehr ums Ränkespiel geht. Außer dem Onin-Krieg gibt es noch weitere Kampagnen wie den Kanto-Krieg, die alle Ende des 15. Jahrhunderts beginnen, sich aber bis weit ins folgende Jahrhundert ziehen. Sonderlich unterschiedlich spielen sich die Startpunkte aber nicht, wenn man von der Größe des Clans absieht.         

Shogun werden

Man regiert indirekt über den Kronrat, der Anweisungen ausführt.
Man regiert indirekt über den Kronrat, der Anweisungen ausführt.

Man kann die Geschichte Japans verändern, was freilich nicht im Schnelldurchgang zu haben ist. Die Veränderung braucht Zeit, worauf man sich einstellen sollte. Schließlich wird man nicht an einem Tag Shogun, auch wenn sich das Echtzeitspiel beschleunigen und auch pausieren  lässt. Alles beginnt damit, dass man seinen Clan wählt, der auch bereits ein kleines Land hat, das aus Provinzen besteht. Zunächst ist man damit beschäftigt, sein zersplittertes Ländchen auf der Karte zu finden, da die Darstellung aus der Vogelperspektive nicht gerade übersichtlich ist. Hat man den Button für die Heimatprovinz gefunden, kann man sich auch gleich seinen Clan anschauen, der aus Familie und Vasallen besteht. Man spielt das Oberhaupt, das älter wird, heiratet und Nachwuchs bekommt. Zudem erhält man im Laufe seines Lebens mehr Eigenschaften, die positiv oder negativ sein können; eine Verletzung etwa senkt die Lebensgeister.

Jede Person im Spiel verfügt über die Werte für Intrige, Diplomatie und Krieg, die auch der Herrscher besitzt. Dessen Werte hängen aber zusätzlich vom Kronrat ab, der die wichtigsten drei Berater umfasst. Es gibt den Zeremonienmeister, Wachhauptmann und Waffenmeister, die spezielle Aufgaben besitzen. So kann man mit Hilfe des Zeremonienmeisters die Beziehung zu eine anderen Clans verbessern, der Hauptmann kümmert sich um die Anwerbung der Ninjas und der Waffenmeister um die Armee. Doch man muss mit ihrer Verwendung vorsichtig sein, denn hat man einen Berater auf eine Mission geschickt, kann man ihn nicht auch noch auf eine andere schicken. Um sich auch noch um den Ausbau der Dörfer zu kümmern, muss er erst zurückkehren. Gefällt einem ein Beamter nicht mehr, kann man ihn jederzeit entlassen.                  

Freund oder Feind?

Zuckerbrot und Peitsche gilt nicht nur gegenüber Rivalen sondern auch den eigenen Leutemn.
"Zuckerbrot und Peitsche" gilt nicht nur gegenüber Rivalen, sondern auch den eigenen Leuten.

Man sollte immer die Mitglieder seines Clans im Auge behalten, denn sonst kann es vorkommen, dass sich jemand abspaltet. Ob jemand eine Intrige plant, hängt auch davon ab, was er vom Herrscher hält. Jeder Adelige hat eine Meinung zum Herrscherhaus, die sich beeinflussen lässt. Je höher der Wert, desto besser. Wenn aber der Zeremonienmeister nichts von seinem Vorgesetzten hält, sollte man aktiv werden. Er wird vielleicht irgendwann zum Problem, wenn eine ausländische Macht in beeinflusst, um Hochverrat zu begehen. Hier kann einer jener unaussprechlichen Titel helfen, indem man dem Adeligen ein Stück Land gibt. Dafür muss man ihn erst umständlich finden, er bekommt einen neuen Posten, was seine Meinung hebt. Andererseits muss man ihn im Kronrat ersetzen, weil er nur einen Job machen kann.

Was passieren kann, wenn man sich nicht um Untergebene kümmert, merkt man spätestens, wenn man die Meldung über eine Abspaltung bekommt. Man kann entweder akzeptieren, dass sie gehen oder nicht. Letzteres führt unweigerlich zum Krieg mit dem neu entstandenen Clan, während die Akzeptanz zu Neutralität führt. Es kann sogar mal nötig werden, dass man sich selbst vom Clan abspaltet. Etwa wenn nach dem Tod des alten Oberhaupts jemand die Regierungsgeschäfte übernimmt, der nicht zur eigenen Familie gehört. Das kann vor allem zu Beginn einer Partie vorkommen, wenn noch kein leiblicher Nachfolger herangewachsen ist. Man sollte daher so früh wie möglich den eigenen Sohn als Clanerbe einsetzen; Töchter hingegen werden zwangsweise verheiratet.                   

Ehre, wem Ehre gebührt

Wer sich auf ein falsches Spiel einlässt und enttarnt wird, verliert Ehre.
Wer sich auf ein falsches Spiel einlässt und enttarnt wird, verliert seine Ehre.

Für einen Machtmenschen ist es nie schön, wenn man Lehen an Vasallen vergibt, da man die Kontrolle über die Ländereien und die Einnahmen verliert. Aber das wiederum wird durch Ehre wieder wettgemacht, denn man steigt im Ansehen, wenn man jemand Land zuteilt. Zudem kann auch der gewiefteste Adelige nur eine bestimmte Anzahl von Provinzen selbst verwalten. Wer die überschreitet, riskiert Aufstände und Steuerausfälle. Sein Ehrkonto kann man zusätzlich mit Siegen im Felde, ehrenhaften Tun oder teuren Geschenken an den Kaiser aufpeppen. Münzen und Ehre sind daher Rohstoffe, die einem nie ausgehen sollten, denn wer ohne Ehre ist, dem bleibt nur der rituelle Selbstmord übrig. Es gibt sogar extra einen Button für Seppuku, der eigentlich ein „Game Over“ darstellt.

Es ist eigentlich recht leicht, Ehre zu verlieren, denn vieles, was man als Herrscher so tut, ist wenig ehrenhaft. Generell gilt, wer sich nicht an Versprochenes hält, verliert Ansehen. Etwa die ganzen Intrigen, für die es sogar ein extra Menü gibt. Hier kann man Kriege vom Zaun brechen, andere Adelige bloßstellen oder Vasallen zum Übertritt bewegen. Man braucht aber mächtige Unterstützer, die das unheilige Vorgehen billigen, sonst lässt sich das Ränkespiel nicht starten. Anfänglich befindet man sich vielleicht noch auf dem Pfad der Tugend, aber je größer das eigene Land wird, desto größer werden hier die Versuchungen. Zudem bekommt man nun eine Nachricht über feindliche Intrigen, die enttarnt wurden. Soll man sie öffentlich machen, was einer Kriegserklärung an den Verschwörer gleich kommt?

Gibt mir dein Land!

Feindliche Provinzen muss man belagern, es sei denn man bekommt sie geschenkt.
Feindliche Provinzen muss man belagern, es sei denn man bekommt sie geschenkt.

Wie kann man sein Territorium erweitern? Dafür gibt es verschiedene Wege: Man kann einen neutralen Adeligen dazu bringen, sich einem anzuschließen, man kann Aufständische niederringen oder man kann es schlicht vom Feind erobern. Schon zu Beginn ist man, je nachdem für welches Land man sich entscheidet, im Krieg mit einigen Fürsten, wobei eigene Vasallen unterstützen. Feindliche  Provinzen kann man sich durch Besetzen einverleiben, wofür man alle Soldaten besiegen muss. Ist eine Burg in der Provinz, muss man diese erst belagern, bevor die Provinz fällt. Je nach Größe der Festung kann das dauern, was sich aber durch einen verlustreichen Sturmangriff verkürzen lässt. Hierbei helfen auch mal die Ninjas, welche die Verteidigung sabotieren. Inselländer lassen sich übrigens von der Hauptinsel aus angreifen, da man problemlos hinüber kann, obwohl es keine Flotte gibt.  

Die elegantere Variante ist die Bekämpfung von Aufständischen, da dort auch oft Land abfällt. Meist besteht deren Territorium nicht nur aus solchen Provinzen, die vorher einem selbst gehörten sondern auch noch aus neuem Land, das sie mitbringen. Zudem wird eine ernste Konkurrenz beseitigt, wenn man Aufständische vernichtet. Besonders durchtrieben ist, wenn man einen Vasallen zum Übertritt bewegt. Das kommt allerdings nicht zu oft vor, da es genau geplant sein will. Eher selten schließen sich einem unvermutet ein paar Länder an, was aber meist mit Krieg verbunden ist. Dennoch dauert es Jahrzehnte, bis man ein gescheites Reich sein Eigen nennt – von halb Japan ganz zu schweigen.                                  .    

Automatische Kämpfe

Statt opulenter Samuraischlahten gibt's hier nur Zahlen jonglieren.
Statt opulenter Samuraischlachten gibt's hier nur Zahlen jonglieren.

Bei der Armee kann es freilich nicht mit Shogun 2: Total War mithalten, denn die Schlachten laufen für Europa Universalis 3 typisch automatisch ab. Treffen sich zwei feindliche Armeen, kommt es unweigerlich zum Kampf, wobei Taktik kaum gefragt ist. Stattdessen kommt es neben der bloßen Übermacht der Samurai auch auf die militärische Fähigkeiten des Anführers an. Zudem spielt das Gelände eine Rolle, das man einen Malus hat, wenn man über einen Fluss angreift. Es gibt Fußtruppen und Reiter, später kommen noch Schützen mit Hakenbüchsen hinzu. Jeder Landesteil stellt Wehrpflichtige, die man jederzeit ausheben aber auch wieder heimschicken kann, denn schließlich kosten sie Sold.

Daneben gibt es noch ein stehendes Heer, das nur der Shogun selbst ausheben kann, und dem auch Ronin, die berühmten herrenlosen Schwertkämpfer, angehören können. Dennoch ist das Militär eher Mittel zum Zweck als wirklich gelungen, da es zu wenig Tiefgang bietet. Ein zweites Total War sollte man nicht erwarten.      

Einen Vorteil hat man aber, denn man darf ungeschoren neutrales Land durchqueren. Es gibt  allerdings kein Abkommen, wonach man ein  Durchmarschrecht hätte. Vielmehr macht es die Kleinteiligkeit des Landes mit ihren ständig wechselnden Machtverhältnissen nötig, dass man so durch kann da man sonst endlos am verhandeln wäre. Als Ausgleich gibt es den Austausch von Geiseln, den man einhalten sollte, da man sonst Ehre verliert. Es gibt zwar die üblichen diplomatischen Möglichkeiten, aber viel ist das nicht gerade, es sei denn man schickt gern  seine Gegner ins Kloster. Leider verlaufen die Verhandlungen etwas hölzern, da man nicht den Eindruck hat, mit Menschen zu verhandeln.

Zaghafte Evolution 

Religion, Fortschritt und Kultur spielen im Machtspiel nur eine Nebenrolle.
Religion, Fortschritt und Kultur spielen im Machtspiel nur eine Nebenrolle.

So sehr sich die Karte jede Minute ändert: Sengoku ist kein Spiel, beim dem sich sonst groß was ändert. Er gibt gar keine Forschungen und die wenigen Neuerungen kommen von selbst. Irgendwann im Laufe des 16. Jahrhunderts landen die Portugiesen an Nippons Küste, die europäisches Know-how mitbringen. Da sind etwa die Schusswaffen, die es nach ihrer Ankunft gibt. Eine der wenige Bauten sorgt etwa dafür, dass man die Hakenbüchsen fertigen kann. Solche Zunftgebäude sind allerdings sehr teuer, weshalb man sie anfangs noch nicht baut. Es gibt auch religiöse Gebäude wie Tempel, Schreine und Kirchen. Der Bau ist zudem umständlich, da man nicht direkt losbauen kann.          

Da es sich um eine Bürgerkriegszeit handelt, vollzieht sich der gesellschaftliche Wandel eher im Groben. Kulturelle Neuerungen sind de Ausnahme, auch weil die Zentralmacht fehlt, die so was anstoßen könnte. So generalstabsmäßig wie Japan später Neuerungen einführte, geht es bei  Sengoku nicht zu. Es kommt gerade mal eine neue Religion, das Christentum, das nur langsam Fuß fasst. Wenn man fleißig Kirchen baut, kann man irgendwann den neuen Glauben annehmen. 

Spiel für mehrere

Sengoku lässt sich auch per LAN oder Internet spielen, wobei im LAN 32 menschliche Mitspieler teilnehmen können und zwölf im Internet. Die Anzahl braucht man auch, da es ja sehr viele Staaten gibt, die am Bürgerkrieg teilnehmen. Man muss auch nicht warten, bis die anderen gezogen sind, da es sich um ein Echtzeitspiel handelt. Da stets einer das Spiel hosten muss, was auch im Internet gilt, wird ein Dienst angeboten, der Mitspieler vermittelt. Für diesen Metaserver muss man sich erst bei Paradox anmelden.       

Fazit

Sengoku hat Hoffungen auf fernöstliche Ränkespiele geweckt, die aber teilweise enttäuscht werden. Zwar kann man einen eigenen Clan durch die Bürgerkriegszeit im 15. Jahrhundert führen, um ihn zur führenden Macht in Japan zu machen, aber das ist zumindest streckenweise wenig ausgefeilt, läuft immer irgendwie ähnlich und ist zudem unübersichtlich. Gerade beim Verhandeln mit anderen Herrschern fühlt man sich an Automaten erinnert, so schematisch geht es zu. Zudem ist es fast ein Glücksspiel, ob eine Intrige gelingt. Man kann zwar Konkurrenten innerhalb des Clans wegloben, aber sonst bleiben wenige Möglichkeiten, wenn man mal vom politischen Mord absieht. Die Diplomatie zeugt von wenig Raffinesse. Besser gemacht ist das mit der Ehre, die je nach Verhalten steigt und fällt. Hier muss man wirklich aufpassen, dass man nicht ehrlos wird. Gerade die Intrigen können einen fertig machen, wenn man sie zu sehr nutzt. Aber da auch sie schematisch ablaufen, greift man nicht immer mit Freude in die politische Trickkiste. Dass Sengoku es nicht mit Shogun 2: Total War aufnehmen kann und will, dürfte klar sein. Aber gerade die Kämpfe laufen automatisch und nach dem immer gleichen, kaum taktischen Prozedere ab, woran auch die Einführung der Schusswaffen wenig ändert. Genau so verpufft irgendwann die Lust auf das Shogunat.

Pro

klares Endziel: Japan einen
Geschichte verändern
Ehre ausschlaggebend
eigenen Clan führen
Vasallen managen
Ankunft der Portugiesen
Intrigen schmieden
Ninjas einsetzen

Kontra

unübersichtlich
wenig ausgefeilt
automatische Schlachten
hölzerne Diplomatie
keine Forschung
keine Seeschlachten
teils nicht übersetzt

Wertung

PC

Obwohl man einen eigenen Clan führt, bietet das Ränkeschmieden im spätmittelalterlichen Japan spielerisch zu wenig Tiefgang.

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