Schockschwerenot!
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In Revelations wird nicht nur Ezios Geschichte stimmungsvoll beendet, sondern auch Altairs Schicksal beleuchtet.
"Moment - Das ist doch nicht Desmond! Zumindest nicht der Desmond Miles, der mich in den letzten drei Jahren stets durch dunkle Animus-Abende begleitet hat." Das waren meine Gedanken, nachdem ich zu Beginn von Assassin's Creed Revelations (ACR) ein neues Charaktermodell erblickte.
Nicht nur hier wurde der Darsteller ausgetauscht: Auch die anderen Protagonisten Altair und Ezio Auditore haben sich scheinbar verändert. Altair hat ebenfalls nicht mehr viel mit seinem Vorgänger gemeinsam, der übrigens in der PS3-Version als Gratisspiel beiliegt.
Der gealterte Ezio hat gleichsam eine Wandlung durchgemacht und hat nicht mehr viel mit seinem jüngeren Pendant aus dem Italien des ausgehenden 14. Jahrhunderts gemein. Obwohl das Abenteuer nur etwa zehn Jahre nach Brotherhood spielt, wirken die Helden fast fremd. Das kann doch alles kein Zufall sein? Richtig: Je länger man spielt und je tiefer man in die verschachtelten Erzählstrukturen eintaucht, umso mehr Kleinigkeiten fallen einem auf, die vielen Mutmaßungen Tür und Tor öffnen und die hoffentlich von Ubisoft beabsichtigt sind. Denn die einzige andere Erklärung wäre ein inkonsequentes Artdesign, das gar nicht zu sonst so akribisch recherchierten Reihe passen würde.
Wem diese Einleitung bekannt vorkommt und wer damit evtl. schon den Test der Konsolenversionen gelesen hat, empfehle ich den Sprung auf
Seite 5, auf der gezielt die PC-Version samt Änderungen angesprochen wird.
Das Erzählmysterium
Dass sich Altair und Ezio in ihrem Alterungsprozess sowohl hinsichtlich ihrer Philosophie als auch des Aussehens zunehmend ähnlicher werden, dürfte Basis für zahlreiche Diskussionen werden, die durch das bereits angesprochene veränderte Aussehen Desmonds (er hat z.B. seine Narbe verloren) weiterhin angeheizt werden. Was steckt hinter diesen subtilen Änderungen?
Durch die vielschichtige Geschichte, die seit Teil 1 stets darum bemüht war, einen Bogen zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft zu schlagen, bleiben viele Möglichkeiten offen. Auch das Assassinen-Credo "Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt!", das über dem bis in die Moderne schwelenden Kampf zwischen Templern und Assassinen schwebt, dürfte eine Argumentationsgrundlage werden, wenn es darum geht, die Charakterwechsel zu rechtfertigen. Eine wichtige Rolle dürfte dabei auch der Defekt des Animus spielen, in dem Desmond in einer Art Koma sprichwörtlich festsitzt – auf einer digitalen Insel, die wiederum Zutritt zu seinen besonderen Erinnerungen ermöglicht und auf der er das Veteranen bekannte "Subjekt 16" höchstpersönlich trifft.
Ihr seid verwirrt? Keine Bange: Auch Einsteiger werden behutsam in das Zeitreise-Abenteuer geführt. Doch je mehr Teile man bereits gespielt und sich entsprechend Hintergrundwissen angeeignet hat, umso mehr Kleinigkeiten fallen einem auf
Starke Story mit Fragezeichen
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Die Abschnitte, in denen man mit Altair unterwegs ist, wurden gut in die erzählerische Struktur eingebaut. |
Ubisoft macht es jedenfalls spannend und setzt sich mit den Designentscheidungen erzählerisch unter Druck. Anstatt "nur" ein stimmiges Ende für die Abenteuer Ezios anzubieten, werden weitere ältere Stränge wie Altair wieder aufgenommen und neue Pfade (auch in Hinblick auf Teil 3) ausgelegt.
Ein ambitioniertes Unterfangen - aber eines, das Ubisoft weitgehend bravourös bewältigt, wie ich nach etwa 16 bis 20 Stunden, einem fulminant inszenierten Finale und damit dem Ende der Hauptgeschichte bescheinigen muss. Ja: Einige Erklärungen wirken konstruiert, so etwa, wenn Ezio in einer Szene direkt mit Desmond kommuniziert. Auch einige andere Elemente aus der privaten Geschichte Desmonds scheinen im Gegensatz zu dem zu stehen, was u.a. im ersten Teil der Serie bereits als vermeintlicher Fakt festgelegt wurde. Dort wird gesagt, dass Desmond Barkeeper sei und keine Ahnung von den Assassinen habe, während hier etwas ganz anderes behauptet wird.
Doch unter dem Strich wird hier das bislang erzählerisch stärkste Meuchelmörder-Abenteuer vom Stapel gelassen. Vergangenheit, Gegenwart und Animus-Wirklichkeit werden mitunter bemüht, aber innerhalb der Spielwelt glaubwürdig miteinander vermengt, so dass die Ezio-Trilogie stimmungsvoll beendet wird. In Revelations gab es für mich einen der überraschendsten Momente in meiner Assassin's Creed-Geschichte, bei dem Spannungsaufbau und -auflösung so kurz und prägnant auf den Punkt kommen wie selten - innerhalb der globalen Geschichte ist dieser Moment nur klein und beinahe unwichtig, doch bei mir hat er einen Eindruck hinterlassen wie nur wenige Szenen in den bisherigen Assassin’s Creeds. Interessant ist auch die emotionale Reise beider spielbarer Assassinen, die mit zunehmendem Alter mit ihren eigenen Idealen und Werten konfrontiert werden und sich dort selbstkritisch mit ihnen auseinandersetzen müssen.
Einzig das Rätsel um Desmonds neues Aussehen bleibt ungeklärt, wobei (beinahe zwangsläufig) der Ausblick auf Teil 3 die Hoffnung nährt, dass dieses Stilmittel dort wieder aufgegriffen und zu einem schlüssigen Ende geführt wird.