Memento Mori 2: Wächter der Unsterblichkeit04.05.2012, Jan Wöbbeking
Memento Mori 2: Wächter der Unsterblichkeit

Im Test:

Kurz nach Der Fall John Yesterday begibt sich auch Centauri Production ins Reich morbider Rituale. Im Gegensatz zu den Runaway-Schöpfern setzt das tschechische Team aber nicht auf Gedanken-Flashbacks im Comic-Stil, sondern auf realistische Grafik. Die fein ausgearbeiteten Gesichter und Lichteffekte des Krimi-Adventures sollen sogar Action-Titeln Konkurrenz machen. Stimmen auch die inneren Werte?

Heavy Rain als Point and Click?

Die Entscheidung für eine eigens entwickelte Grafik-Engine hat sich auf jeden Fall gelohnt. Die feinen Licht- und Schatteneffekte sind ein echter Hingucker. Figuren wie Protagonistin Lara Durand oder der südafrikanische Museums-Kurator besitzen nicht nur fein ausgearbeitete Gesichtszüge, sondern werden auch in realistisches Licht getaucht. Jeder einzelne warm glühende Strahl aus einer Jalousie legt sich physikalisch korrekt auf Hautporen und Härchen. Wenn Details wie Laras leicht vorstehendes Schulterblatt im Weg sind, werfen sie sogar weich abgerundete Schatten auf den Rest des Körpers. Sobald sie den Mund aufmacht, wird die Illusion aber etwas gestört, denn ihre Mimik und auch die Laufbewegungen wirken etwas steif – hier hinkt man Heavy Rain weit hinterher.

Zu Beginn führt das Abenteuer die Interpol-Agentin und ihren Mann Max nach Südafrika. Obwohl das frisch vermählte Paar dort seine Flitterwochen verbringt, kann Lara sich nicht von ihrer Arbeit losreißen und stolpert in Kapstadt in einen Kriminalfall. Einem

Nachdem Laras Mann Max bei einem fingierten Unfall verschwindet, gerät die Interpol-Agentin in einen mysteriösen Mordfall.
Nachdem Laras Mann Max bei einem fingierten Unfall verschwindet, gerät die Interpol-Agentin in einen mysteriösen Mordfall.
Museum wurden zwei Ritual-Statuen gestohlen. Da der zuständige Polizist Nomusa die Akte nach schlampigen Ermittlungen verdächtig schnell schließt, bittet der Kurator Lara um Hilfe – schließlich ist sie Expertin für Kunstdiebstahl. Auf der Suche nach den mystischen Figuren geraten die beiden in eine Verschwörung um uralte Mythen, in welche Kleinkriminelle, die Polizei und eine spirituelle alte Dame verwickelt sind.

Erzählerische Schwächen

Schade, dass Centauri sich beim Erzählen nicht so viel Mühe wie bei der Technik gegeben hat, denn vor allem in den ersten Spielstunden plätschert die Geschichte seicht vor sich hin. Konkurrent Pendulo versteht es deutlich besser, das Thema spannend zu inszenieren: John Yesterday konzentriert sich auf das Innenleben der Charaktere. Durch die vielen Comicsequenzen werden die Gedanken, Ängste der Hauptfiguren greifbar. Auch in Black Sails liegt von Anfang an eine unheilvolle Vorahnung in der Luft, welche mich dazu antrieb, das Geheimnis zu entschlüsseln – und hinter die Fassade der schwer einschätzbaren

Öde: Um die Spielzeit zu strecken, haben die Entwickler Schiebepuzzles und langweilige Aufgaben wie die Reparatur eines Druckers eingebaut.
Öde: Um die Spielzeit zu strecken, haben die Entwickler Schiebepuzzles und langweilige Aufgaben wie die Reparatur eines Druckers eingebaut.
Persönlichkeiten zu blicken.

Wenn man danach mit Lara und Max unterwegs ist, wirkt ihre Charakterzeichnung vergleichsweise platt. Sicher, auch die Interpol-Agentin offenbart in Gedanken an den verschollenen Max oder in Gesprächen mit ihrer ungeliebten Chefin Einblicke in ihre Persönlichkeit. Doch der Funke wollte trotzdem nicht überspringen. Auch die faden Dialoge sind daran nicht unschuldig: Die Unterhaltungen klingen zwar glaubwürdig und erwachsener als bei der Konkurrenz, aber auch nicht besonders lebendig oder wortwitzig. Bei Max‘ unbeholfenen Flirtversuchen mit der Museumsangestellten wird es sogar richtig peinlich. Die Musikbegleitung passt mit ihren ruhigen Piano-Melodien zur Handlung, könnte aber ebenfalls etwas mehr Spannung und Tempo vertragen.

Sherlock Holmes lässt grüßen

-	Öde: Um die Spielzeit zu strecken, haben die Entwickler Schiebepuzzles und langweilige Aufgaben wie die Reparatur eines Gaslecks und eines Druckers eingebaut.
In San Francisco untersucht man die Katakomben einer Kirche.

Nach dem seichten ersten Kapitel wird es etwas unterhaltsamer. Nachdem man Max gesteuert hat, verschwindet er nach Drohungen und einem fingiert wirkenden Unfall von der Bildfläche. Da eine Hubschrauber-Suche und andere Anstrengungen keine Ergebnisse erzielen, begibt sich die verstörte Lara nach Lyon. Dort merkt sie, dass ein geheimnisvoller Mordfall und einige Blutgemälde mit dem Verschwinden von Max zusammenhängen. Bei ihren Ermittlungen verschlägt es sie an den Tatort im von Erdbeben verwüsteten San Francisco sowie nach Finnland. Je nachdem, welche Entscheidungen man im Laufe des Abenteuers trifft, erlebt man ein anderes Ende.

Eine der größten Stärken von Memento Mori 2 ist die Detektivarbeit. Zusammen mit den Kollegen meiner Abteilung sitze ich z.B. am Präsentationstisch, untersuche mit dem Laserpointer Blutspuren sowie andere Indizien auf den Fotos und vergleiche sie mit unheilvollen Engelsbildern. Ich fühlte mich ein wenig wie bei Phoenix Wright – natürlich ohne die albernen Gags und auf Realismus getrimmt.

Hinweismangel

Schärfentiefe und nahe Einstellungen sorgen für Film-Flair.
Schärfentiefe und nahe Einstellungen sorgen für Film-Flair.

Später untersuche ich den Tatort – die Kellergemäuer einer Kirche - auch höchstpersönlich. Flüchtiges Überfliegen von Akten führt zu fatalen Fehlern, denn dort stehen wichtige Informationen zum Deuten der Indizien. Zum Glück weist mich ein Kollege vorm Betreten der Konferenz darauf hin, ob ich auch wirklich alle Informationen gründlich studiert habe.

An anderer Stelle ist das Spiel aber viel zu knausrig mit Hinweisen, was die Unmengen gewöhnlicher Inventar- und Umgebungsrätsel zur nervigen Geduldsprobe macht. Einige Objekte und alle eingesammelten Genstände lassen sich zwar drehen und untersuchen (was mitunter versteckte Details zu Tage fördert) – wenn man sie anklickt, gibt die Spielfigur aber oft nur belanglose Beschreibungen von sich. Hier hätten die Entwickler sich ein Beispiel an die geschickt eingebundenen Hinweise in Harveys Neue Augen nehmen sollen. Bis auf die Hotspot-Anzeige und gelegentliche Tagebuchnotizen bietet Memento Mori auch keine Hilfe-Funktion.

Hinweismangel

Unterhaltsam: Das Vergleichen von Indizien und blutigen Bildern ist gut umgesetzt.
Unterhaltsam: Das Vergleichen von Indizien und blutigen Bildern wurde gut umgesetzt.

Manche Kopfnüsse erweisen sich daher als frustrierend: Um z.B. an eine Gartenschere in einem hohen Blumenkasten zu gelangen, muss ich erst einmal auf seltsame Weise einen Gartenschlauch präparieren. Ein Zigarrenschneider muss gefunden und entriegelt werden, dann schneide ich einen Ring vom Schlauch ab und bearbeite das runde Stück Gummi anderswo mit einem Papierschneider. Erst dann kann ich den geschaffenen „Versiegelungsring“ als Übergangsstück für Schlauch und Düse nutzen und den Blumenkasten samt Schere herunterspritzen. Auch das Hantieren mit Stecknadeln am Tatort in San Francisco und andere Puzzles sind zunächst gar nicht so leicht zu durchschauen.

Fazit

Schade, dass Centauri bei Memento Mori 2 den Fokus so sehr auf die Technik setzt und dabei das Erzählerische vernachlässigt. Der seichte Einstieg, das langsame Erzähltempo und die faden Dialoge lassen nur wenig Spannung aufkommen. Auch die Unmengen gewöhnlicher Inventar- und Umgebungs-Rätsel bremsen das Spiel aus. Unter ihnen befinden sich sogar ein paar richtig fiese Frustbringer, da die Dialoge und Untersuchungen zu wenige Hinweise liefern. Das Krimi-Abenteuer besitzt aber auch ein paar gute Ansätze: Das Auswerten und Vergleichen von Indizien und Blutspuren ist clever umgesetzt. Auch die fein modellierten Gesichter und die hübschen Licht- und Schatten-Effekte lassen die Konkurrenz zumindest unter technischen Gesichtspunkten alt aussehen. Centauri sollte seine Engine ruhig an andere Entwickler lizenzieren. Der Umfang stimmt mit rund 20 Stunden ebenfalls. Totzdem hat mir John Yesterday besser gefallen, denn Pendulo versteht es einfach besser, eine spannende Geschichte zu erzählen.

Pro

kreative, glaubwürdige Detektiv-Aufgaben...
bis in feinste Poren modellierte Figuren
beeindruckend feine Licht- und Schatteneffekte
üppige Spielzeit von rund 20 Stunden

Kontra

...aber auch viele öde Standard-Rätsel
Hinweismangel sorgt für bockschwere Kopfnüsse
Geschichte baut kaum Spannung auf
fade Dialoge
steife Animationen

Wertung

PC

Die Detektiv-Aufgaben machen Spaß, doch das zähe Erzähltempo und schlecht durchdachte Standard-Rätsel lassen kaum Spannung aufkommen.

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