Alternativa20.07.2011, Bodo Naser
Alternativa

Im Test:

Alternatives aus Tschechien: In einer trostlosen Zukunftswelt muss sich ein Held bewähren, der fast alles verloren hat. Um sein Leben zurückzubekommen, kommt er sogar auf die Idee, sich den Regimegegnern anzuschließen. Klingt als Basis schon mal nicht schlecht, aber ist Alternativa (ab 15,75€ bei kaufen) auch spannend?     

Goldene Stadt auf Abwegen

Prag hat man irgendwie anders in Erinnerung. Im Spiel eine Stadt im Niedergang.
Prag hat man irgendwie anders in Erinnerung. Im Spiel ist es eine Stadt im Niedergang.

Das Prag des Jahres 2045 ist auch nicht mehr, was es mal war. Statt Postkartenmotiven wartet die Stadt nun mit Slums, dunklen Straßen und Bergen von Müll auf. Zwar blitzt trotz altbackener Grafik immer wieder der alte Charme der heimeligen Gassen auf, aber im Wesentlichen ist die Stadt an der Moldau kein wohnlicher Ort mehr. Und schon gar keiner, um Urlaub zu machen. Überall liegen schrottreife Roboter herum, die niemand zu gehören scheinen, aber auch keine große Rolle spielen. Sie sind die Hinterlassenschaften einer Gesellschaft, die tief gespalten ist. Ein paar Reiche können sich alles leisten, während der Großteil in nie gekannter Armut lebt. Konzerne bestimmen die Politik, die gelinde gesagt wenig arbeitnehmerfreundlich ist. Endora heißt eine dieser Megafirmen, die sich gerade eine neue Zentrale baut. Natürlich in einem der besseren Viertel, wo nicht jeder Zutritt hat.      

Zudem ist es um die Freiheit nicht mehr gut bestellt, die der Profitgier geopfert wurde. Der Staat verfolgt alle, die eine andere Meinung vertreten. Dennoch schließen sich immer mehr   den Widerständlern an, wie es auch Richard versucht, der keine Wahl zu haben scheint. Das  wird umso deutlicher, als sich Kollege und Mitbewohner Andy dem Staat anbiedert. Dennoch wird dieser interessante Konflikt wie so vieles in Alternativa nicht weiter ausgeführt, auch wenn man später mal in die Rolle von Andy schlüpft. Insgesamt wirkt die Welt etwas aufgesetzt, da man nicht glauben will, dass sich Prag in eine Vorhölle verwandelt haben soll. Zwischendurch blitzt immer wiederh etwas von der ehemaligen Touristenmetropole durch, die unter der hypermodernen Oberfläche schlummert. Bei Blade Runner wirkte die düstere Kulisse deutlich authentischer, so dass man sich selbstverständlicher darin bewegte.         

Geklautes Leben

Überall liegen Roboter rum. Wenn der Held nicht bald was findet, kann er sich dazu legen.b
Überall liegen Roboter herum. Wenn der Held nicht bald was findet, kann er sich dazu legen.

Richard, mit dem man startet, arbeitet am Bau einer neuen Firmenzentrale, bis er unvermutet gefeuert wird. Er fragt sich, warum er von Endora entlassen wurde? Hat er nicht gut gearbeitet? Ein Problem ist, dass ihm auch seine Papiere abgenommen wurden, ohne die in der Zukunftswelt kein Weiterleben möglich scheint. Die ID-Karte, um die sich alles dreht, dient nämlich nicht nur der Identifikation, sondern auch dem Erwerb von Dingen des täglichen Lebens. Sogar der Zugang zur Hochbahn hängt von der persönlichen ID ab. Es reicht also, jemand seine Arbeit samt ID zu entziehen, um ihn fertig zu machen. Dann erwartet ihn ein Leben auf der Straße, wo er von der Hand in den Mund lebt. Dieser Teil des Adventures orientiert sich eher an der Gegenwart, da man auch heute schon bei Verlust der Kreditwürdigkeit quasi ein Rechtloser ist, mit dem keiner mehr Verträge schließt.                    

Richard versucht gar nicht erst, wieder von der Baufirma aufgenommen zu werden wie Andy. Der Roboterhasser will es im Untergrund versuchen, wo er lieber dem Widerstand angehören möchte. Nur wie? Er weiß nicht, wie er an die Regimekritiker rankommen soll. Er stapft unbeholfen durch die Gegend und fragt jeden in den Slums, ob er ein Widerständler sei. Das ist recht gefährlich in einem Staat, in dem auch Spitzel lauern könnten. Einige Szenen sind dabei fast unfreiwillig komisch, wenn Richard z.B. einen Betrunkenen in einer Bar anlabert, um weiter zu kommen. Verhaftet wird er hier aber nicht, obwohl es an anderen Stellen durchaus mal um Überleben gehen kann: Wer hier das Falsche sagt, landet beim „Game Over“ und muss neu laden.

Ich find nix!

Die Sucherei ist auch deshalb ne Qual, weil die Reise umständlich ist.
Die Sucherei ist auch deshalb eine Qual, weil die Reise umständlich ist.

So ansprechend Alternativa sich für Freunde des Cyberpunk zunächst anhört -  das Problem ist, dass der Großteil der Zeit nicht mit dem Kampf gegen das System, sondern mit Suchen zugebracht wird.  Es gibt zwar eine Hotspot-Anzeige, die aber schwer zu finden ist, da sie die TAB-Taste verwendet. Wer da nicht draufkommt, muss jedes Bild von Hand absuchen, was lange dauert und wobei man auch mal was übersieht. Leider geht es dann erstmal nicht weiter, bevor man z.B. einen bestimmten Punkt berührt hat. So kann man erst nach einer Lösung für den Augenscanner suchen, wenn man dieses Gerät entdeckt hat. Da das Teil recht klein ist, kann man es schon mal übersehen. Ebenso wie eine Kamera in der Wand und andere Fundstücke, bei denen man sich trotz Hot-Spot-Anzeige schwer tut. Zum anderen ist es öfter so, dass man auf dem Schlauch steht, weil schlicht Hinweise fehlen. Zwar werden die wichtigsten Sachen im PDA vermerkt, so z.B. was man benötigt, um den Scanner zu überlisten. Hat man schließlich alles Notwendige gesammelt, ist noch lange nicht klar, warum es nicht weitergeht. So ist man eigentlich den Großteil des Adventures damit beschäftigt, was durchs Fehlen einer echten Schnellreisefunktion erschwert wird. Man kann zwar die Hochbahn nehmen, aber diese ist viel zu umständlich. Ein Klick aufs Ziel sollte stattdessen direkt dort hinführen, wo man ohnehin schon war. Hier muss man erst umständlich die Bahn  besteigen und dann noch das Filmchen wegklicken. Zudem landet man zuerst an der Haltestelle und muss erst zum Ziel gehen.

Maue Rätsel

Oft kommt man nur weiter, wenn man alles mit allem probiert.
Oft kommt man nur weiter, wenn man alles mit allem probiert.

Leider sind die Rätsel und Aufgaben nicht derart fesselnd, dass man diese endlos scheinende Lauferei gern übernehmen würde. Meistens bekommt man einen Auftrag von irgendeiner Person, dass man doch dieses oder jenes für sie besorgen soll. Im Gegenzug hilft sie einem dann weiter. So wird man einmal eines Mordes verdächtigt und soll nun Entlastungsmaterial sammeln. Hört sich gut, ist aber auch nicht mehr als die übliche Sucherei. Man geht wieder mal von Hinz zu Kunz, um etwas zu fragen und Hinweise zu finden. Gerade Wirt Tom ist hier immer die Hauptanlaufstation. Obwohl man in einer High-Tech Welt lebt, sind die Aufgaben sehr klassisch: Einmal sucht man sogar eine Batterie für einen Walkman, den nur noch Urgesteine aus den 80ern kennen dürften.

Auch wenn es nach einer anspruchsvollen Aufgabe klingt, muss es noch lange keine solche sein. Wie schaffe ich es z.B.,  meine Monatskarte so zu manipulieren, damit ich sie wieder nutzen kann? Meist sind die Möglichkeiten begrenzt, da man nur ein paar Sachen mit sich führt. Man kombiniert einfach alles mit allem, so man es denn tatsächlich gefunden hat, und weiter geht’s. Hier wie in den Gesprächen tun sich Möglichkeiten erst nach und nach auf, so dass man wieder mal alles absuchen muss. Ein wenig inkonsequent ist allerdings, dass man manche Dinge schon Stunden vorher sieht, wie etwa den kaputten Roboter, den man irgendwann ausschlachten muss. Ebenfalls ungeschickt ist, dass man etwas sucht, aber z.B. im Gewirr der Mülltonnen nicht nachschauen darf, obwohl die Logik eigentlich danach schreit.

Unangenehme Stimmen

Die Dialoge sind nicht immer eun Genuss, was nicht nur am Inhalt liegt.
Die Dialoge sind nur selten ein Genuss, was aber nicht nur an den Inhalten liegt.

Die Mehrzahl der Rätsel sind simple Inventaraufgaben. Daneben gibt es noch seltene Dialogrätsel, die einen lustlosen Eindruck hinterlassen. Bei vielen anderen Adventures sind Dialoge immer ein Highlight, insbesondere wenn man dabei aufpassen muss, was man sagt. Bei Alternativa ist das nicht so, was zum Teil auch an den Sprechern liegt. Die Hauptakteure sind einigermaßen gut vertont, für Nebencharaktere gilt das schon weniger. So hat der Betrunkene aus Szene 28 eine unmögliche deutsche Stimme, die selbst für einen stark Alkoholisierten ziemlich lächerlich klingt.

Leider gibt es auch Passagen, die schlicht unlogisch erscheinen. Wieso sollte mich die Polizistin plötzlich in die Wohnung des Professors lassen, obwohl ich als Hauptverdächtiger für den Mord gelte? Hier hätte man sich mehr Widerstand erwartet, zumal es sich um einen Polizeistaat handelt. Vielleicht hätte man eine Bestechung einbauen können, aber die Beamtin lässt einen ohne große Schwierigkeiten hinein. Die sonstigen Dialograufgaben treten eher unvermutet auf: So muss man etwa ausgerechnet beim Arbeitsamt der Zukunft das Richtige sagen.

Fazit

Alternativa ist eines jener mittelprächtigen Adventures, die viel versprechen, aber davon nur wenig bis nichts halten können. Thematisch weckt das Spiel durchaus Interesse, da es um Dauerbrenner-Themen wie Ausbeutung im Job, Künstliche Intelligenz oder Überwachung geht. Aber all das bleibt im Ansatz stecken, weil keiner der Stränge richtig vertieft wird. Sinnbildlich liegen zwar überall kaputte Roboter rum, aber sie spielen im Spiel nur eine Nebenrolle. Stattdessen versucht man, einen Mordverdacht von sich abzulenken – wie schon in einigen Adventures zuvor. Die düstere Kulisse kann keinen überzeugenden Eindruck hinterlassen, da die Slums im schmucken Prag aufgesetzt wirken. Die Story wird immer wieder von größeren Suchaktionen an bereits bekannte Orten unterbrochen, so dass der Spielfluss vollends verloren geht. Die Aufgaben, die einen auf eine nicht enden wollende Suche schicken, sind aber meist kaum der Rede der Wert. Es gibt nur wenig gescheite Rätsel, bei denen man mal logisch kombinieren muss. Dass man zudem überdenken muss, was man in den Gesprächen von sich gibt, ist leider die Ausnahme. Zudem leiden die Rätsel unter mangelnden Hinweisen, einer ebenso fehlenden echten Schnellreisefunktion sowie Logikfehlern. Dementsprechend verliert man schließlich die Lust, der nur selten in spannende Bereiche abdriftenden Story zu folgen. Und so gibt man schließlich in der Gewissheit auf, dass man weiter auf einen echten Nachfolger von Blade Runner warten muss.

Pro

Science-Fiction in Prag
Cyberpunk-Story
mehrere Charaktere spielbar
man kann sterben

Kontra

Dystopie wirkt thematisch aufgesetzt
Rätsel fesseln nicht
teils öde Sucherei
Rückkehr an besuchte Orte
Durchblick fehlt oft
teils unlogisch
Bahn ersetzt nicht Schnellreisefunktion

Wertung

PC

Leider wird hier ein vielversprechender Ansatz vergeigt. Ergebnis sind: Schlechte Rätsel, viel Herumlaufen und eine unentschlossene Story.

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Kommentare

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