Terraria14.03.2012, Benjamin Schmädig
Terraria

Im Test:

Ich habe die Minecraft-Kopien so satt! Was dem Paten des modernen Eigenheim-Baukästens erst zum Verwechseln ähnlich sieht, entpuppt sich meist als hässlicher Lego-Verschnitt ohne Sinn für harmonisches Artdesign. Zu allem Überfluss beschränkt sich die Klon-Armee auch noch auf simple Sofortbaukästen - ein handfestes Spiel sucht man abseits von Perssons Überlebenssimulation im unwirtlichen Fantasialand vergebens. Und jetzt noch Terraria (ab 14,99€ bei kaufen)...

Es ist ein Minecraft!

Die Fans werden aufschreien, aber ja: Terraria ist Minecraft. Ich schlage Holz aus Bäumen, ich erhalte Stein aus zerschlagenem Fels, ich verarbeite Lehm zu Ziegelstein. Aus Sand wird Glas, aus Holz ein Tisch -  im Handumdrehen steht mein Haus. Nachts klopfen Zombies an die Tür, mit Silber baue ich ein Schwert, aus Kupfer eine Rüstung. Und das ist erst der Anfang. Auf mich wartet eine gigantische, vom Zufall erstellte Welt mit unterschiedlichen Ökozonen, tiefen Bergbaugruben und gefährlichen Monstern. Mehr Minecraft geht nicht - erst recht nicht in der Seitenansicht eines riesigen 2D-Terrariums!

Und plötzlich ist dieser vermeintliche Klon doch ganz anders. Denn Beobachter-Position und Steuerung machen einen gewaltigen Unterschied! Wie sinnvoll ist der Perspektivenwechsel?

Es ist nicht immer gut, dass ein kleiner Mauszeiger ständig über winzigen Kästchen weilt: Terraria wirkt über weite Strecken wie ein schnödes Zeichenprogramm, dessen farbenfrohe Linien mal schneller, mal langsamer entstehen oder verschwinden. Der Grund dafür ist wie in Minecraft das Zusammenspiel unterschiedlicher Werkzeuge und Materialien. So entfernt selbst die einfachste Spitzhacke im Handumdrehen ein Kästchen Erde. Bevor ein Stück Eisen zerfällt, muss die Maus hingegen eine Weile am Fleck harren, während das Pixel-Ego sein Werkzeug schwingt. Und egal wie groß spätere Wolkenkratzer sein mögen: Man versinkt aus der losgelösten Seziersicht nie mit Haut und Haaren in diesem Reich.

Existieren statt Überleben

Man muss sich auch nicht um Viehzucht und Ackerbau kümmern: Terraria verzichtet auf die Aspekte der Lebenserhaltung. Es konzentriert sich voll und ganz auf Kampf sowie Eigenbau. Ein wenig fehlt dem Spiel deshalb die Richtung, denn

Veröffentlichung in Deutschland

Terraria ist bereits seit einem knappen Jahr über Steam erhältlich. Allerdings brauchte das Spiel nach Release noch eine Reihe Updates bis zur endgültigen Fertigstellung. Erst im Februar 2012 kündigte Re-Logic das offizielle Ende der Entwicklung an.

Vor kurzem erschien der Titel außerdem in einer herkömmlichen Box - mit Spiel, einem Hasen als Ingame-Begleiter, einem Schlüsselanhänger, zwei Sammelkarten sowie einem Poster. wozu soll man Monster bekämpfen, wenn man in einer fix errichteten Höhle für Jahre überleben kann? Es gibt keine Geschichte, keinen großen Schatz - kein Abenteuer, das als Antrieb dient.

Es gibt nur die große Suche. Und die hat es dafür in sich!

Genauer gesagt ist es nicht die Suche - es ist das große Finden, das mich fasziniert. Denn so nüchtern das Mauszeiger-Halten beim Graben sein kann: Immer und immer wieder entdecke ich kleine Höhlen,  unterirdische Seen, Oasen, Luftinseln. So sehr mich das Terrarium nur zum Beobachter macht, so wunderschön ist es anzusehen! Das kleine Entwicklerstudio Re-Logic hat schier endlos viele kleine Kästchen mit so viel Feinarbeit gezeichnet, dass man vor allem unter Tage auf ein filigranes Kunstwerk aus zahllosen Gängen, Höhlen und Öffnungen blickt. Quallen schwimmen in halbdurchsichtigen Seen, Lava brodelt in der Tiefe. An beinahe magischen Lichtern, die wie verwunschen leuchten, kann ich mich kaum sattsehen. Und immer wieder schimmert in der der unerforschten Ferne irgendeine Höhle, die ich unbedingt entdecken will...

Die Nacht der lebenden Toten

Je weiter ich in die Tiefe vorstoße, desto mehr Rohstoffe finde ich. Je tiefer ich komme, desto gefährlicher werden die Kreaturen: Untote, Fledermäuse und Würmer, die sich durch den Felsen bohren, zählen noch zu den harmlosen Monstern. Jeder neue Stein gibt mir ein neues Material, jede neue Kreatur hinterlässt bei ihrem Tod einen neuen Gegenstand. So

Entdecken für Alle

Ähnlich wie Minecraft dürfen auch Terraria mehrere Spieler auf einem gemeinsamen Server für sich erschließen. Die Anzahl der Teilnehmer wird nur von der Leistung des Servers und den Einstellungen des Hosts begrenzt. Kampflustige Entdecker treten sogar im PvP gegeneinander an.

Sowohl Solisten als auch Mehrspieler-Abenteurer profitieren von der Möglichkeit, jeden erstellten Charakter in jede ihrer eigenen Welten und die eines anderen Spielers mitzunehmen, da man vor jedem Start Welt und Figur wählt.

Die vom Zufall erstellten Karten können entweder klein, mittgroß oder groß sein. stelle ich schon bald zahlreiche Gegenstände oder Hilfsmittel her: Rüstung, Baumaterialien, Tränke, Dekoration oder Einrichtungsgegenstände. Ich habe vielleicht kein erklärtes Ziel - spannend ist die Entdeckungsreise aber jederzeit!

Auch an der Oberfläche finde ich ständig etwas Neues. Interessant sind vor allem die von einer bösen Magie verzauberten Gebiete: Noch bevor ich sie erreiche, verfinstert sich der Himmel. Einäugige Monster fliegen auf mich zu, manche Rohstoffe finde ich natürlich nur hier. Weil bei Nacht auch normale Wälder und Wüsten von Zombies, fliegenden Augen oder gigantischen Skeletten heimgesucht werden, ist die Herstellung der richtigen Ausrüstung umso wichtiger. Schade, dass die etwas müde Steuerung nicht immer unmittelbar auf Eingaben reagiert, so dass ich mich besonders im Kampf gegen eine Überzahl träge und nicht zielsicher fühle.

Sinn und Raffinesse

Bedauerlich auch, dass es ähnlich wie in Minecraft keine Blaupausen für herstellbare Gegenstände gibt und dass man sich die "Rezepte" nicht eigenständig erarbeiten kann. Wie im großen Vorbild ist man auf  Sekundärliteratur im Internet angewiesen und das schadet dem Erlebnis. Im Gegenzug muss ich  nicht erraten, wie ich Eisen und Holz nebeneinander

Wunderschön, verwunschen und gefährlich: Wer einmal in die Tiefe hinabsteigt, will so schnell nicht zurück.
Wunderschön und gefährlich: Wer einmal in die Tiefe hinabsteigt, will so schnell nicht zurück.
lege, um einen Hammer zu erschaffen. Vor einem Ofen, einem Amboss, einer Werkbank oder einem anderen Werkmittel wähle ich einfach aus einer Liste von Gegenständen, deren "Zutaten" ich bei mir trage - fertig.

Viele Gegenstände muss ich ohnehin nicht herstellen, sondern darf sie kaufen - aber nur, wenn ich einem Händler ein wohnliches Zimmer errichte und eine Art Missionsziel erreicht habe. Für den Sprengstoffverkäufer muss ich etwa selbst erst Sprengstoff auftreiben. Auf diese Weise erhält der Hausbau einen spielerischen Sinn, der über das nackte Überleben hinausgeht. Und falls ich mich kreativ ausleben will, darf ich natürlich auch hier verschiedene Baustoffe, Möbel und Dekorationen in raffinierten architektonischen Meisterwerken zusammenführen!

Fazit

Terraria mag die ökologischen Zusammenhänge nicht so umfassend simulieren wie es Minecraft tut - das Entdecken des topografischen Querschnitts ist aber ebenso spannend wie im großen Vorbild. Die Ausleuchtung der verwunschenen Höhlen erlaubt faszinierende Einblicke und zahlreiche Materialien halten den Forscher- und Entwicklergeist auf Trab. Im Vordergrund steht das Überleben in einer feindseligen Umwelt, das kreative Verwirklichen spielt eine untergeordnete Rolle. So kommt dem Hausbau eine große Bedeutung zu, weil Heiler, Zauberer und andere Gehilfen erst dann eintreffen, wenn sie einen Platz zum Schlafen finden. Das Aufspüren von Rohstoffquellen befriedigt hingegen nicht nur künstlerische Bedürfnisse wie es in Minecraft oft der Fall ist. Leider verbindet auch Terraria das freie Entdecken und Erschaffen nicht mit einem spannenden Abenteuer und verweist zum Herstellen neuer Gegenstände auf die Lektüre von Webseiten. Dennoch: Der zweidimensionale Ableger tritt als einziger Nachahmer aus dem Schatten seines Vorbilds heraus und entführt in eine einzigartige Welt voller schöpferischer Magie.

Wertung

PC

Spannendes und zum Teil bildschönes Entdecken einer gefährlichen Welt. Leider ist man auch hier auf Erklärungen aus dem Internet angewiesen.

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