Bus- & Cable Car-Simulator: San Francisco01.07.2011, Mourad Zarrouk
Bus- & Cable Car-Simulator: San Francisco

Im Test:

Gestern Aerosoft, heute Rondomedia...TML hat kein Problem die Publisher zu wechseln wie andere die Badehose. Bedeutet das zwangsläufig, dass die neueste Simulation der Erfurter wieder mehr in Richtung Casual- Verkehr geht? Wir haben unsere Runden in San Francisco gedreht und klären auf.

Die Straßen von San Francisco

Zu Beginn werde ich erstmal angefixt: So schöne Fahrzeuge, so wenig Geld.
Zu Beginn werde ich erstmal angefixt: So schöne Fahrzeuge, so wenig Geld.
U-Bahn-Simulationen, New Yorker City-Busse, Kehrmaschinen und sogar Tauchfahrten zur Titanic hat das kleine Entwicklerstudio aus Thüringens Landeshauptstadt in den letzten fünf Jahren realisiert. Und es konnte dabei jedesmal positiv aus dem Einheitsbrei der Alltags- und Berufssimulationen hervorstechen. Mit ihrer aktuellen Simulation möchte TML aber nichts Geringeres als alles bislang Dagewesene in den Schatten stellen. Die Eckdaten lassen in der Tat aufhorchen: Der historische Stadtkern von San Francisco hat von Presidio (inkl. der Golden Gate Bridge) über  Pacific Heights, Russian Hill, China Town bis South Beach seinen Weg ins Spiel gefunden - auch wenn dies nur 25-3 Prozent der Gesamtgröße der "Greater SF Metropolitan Area" ausmacht. Mit sechzehn   Transportmitteln von der historischen Cable-Car über Straßenbahnen,  Gelenk- und Oberleitungsbusse bis hin zu Schul- und Doppeldeckerbussen, findet der Freund des öffentlichen Personennahverkehrs nahezu alles, was sein Herz begehrt. Außerdem wurde ein Bonus- und Malus- System eingeführt und auch eine überfällige Fahrplanauswertung ist dabei Das hört sich alles richtig gut an, oder?

Schöner wohnen und fahren in Frisco

Jedes Fahrzeug erfordert einen eigenen Betrag und Boni zum Freischalten
Jedes Fahrzeug erfordert einen eigenen Betrag und Boni zum Freischalten.
Nach dem Start befinde ich mich in einer Bruchbude, in der man nicht mal seine Schwiegermutter übernachten lassen würde. Dieses Loch von  "Wohnung" kann im Spielverlauf gegen eine viel, viel bessere "eingetauscht" werden, aber bis dahin ist es ein sehr, sehr weiter Weg. Erstmal will ich nur raus und finde vor der Tür (m)einen Pick-Up, in dessen Bedienung ich im Rahmen eines Tutorials  eingewiesen werde. Das Ganze ist ja auch keine Raketentechnologie: Ich steige ein, starte den Motor, löse die Handbremse, lege den Automatikgang ein, gebe Gas und los geht’s. Man bittet mich zunächst zu einem Messegelände zu fahren, was nicht wirklich in der Nähe ist, aber so habe ich Gelegenheit, mich mit der Spielwelt vertraut  zu machen. Passanten säumen die Bürgersteige, LKW und PKW (keine Motorräder) bevölkern die typisch hügeligen Straßen. Fein. Auf meinem Weg begegne ich auch schon dem einen oder anderen Bus oder einer Straßenbahn, denn um die geht es hier ja. Am Messegelände angekommen, fordert man mich auf, die riesige Halle zu betreten - und da stehen sie dann auch alle, fein säuberlich aufgereiht: Von der historischen Streetcar "Italy" über die Busse bis zur moderneren Straßenbahn. Gemein: Denn zu Beginn verfüge ich nur über einen schnöden Dieselbus. Und bis ich mir auch nur eines dieser Fahrzeuge leisten kann, wollen etliche Straßenkilometer abgespult werden. Immerhin darf ich mich schon mal erkundigen, wie viel Kohle ich aufbringen muss bzw. welche Boni ich mir anrechnen lassen darf und welche negativen "Auszeichnungen" mir bei welchem Fahrzeug gegengerechnet werden. Da dies ansonsten nirgendwo dokumentiert wird, bietet es sich an,  dies zu notieren.

Bonus- und Malus-Regelung

Schon der Weg zum Depot gestaltet sich mitunter...abenteuerlich.
Schon der Weg zum Depot gestaltet sich mitunter...abenteuerlich.
In den meisten Berufssimulationen spielt es keine Geige, wie viele Ampeln ich bei Rot überfahre, wie oft ich zu schnell fahre oder wie oft ich einen Unfall verursache. Diese Kritik hat man sich bei TML zu Herzen genommen und ein umfangreiches Bonussystem ins Leben gerufen: Ob man nun alle Sehenswürdigkeiten der Spielwelt entdeckt ,  immer schön pünktlich seinen Fahrplan einhält oder einfach schon sehr viele Personen befördert hat - für viele Aktionen gibt es Boni, die sich auf den Erwerb (und damit die Option diese Fahrzeuge zu fahren) anrechnen lassen. Die Kehrseite der Medaille: Rasen, Anecken, Unpünktlichkeit oder auch Unfreundlichkeit den Fahrgästen gegenüber wird bestraft und "verteuert" sozusagen den Erwerb der Fahrzeuge. Oder kostet im Wiederholungsfall auch direkt empfindliche Geldstrafen; etwa 1000 Credits gegenüber demselben Betrag, den man für eine komplette Fahrplanfahrt von etwa 30-45 Minuten Realfahrzeit erwirtschaftet! Insofern ist das Ganze gut gemeint, da man aber die Blitzer niemals rechtzeitig sehen kann und Unfälle aufgrund der teilweise haarsträubenden Physik mitunter unvermeidlich sind, kann das Ganze auch zu großer Frustration führen. Hinzu kommt: Da Personenschäden nicht stattfinden (es gibt hier schlichtweg keine Kollisionsabfrage), dürfen Passanten nach Herzenslust  rasiert werden....irgendwie inkonsequent. Trotzdem: Sauberes fahren wird grundsätzlich belohnt, schlechtes bestraft - und das ist prinzipiell gut so.

Mein erster Tag als Busfahrer

Am Steuer eines Sightseeing-Bus Richtung Golden Gate Bridge.
Am Steuer eines Sightseeing-Bus Richtung Golden Gate Bridge.
Nachdem man mir also die "Möhre vor die Nase" gehalten hat, wartet endlich mein erster Einsatz. Es gibt zwei Depots: Eines im Norden (Fishermans Wharf) und eines im Süden (South of Market). Da ich gerade in der Nähe des südlichen bin, mache ich mich auf den Weg. Auf dem Betriebsgelände angekommen, treffe ich im Büro den Fahrdienstleiter. Von ihm bekomme ich meine Route zugewiesen. Alternativ kann ich auch einzelne Aufträge absolvieren - da muss dann mal ein havarierter Bus repariert  oder eine Tour beendet werden, weil ein Kollege ausgefallen ist. Richtig gelesen: Es kann schon mal ein Keilriemen reißen oder eine Sicherung bersten. An Tankstellen kann man Ersatzteile erwerben und die Reparatur kostengünstig selbst vornehmen. Das läuft dann auf ein kleines Mini-Spielchen hinaus, in dem ein ruhiges Händchen bewiesen werden muss. Doch ich will nun erst mal Bus fahren und lasse mich einteilen. Der Fahrdienstleiter ist kein Mann großer Worte oder stumm, jedenfalls erfahre ich nur per Texteinblendung, dass der Fahrplan jetzt aktiviert ist. Vor der Tür steht dann mein Bus bereit, doch bevor es los geht, muss der erst fahrbereit gemacht werden. PDF-Anleitung und Tutorial lassen mich dabei nicht allein und so bin ich etwa fünf Minuten und ca. sechs bis acht Handgriffe später fahrbereit.

If you're going to San Francisco...

Dort kann man auch schon mal aussteigen und sich ein wenig umsehen.
Dort kann man auch schon mal aussteigen und sich ein wenig umsehen.
Zunächst gilt es die Starthaltestelle anzufahren. Dort angekommen, wird die korrekte Route und Linie in das IBIS-System eingegeben, sonst steigt nämlich niemand zu. Daraufhin werden mir links in roter Zahl die Soll-Anfahrtszeit der nächsten Haltestelle mitgeteilt und rechts die aktuelle Ist-Zeit. Nun gilt es den Fahrplan einzuhalten, was keine unlösbare Aufgabe darstellt, denn die Zeiten sind recht fair berechnet...fast schon zu großzügig. Selbst bei vorschriftsmäßigem (teilweise minutenlangen) Stopps an roten Ampeln komme ich häufig noch so früh an, dass ich noch etwas vor der Haltestelle warte, um den Fahrplan einzuhalten. An der Haltestelle steigen annehmbar animierte Fahrgäste zu, die  teilweise korrekt abkassiert werden müssen (einige haben wohl Monatskarten und latschen einfach so durch); der PDF-Anleitung sind die  korrekten Tarife zu entnehmen. Ein Dialog findet hingegen nur ganz rudimentär statt: Außer einem "Schönen guten Tag" (freundlich), "Guten Tag" (neutral) und "Tach" (unfreundlich) habe ich nix im Repertoire und auch die Gäste sind sehr einsilbig. Na ja...ich bin halt auch Busfahrer, kein Psychiater. So drehe ich meine Runden, bis ich das erste Mal mit den Tücken der Spielphysik aneinander gerate. Die durch Nvidia lizenzierte Physik-Engine treibt Stilblüten, die lustig wären, wenn es nicht so traurig wäre. Da kippt mein Bus bei zügiger Fahrt um die Kurve auch schon mal kurzerhand um oder spielt bei einer Kollision Ping-Pong mit einem Kleinwagen. Wenn solche Kapriolen jedenfalls durch ein anständiges Schadensmodell entschädigt würde, da man in Ermangelung von Originallizenzen ja ohnehin kein ok der Hersteller bräuchte...aber Fehlanzeige: Auch nach zwei Salti sieht mein Bus noch so aus wie bei der Auslieferung ab Werk.

Die Rettung: Alles was auf Schienen fährt

Seine Stärken spielt der Simulator aber eindeutig auf der Schiene aus
Seine Stärken spielt der Simulator aber eindeutig auf der Schiene aus.
Was kann TML am besten? Schienenfahrzeuge! Wenn man sich durch die vielen notwendigen Bus-Kilometer gearbeitet hat, warten endlich die Trolley-Busse (Oberleitung gebunden) und Schienenfahrzeuge. Ab da fängt das Spiel dann an Spaß zu machen, denn hier ist die fehlerhafte Physik weitestgehend neutralisiert. Zwar muss ich jedes mal mit dem PKW zur Starthaltestelle der Tram fahren, da diese niemals vom Depot starten, aber diesen kleinen Pferdefuß nehme ich mit Kusshand in Kauf. Im Führersitz einer Streetcar "Italy" entfaltet diese Simulation dann ihr volles Potential: Hier stimmt der Sound (selbst das gelingt den Entwicklern bei Schienenfahrzeugen besser), hier passt das "Look and feel". Frei von Mängeln ist der Spaß freilich auch hier nicht. So sollte man es tunlichst vermeiden, auf freier Strecke anzuhalten (was man aber sollte, wenn der simulierte Sekundenschlaf einsetzt und mein Alter Ego sich einen Kaffee kaufen soll). Denn dann sieht man nicht nur, dass die Passanten mit dem Rücken unheimlicherweise aus dem Chassis der Bahn hindurchragen, sondern man kommt auch nicht wieder rein in die Tram, weil mein Charakter die erste Stufe nicht nehmen kann! Ok, den "Fehler" macht man nur einmal und nimmt künftig eine Haltestelle mit Bordkante.  

Tag/Nachtwechsel (ich kann und soll mich im virtuellen Heim auch schlafen legen -GTA lässt grüßen) Sonne, ansehnlicher Regen (mit beschlagenen Scheiben, wenn die Lüftung nicht aktiviert wird) und natürlich die Fahrt über die Golden Gate Bridge...das sind die Momente in denen man den Bus und Cable-Car Simulator richtig "gut" finden kann.

Apropos Cable Car

So soll es sein: Am Ende jeder Tour wartet eine detaillierte Auswertung.
So soll es sein: Am Ende jeder Tour wartet eine detaillierte Auswertung.
Erst später im Spielverlauf  können, sozusagen als "Krönung", die historischen Cable Cars gefahren werden. Obwohl diese eigentlich von zwei Personen gefahren werden müssen, steuere ich die berühmten "Mini-Straßenbahnen am Seil" alleine. Wenn man die Bedienung erst begriffen hat, macht das auch richtig Spaß, denn: Rischtisch...die fahren ja auch auf Schienen.

Schön: Am Ende jeder Tour erwartet mich eine recht detaillierte Auswertung. Was auch positiv erwähnt werden soll, sind die  kleinen Gimmicks: Wie z.B. Sonnenbrillen, die ich kaufen kann und die die Welt in einen entsprechenden Farbfilter tauchen. Oder die Möglichkeit als Passant im ÖPV mitzufahren bzw. die Spielwelt zu Fuß zu beschreiten. So kann ich z.B. auch die komplette Golden Gate Bridge per pedes  überqueren - dafür gibt es auch einen Bonus, aber das Ganze dauert dann auch fast solange wie in der Realität und das ist die virtuelle Aussicht dann auch nicht wert. Viel praktischer finde ich da die "Schnellreise-Option", die es mir ermöglicht an bestimmte bereits besuchte Orte auf der Karte zu "springen", denn das erspart viele "Leerfahrten" mit dem PKW.  Man kann den Entwicklern wirklich nicht absprechen, sich darüber keine Gedanken gemacht zu haben wie sie ihre Simulation unterhaltsamer, realistischer und dennoch für jedermann spielbar zu können machen.

Später fährt man sie dann auch: Die legendären Cable-Cars!
Später fährt man sie: Die legendären Cable-Cars!

Doch man merkt leider das unzureichende Beta-Testing an vielen Ecken. Da wäre das leidige Thema "Physik bei den Bussen", dann plagen doch recht häufige Abstürze den San Francisco Reisenden. Und wieso werden einige Lenkräder nicht erkannt und wenn, dann nur unzulänglich? Dabei macht das Spiel mit einem Lenkrad gleich doppelt so viel  Spaß. Wenn es erkannt wurde, muss ich es sehr umständlich einrichten, wobei Doppelbelegungen nicht angezeigt werden und so quasi "verlorengehen". Wenn ich  auf die "Default"-Einstellungen zurücksetzten möchte, geht das nicht! Ein Standard seit den Neunzigern! Wer sich indes mehr für die Schiene interessiert, der braucht auch kein Lenkrad und bekommt  die bessere Spielerfahrung.

Fazit

Dr. Jeckyl und Mr. Hyde!  In der Brust dieses Spiels schlagen zwei Herzen. Busfahren sollten die Erfurter einfach anderen überlassen, die das besser können. Im Gegensatz zum Omnibussimulator fühlt und hört sich das hier nicht halb so realistisch an. Ja, die Busse verfügen über Kneelig, können eine Panne haben und ich kann sogar viele Armaturen direkt per Maus bedienen. Trotzdem will der Funke  nicht überspringen, weil die Physik enttäuscht. Die Cable Cars, Trolleys und Streetcars, also alles was auf Schienen oder zumindest an der Oberleitung fährt, sind jedoch das Highlight dieser Simulation. Man wäre gut beraten gewesen nicht gleich alles auf die "Speisekarte" packen zu wollen, sondern nur das, was man auch wirklich kann - das klappt beim Restaurant um die Ecke auch besser so. Nun macht dies  die Bewertung natürlich nicht leicht(er). Wenn man nicht ausgerechnet mit einem Bus beginnen müsste und die freie Wahl hätte, so könnte man die Busse schon eher als schlechte "Zugabe" ansehen und vielleicht ein Auge zudrücken. Allerdings kann und darf man auch von einem günstigen Produkt wie diesem erwarten, dass alles was drin ist, auch vernünftig funktioniert. So scheitert TML auch diesmal wieder knapp an der Marke zum "Gut". Diejenigen denen es  voranging um die Schienenfahrzeuge geht, könnten gut und gerne 3% hinzuaddieren, doch auch sie müssen sich erst einmal etwa sechs bis acht Stunden mit dem Bus abgeben.

Pro

sehr große Spielwelt (1260 Haltestellen)...
originalgetreu nachempfundener Stadtkern von SF
sechzehn Fahrzeuge des ÖPN
verschiedene Kameraperspektiven
Tag/Nachtwechsel, Sonne/Regen
Bonus- und Malussystem
Schienenfahrzeuge hören sich realistisch an...
Reparatur" - Minispiele
verbesserbare eigene Wohnung
verbesserbarer eigener PKW
reinigen und tanken möglich
Verkehrsdichte stufenlos anpassbar
"Mitfahren" möglich
Sanktionen für Verkehrsdelikte
Leistungskontrolle per Fahrerakte
Fahrtenprotokoll nach jeder Fahrt
Müdigkeit des Fahrers wird simuliert

Kontra

...die allerdings etwas steril wirkt.
kein freies Speichern
keinerlei Multiplayer
Optionen
kaum Sprachausgabe
mitunter krasse Physik-Aussetzer
kein Schadensmodell
...Busse hingegen nicht (zu dünn)
häufige Pop
ups und Fade-ins
immer wieder Spielabstürze
extrem lange Spielzeit nötig, um voranzukommen
kein direktes Feedback der Fahrgäste

Wertung

PC

Die schwache Physik, insbesondere bei den Bussen, verwehrt dem Bus- und Cable-Car Simulator die Note Gut. Schade, denn auf der Schiene läuft's viel besser!

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