Hearts of Iron 2: Darkest Hour29.06.2011, Bodo Naser
Hearts of Iron 2: Darkest Hour

Im Test:

Wer seine Truppen auch mal im Ersten Weltkrieg in die Schützengräben hetzen will, kann das endlich auch in Hearts of Iron: Darkest Hour machen. Ansonsten bietet das an eine Modifikation angelehnte Strategiespiel zwar bekannte Mechanismen, die allerdings mit durchdachten Neuerungen aufgepeppt wurden.

Im Westen nichts Neues?

Mit zwei Kampagnen bietet es zwar eher magere Kost, aber man darf im Ersten Weltkrieg spielen.
Mit zwei Kampagnen bietet es zwar eher magere Kost, aber man darf im Ersten Weltkrieg spielen.

Der Erste Weltkrieg bietet zwar im Vergleich zum späteren weniger Bewegung im Gelände, ist aber nicht weniger interessant. Es gab große Schlachten wie an der Marne, bei Verdun oder Tannenberg, berühmte Generäle wie von Hindenburg, Ludendorff oder Petain sowie technische Neuerungen wie Maschinengewehr, Doppeldecker oder primitive Panzer. Deshalb ist es unverständlich, warum der auch „Großer Krieg“ genannte Konflikt bisher von Entwicklern derart stiefmütterlich behandelt wurde. Hier wären noch zig interessante Szenarien versteckt. Mit dem Kriegseintritt der USA 1917 kommt zudem auch die Westfront wieder in Bewegung, was für die gewünschte Dynamik sorgt.       

So ist es zu begrüßen, dass Hearts of Iron 2 eine Erweiterung zum Ersten Weltkrieg bekommt, die ohne Grundspiel installiert wird. In der ersten Kampagne kann man die Zeit von 1914 bis 1920 nachspielen, was aber nicht immer den geschichtlichen Vorlagen folgt. Zwar kann man im Groben den Ersten Weltkrieg mit allen wichtigen Mächten spielen, aber dabei lässt sich auch die Historie ändern. Als ich das Deutsche Reich wählte, musste ich nicht wie in der Realität an zwei Fronten kämpfen. Denn Frankreich und England hielten sich fein raus, während ich mir mit Österreich ganz Osteuropa aufteilte. Meinen vereinigten Armeen war Russland nicht gewachsen, weshalb es schon kurz nach Kriegbeginn auf dem Rückzug war. Ich spielte also eigentlich eher den Deutsch/Österreichisch-Russischen-Krieg statt eines Weltkriegs, was aber auch interessant war.

Husarenritt auf See

Flucht durch die Adria. Entscheidungen lösen Ereignisse aus, auf die man wiederum reagieren muss.
Flucht durch die Adria. Entscheidungen lösen Ereignisse aus, auf die man wiederum reagieren muss.

Auch sonst kann man jetzt mehr seinen eigenen historischen Willen durchsetzen, da es mehr Entscheidungen gibt. Von Anfang an gibt es gleich wichtige Wegmarken, die öfter und regelmäßiger erscheinen als beim Grundspiel. Zudem hat die Wahl immer eine unmittelbare Auswirkung auf den Spielverlauf - so kann man etwa eine Kriegsanleihe ausgeben, um an Geld zu kommen. Vieles zielt aber auch auf Bündnisse ab, etwa wenn man als Deutscher Kaiser einen Geheimpakt mit dem Osmanischen Reich schmieden kann. Bislang gab es ja nur offene Vereinbarungen. Zudem haben viele der Entscheidungen Auswirkungen auf die Moral, etwa wenn man die Kriegstrimmung anheizt, indem man die zwei Boote quer durch die Adria und Ägäis schippern lässt, um der alliierten Flotte zu entkommen. Wenn man auf feindliche Kreuzer trifft, ist man die Schiffe allerdings los, da sie nur leicht gepanzert sind.

Sonst gibt es im Ersten Weltkrieg aber weniger Überraschungen, da sich alles ein wenig wie die Light-Version des Zweiten spielt. Mehrheitlich führt man große Massen von Infanterie, Artillerie  und vereinzelt auch noch Kavallerie an die Font, wobei es vergleichsweise vertraut zugeht. Es treten kaum Dinge wie Stacheldrahtverhaue, Giftgas oder Trommelfeuer auf, die für den Ersten Weltkrieg typisch wären. Auch der Grabenkrieg kommt so gut wie nicht vor, da er auf der großen Landkarte kaum darstellbar ist. Die Einheiten stammen jedoch alle aus der Zeit und sind noch detaillierter als im Grundspiel. Auch wenn es taktisch keine neuen Kniffe gibt, so führen immerhin bekannte Offiziere wie Paul von Hinderburg die Truppen in den Krieg. Allerdings haben sich ein paar Texte eingeschlichen, die nicht übersetzt wurden.            

Faschist oder Gutmensch?

Mussolini beginnt im Krieg, den  er siegreich beenden muss.
Mussolini beginnt im Krieg, den er siegreich beenden muss.

Die zweite von nur zwei Kampagnen bietet Altbekanntes, das aber auch immer noch zu fesseln weiß. Hier kann man wieder im Zweiten Weltkrieg spielen, wobei man aber stets 1936 startet. Man kann etwa Frankreich durch die dunkelste Zeit des 20. Jahrhunderts führen, um den Deutschen von Anfang an Paroli zu bieten. Oder aber man wendet sich der Gegenseite zu, etwa wenn man das faschistische Italien regiert, das sich gleich zu Beginn im Krieg mit Äthiopien befindet. Mehr als im Grundspiel ist es hier möglich, eigene Positionen durchzubringen: So muss sich Italien nicht unbedingt in die Arme des Deutschen Reichs werfen. Man könnte stattdessen eine Zwischenposition einnehmen, die versucht zwischen Achsenmächten und Alliierten zu vermitteln. Die Politik lässt sich zwar verändern, aber ob so aus Italien ein demokratisches Land wird, ist zu bezweifeln, da der Wandel nur sehr langsam abläuft.

Auch hier stehen mehr wichtige Entscheidungen als im Grundspiel an: Das eingenommene Geld der Kriegsanleihen lässt sich in Straßenprojekte, Wissenschaft oder Rüstung investieren. Die Ereignisse bauen aufeinander auf: Wer hier die Forschung fördert, der bekommt irgendwann die Möglichkeit, Raketen zu erfinden. Zudem kann man versuchen, die marode Wirtschaft anzukurbeln, indem man fortgeschrittene Produktionstechniken erforscht. All das ist freilich auf den Krieg gerichtet, der hier aber nicht automatisch beginnt, so dass man gut bis 1942 warten kann, bis man genug gerüstet ist. Mussolini war ja immer der Meinung, der Krieg hätte für ihn zu früh begonnen. Das Spiel läuft dieses Mal sogar bis 1963 – ob der Duce auch so lange durchhält? Vielleicht wird er auch vorher vom Ausland ermordet.

Automatische Krieger

Neue Waffen sind schneller entwickelt als flächendeckend eingeführt.
Neue Waffen sind schneller entwickelt als flächendeckend eingeführt.

Taktisch hat sich seit dem Grundspiel wenig geändert, wenn man mal von den Einheiten absieht, die noch eine Ecke authentischer sind. In Italien gibt es Bersaglieri,  Fiat 3000 Panzer und Macchi M.C. 200 Jäger. Insbesondere der Umbau der Einheiten in eine moderne Armee geht schleppend vonstatten, da man nicht Ende 1936 schon alle umgebaut hat. Da der Wert für Modernisierung anfangs auf null steht und die Fabrikation schwach ist, kann man sich als Italiener schon fragen, ob man es noch rechtzeitig zum Krieg schafft. Es ist eine Sache, modernere Panzer, Schlachtschiffe und Fabriken zu entwickeln, aber eine andere, sie flächendeckend einzuführen. Wenn man nicht jede Truppe neu bauen will, gibt es nur die Möglichkeit, den Knopf auf „neu ausrüsten“ stellen und warten.

Darüber hinaus gibt es Möglichkeiten, den Regierungschef zu entlasten, indem man langweilige Geschäfte automatisch abwickelt. Es empfiehlt sich, rein aufs Militär zu achten und Spionage per Hand zu betreiben, aber Diplomatie und Produktion dem Computer zu überlassen. So muss man nicht dauernd am Haushalt rumfummeln, wie man das aus Hearts of Iron 2 teils kennt. Für die Verteilung der Gelder auf einzelne Teilbereiche wie Konsum kann man extra Anweisungen geben, weshalb man so recht komfortabel regiert. Allerdings muss man sich nicht darüber wundern, wenn die KI Verträge abschließt. Da wird dann schon mal das wichtige Bündnis mit Russland gekündigt, weshalb der Kriegseintritt sich verzögert.                         

Fazit

Es ist zu begrüßen, dass man auch mal im Ersten Weltkrieg regieren kann, denn zu lange wurde er stiefmütterlich behandelt. Allerdings spielt es sich bei Darkest Hour ein wenig wie ein lauer Aufwasch des Zweiten, weil die Hearts of Iron 2-Engine eben auf Weltkrieg 2 gepolt ist. So hätte die teils kleinräumige Kriegführung eine bessere Umsetzung verdient, da vom Gewirr der Schützengräben wenig zu spüren ist. Immerhin lässt sich der Lauf des Krieges verändern, so dass man seine eigene Militärhistorie schreiben kann. Das liegt nicht nur daran, dass weniger vorbestimmt ist, sondern dass man mehr wegweisende Entscheidungen treffen darf. Das macht sich auch im Zweiten Weltkrieg bemerkbar, den man auch noch spielen kann, wobei sich allerdings kaum was geändert hat. Ansonsten stört natürlich der geringe Umfang, der mit gerade mal zwei Kampagnen auskommt, die auch nur je einen Startpunkt haben. Dafür spielt sich alles noch eine Ecke authentischer, weil die Einheiten besser recherchiert wurden und die historische Lage überzeugender wirkt. Trotz beiliegender Weltkriegs-Doku muss man diese Erweiterung allerdings nicht unbedingt haben, da sie keine grundlegenden Neuerungen innerhalb der Serie bietet.                   

Pro

auch Erster Weltkrieg spielbar
mehr wichtige Entscheidungen
freier als das Grundspiel
Historie verändern
Armeen organisieren
authentische Einheiten
viel lässt sich automatisieren

Kontra

Erster Weltkrieg spielt sich kaum anders
keine wirklichen Neuerungen
geringer Umfang

Wertung

PC

Trotz Ausflug in den Ersten Weltkrieg kein Muss für Hobby-Strategen.

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