Im Test:
Flucht vor Messermama
Das Intro erzählt in kurzen Bildern die Geschichte einer tief christlich geprägten Mutter, die den ganzen Tag religiöse Sendungen konsumiert, wie man sie aus dem US-Fernsehen kennt. Plötzlich hört sie die vermeintliche Stimme Gottes, die ihr befiehlt, ihren Sohn dauerhaft in sein Zimmer einzusperren. Einige Zeit später verkündet jene Stimme, sie müsse Isaac opfern. Und während sie sich mit einem Messer bewaffnet den Weg in sein Zimmer bahnt, flüchtet der panische Sohnemann über eine Geheimtür in das Kellergewölbe – hier beginnt die blutige Odyssee von Isaac durch gefährliche Dungeons, die zunächst an Gauntlet erinnern: Er kämpft in Echtzeit gegen Feinde aus allen Richtungen. Mit der Zeit kann er über Zufallsgegenstände seine Werte wie z.B. Lebenskraft, Tempo oder Stärke verbessern.
Jedes Gewölbe wird in einer minimalistischen Draufsicht gezeigt und zufällig generiert – egal ob Feinde, Räume oder Gegenstände. Alles beginnt recht überschaubar, aber spätere
Dabei handelt es sich um ein Untergenre der Rollenspiele mit drei Charakteristika: Zufällig generierte Levels, Tod ohne Wiederbelebung (perma-death) sowie Rundenformat. The Binding of Isaac ist zwar weder rundenbasiert noch Rollenspiel - der Grundgedanke war aber die Inspiration für das Spielkonzept. Das hat es Edmund McMillen so angetan, dass auch Team Meats nächstes Projekt als "Rogue-like" eingeordnet wird. Abschnitte sind umfangreicher und mit kniffligeren Gegnern garniert. Jeder Dungeon wird von einem eigenen Boss bewacht, es gibt einen Geheimraum, einen Shop sowie - bis auf die letzten drei Bereiche - einen Schatzraum. Es gibt auch Spielautomaten, die manchmal nichts, manchmal kleinere Boni, manchmal aber auch nützliche Dinge ausspucken. Manche der zufällig verteilten Gegenstände bekommt man in 50 Stunden Spielzeit vielleicht ein oder zwei Mal zu Gesicht. Tarot-Karten haben ähnliche Effekte, können aber nur einmal eingesetzt werden. Items und Werte hin oder her, Isaac ist trotz etwas Rollenspielflair ein klassisches Actionspiel.
Ein Sturm im Wasserglas
Die Wirksamkeit eines gewissen Items könnte gar als Hinweis darauf gesehen werden, dass die Mutter mit ihrem Verhalten gegen die Prinzipien der Bibel verstößt. Auch Spieldesigner McMillen hat mehrfach betont, es gehe ihm nicht darum, einen bestimmten Standpunkt zu vertreten. Statt einer omnipräsenten Botschaft ist Isaac eher ein Gefäß für die Interpretationen des Spielers, eine Sammlung von Hinweisen auf eine traumatische Kindheit voller Spott, Isolation und Gängelung. Die Unterstellung der USK, Isaac würde blasphemische Botschaften enthalten, die religiöse Kinder "beeinträchtigen" könnten, ist ebenso lächerlich wie absurd. Was auch immer die Prüfer da geritten hat, es muss wohl tiefbayrischen Gefilden entstammen. Bei Headup Games hat man den Aufreger natürlich dankbar aufgenommen.
Der Zufall führt Regie
Der Zufall ist motivierend, kann aber auch frustrierend sein: Es gibt Partien, bei denen man einfach kein Glück hat. Wer z.B. auch im vierten Level immer noch kein Item gefunden hat, um seine Durchschlagskraft zu verbessern, dafür aber schon das dritte Geschwindigkeits-Aufrüstung serviert bekommt, steht letztendlich ähnlich wie ein Kartenspieler vor der Entscheidung: Steige ich aus oder versuche ich, mich mit dem mir dargebotenen 'Blatt' durchzubeißen?
Neben diversen Achievements wirken sich auch noch drei weitere direkt verfügbare sowie zwei freischaltbare Charaktere positiv auf den Langzeitspielspaß aus, die mit speziellen Stärken und Schwächen aufwarten. Meistert man das Spiel mit jenen Protagonisten, bekommt man neue Endsequenzen und schaltet ein paar durchaus nützliche Extras frei. Außerdem gilt: Nach zehn "Mom Kills" wird noch ein deutlich herausfordernderer Extra-Level zugänglich gemacht.
Die Technik im Flash-Wolf
Noch ärgerlicher ist allerdings die Performance. Es ist schon grenzwertig, dass die Bildrate bei wahrlich überschaubarer Technik nur mäßig stabil ist. Im schlimmsten (aber nicht regelmäßigen) Fall kommt es vor, dass die Spielfigur kurze Zeit gar nicht mehr auf Eingaben reagiert, diese dann plötzlich um einige Sekunden versetzt doch noch ausführt und damit letztendlich unkontrollierbar ist. Wer mit dem Spiel liebäugelt, sollte also die Mindestanforderungen ernst nehmen: Das, was von Screenshots und Videos her eigentlich netbooktauglich sein sollte, ist es leider nicht.
Fazit
Dass mich ein kleines Actionspiel mittlerweile über 70 Stunden an sich binden würde, hätte ich nicht gedacht. Das Zufallsprinzip und die Beschränkung auf das Wesentliche zahlen sich aus: Nicht selten ist weniger doch mehr. Für einen Durchlauf benötigt man ca. eine Stunde - oft genug ist man dann versucht, vor dem Gang ins Bett nochmal fix mit Isaac auf Monsterjagd zu gehen. Denn vermutlich wird man ja kein Glück haben und eh nach 20 Minuten aufhören. Pustekuchen! Frustmomente werden sofort negiert: Beim nächsten Mal wird bestimmt alles besser! Isaac lebt nicht davon, dass man es einmal bewältigt. Sondern davon, dass man es wieder und wieder und wieder und wieder und wieder probiert - und dabei stets neu herausgefordert wird. Bleibt nur zu hoffen, dass der Designer beim nächsten Privat-Projekt von Flash Abstand nimmt, damit das Spielgeschehen flotter läuft. McMillen arbeitet derzeit an einer Erweiterung namens "Wrath of the Lamb", die mit neuen Level-Sets, mehr Gegenständen und einer neuen Item-Klasse (Trinkets) aufwarten soll. Laut Angaben der Entwickler gibt es außerdem Gespräche über eine 3DS-Umsetzung von Isaacs tränenreicher Reise. Ach ja: Vergesst den lächerlichen Blasphemie-Vorwurf. Nicht das religiöse Thema, sondern die Spielmechanik begeistert!
Wertung
PC
Zelda trifft Robotron: Topdown-Action alter Schule in zufallsgenerierten Dungeons!
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