Euro Truck Simulator 212.11.2012, Mourad Zarrouk
Euro Truck Simulator 2

Im Test:

Der Vorgänger ist uns vor drei Jahren durch die Lappen gegangen. Die „deutsche Ausgabe“ konnte uns vor zwei Jahren noch nicht wirklich überzeugen, aber der Scania Truck Driving Simulator von Rondomedia machte im Sommer schon Lust auf mehr. Der Test des Euro Truck Simulator 2 (ab 10,05€ bei kaufen) wird zeigen ob das gerechtfertigt war.

Begrenzter Spielumfang? Hier nicht!

Dass man bei SCS Software mittlerweile seine Hausaufgaben gemacht hat, stellte man im Juli unter Beweis. Mit dem Scania Truck Driving Simulator lieferten die Tschechen ein solides Spiel ab, dem es  nur am Spielumfang  mangelte. Die Reduzierung auf einen Hersteller und eine Region verwehrte dem Spiel eine höhere Wertung.

Dieses Manko schlägt beim Euro Truck Simulator 2 (ETS 2) mit seinen 60 Städten und sieben lizenzierten LKW-Herstellern nicht mehr zu Buche. Wird man auch den spielerischen Erwartungen gerecht? Insbesondere nach zwei Terminverschiebungen?

Komplizierter Einstieg? Nein!

Ich beginne meine Karriere als Trucker, indem ich mir einen Namen gebe, mein Geschlecht bestimme und mir aus einer Vielzahl an Schwarz-Weiß-Portraits eines aussuche. Leider, lassen sich keine eigenen Bilder einbinden. Dann entscheide ich mich für ein bevorzugtes LKW-Modell, wähle ein Firmenlogo und gebe meinem jungen Unternehmen einen Namen. Danach startet ein vorbildlich konzipierter Assistent zur Einstellung der bevorzugten Steuermethode.

Wenngleich der ETS 2 mit Maus und Tastatur spielbar ist, sollte besser ein Gamepad verwendet werden, vorzugsweise ein Lenkrad. Die Entwickler unterstützen diese Wahl mit einer sehr guten Einrichtungshilfe. Es wird im Zuge dessen auch abgefragt, welche der vier Schalttypen man nutzen möchte. Von vereinfachter Automatik über Standard-Automatik zum sequentiellen Getriebe bis hin zur klassischen H – Schaltung inkl. Kupplung ist alles dabei. Danach darf ich aus den 60 Städten in acht Ländern meinen Firmensitz auswählen und dann geht’s auch schon los.

Eurokrise? Keine Spur!

Aller Anfang ist schwer und so gründe ich mein Imperium in einer recht überschaubaren Garage. Aber das muss ja kein Hindernis sein, wie Gates oder Jobs eindrucksvoll bewiesen haben. Meine ersten Aufträge muss ich auch zwingend als Angestellter bestreiten. Zu Beginn gewährt mir die Bank nämlich noch kein Darlehen zum Erwerb einer eigenen Zugmaschine. So spule ich meine ersten Auftragsfahrten ab, liefere mal Zucker von Hamburg nach Rostock, Zement von Rostock nach Kiel und von dort Fisch nach Hannover. Aufträge gibt es immer, nur ist zunächst alles auf die Region beschränkt, in der ich mich niedergelassen habe. Wer gleich von wunderbar langen innereuropäischen Fahrten à la Danzig-Dover träumt, der wird enttäuscht. Mit den norddeutschen Touren bin ich indes gut ausgelastet, denn die Zeitvorgaben sind zwar fair gestellt, aber trödeln ist auch nicht angesagt.

Wer wiederum zu schnell unterwegs ist, dadurch Unfälle baut oder rote Ampeln überfährt, muss mit Geldstrafen rechnen. Die Steuerung wurde im Vergleich zum Vorgänger bzw. dessen „deutscher“ Variante deutlich verbessert. Das ändert aber nichts daran, dass ständige Wachsamkeit gefordert ist. Bereits die Einstiegs-LKW bringen ordentlich PS auf die Straße und so kommt man (je nach Ladung und Gefälle) auch richtig auf Touren. Ein Touchieren der Leitplanke kann dann bei 100 Km/h schon mal katastrophale Folgen haben, obschon ein sichtbares Schadensmodell erneut fehlt. Ist der Sattelschlepper aber erst einmal umgekippt, hilft nur noch der Anruf beim Bergungsunternehmen und häufig noch der  Besuch bei der Werkstatt. Sauberes Fahren ist also wichtig und in dieser zweiten Auflage auch uneingeschränkt möglich.

Von Erfahrungspunkten und Bonität

Je mehr Aufträge ich erfolgreich abwickle, desto mehr Erfahrungspunkte gewinne ich.

Dann geht's auch schon auf die Straße, der Alltag beginnt.
Dann geht's auch schon auf die Straße, der Alltag beginnt.
Diese darf ich auf sechs  „Spezialfähigkeiten“ in jeweils sechs Stufen verteilen. So kann ich mich auf den Transport von Gefahrengut spezialisieren, oder als Allrounder möglichst alle Bereiche steigern, um z.B. auch schwere oder besonders fragile Güter Aufträge in Auftrag zu nehmen. Ein wenig Rollenspiel-Flair in einer LKW-Simulation? Warum nicht! Mit der Zeit bemerkt auch die Bank meinen Erfolg und erhöht meinen Kreditrahmen. In der ersten Stufe kann ich so über 100.000 Euro verfügen, allerdings zu einem unverschämt hohen Zinssatz von 18%. Egal, die Auftragslage ist weiterhin prima und mit der eigenen Zugmaschine ist der Profit pro Tour deutlich höher.

Also ab zum Händler und mit den Scheinen gewedelt. Doch was muss ich feststellen? Nicht nur, dass 90% der Boliden viel teurer sind als ich mir derzeit leisten kann, nein, der Erwerb ist auch noch an Fahrstufen gekoppelt. Das ist unsinnig und wirkt aufgesetzt, um das Spiel künstlich zu verlängern. Die größeren Maschinen sind komfortabler und ausgereifter. Warum sollte man diese erst nach einem bestimmten Erfahrungslevel erwerben dürfen? Der achtzehnjährige Millionärssohn kann sich auch den Porsche kaufen, wenn Papi ihm das Geld gibt - dem Händler ist es egal, ob er sich damit morgen um den nächsten Baum wickelt. Immerhin - für meinen ersten eigenen LKW reicht es ja und damit ist der erste Schritt zum Erfolg getan.

Vom Kilometerfressen und Sekundenschlaf

Ob als angestellter Fahrer oder selbstständiger Fuhrunternehmer, die Touren bleiben dieselben, nur die Gewinnmarge wird größer. Das ändert aber nichts daran, dass immer noch Kies von Hannover nach Dortmund gefahren werden muss und das kann trotz ansehnlicher Landschaftsgestaltung und recht authentischer Streckenführung (oder gerade deswegen?) auch sehr ermüdend werden. So ermüdend, dass sogar mein Alter Ego im Spiel laut und vernehmlich gähnt. Richtig gelesen: Wenn eine Pause ansteht, fängt mein Charakter an zu gähnen...erst seltener, dann immer häufiger, bis sich sogar der Bildschirm kurz verdunkelt, was den gefährlichen Sekundenschlaf simulieren soll; ässt sich auf Wunsch deaktivieren.

Dann sollte umgehend ein Parkplatz aufgesucht werden. Sobald der Motor aus ist, komme ich dann für ein paar Stunden zu Ruhe, bevor es auch schon wieder weiter geht. Der Kunde wartet schließlich. Immerhin: Dort angekommen, darf ich das aufwändige Rangieren an die Laderampen auch automatisch erledigen lassen, wenn der Termindruck zu hoch ist. Mag sein, dass der letzte Cowboy aus Gütersloh kommt und die Freiheit irgendwo sucht, wie die Thommy Bayer Band vor 30 Jahren trällerte, hier findet er sie jedenfalls nicht. Traumjob geht anders.

„Der Planer light“ inklusive

Irgendwann habe ich dann mal die wichtigsten Städte gesehen, zumal sie auch nicht

Einige Zufahrten sind verboten eng. Da ist schonmal exaktes manövrieren angezeigt.
Einige Zufahrten sind verboten eng. Da ist schon mal exaktes Manövrieren angezeigt.
wirklich groß sind. Berühmte Metropolen wie London, Paris, Berlin oder Hamburg warten zwar mit Sehenswürdigkeiten auf, aber die sind immer irgendwo in der Ferne auszumachen - wirklich dorthin fahren ist nicht möglich. Und auch die Transitstrecken bieten irgendwann nicht mehr so viel Abwechslung. Im Vergleich zum Vorgänger hat man diesbezüglich allerdings schon eine gewaltige Schüppe draufgelegt. Man darf aber dennoch nicht erwarten, „seine“ AB-Auffahrt detailgetreu wiederzufinden. Einige Großstädte wie Bielefeld haben es immer noch nicht in die Serie geschafft, obwohl dort einige der größten deutschen Speditionen ansässig sind.

Auf der Haben-Seite tragen insbesondere die Tag/Nachtwechsel oder auch das dynamische Wetter zu einer tollen (fast romantischen) Atmosphäre bei. Einen potenten Rechner vorausgesetzt, sind die Landschaften hübsch anzusehen, sogar Passanten trifft man jetzt ab und zu. Was die LKW selbst, sowie deren Innenansichten inkl. der vielen Spiegel angeht, macht den Jungs von SCS sowieso keiner was vor. Trotzdem: Auf Dauer müssen einfach Angestellte ran, sonst wird das nie was mit dem Transport-Imperium. Gottlob ist auch das wieder möglich: Der Management-Teil ermöglicht es mir eine ganze Belegschaft an Fahrern einzustellen und zu verwalten. Natürlich müssen dazu hohe Kredite aufgenommen und eine Menge LKW angeschafft werden, aber schlussendlich leite ich meine eigene Spedition (wenn ich auch ständig selbst weiter fahre) und stelle Fahrer ein, genau wie ich zu Beginn des Spiels eingestellt wurde . Das hat was.

Fazit

Chapeau! Mit dem Euro Truck Simulator 2 liefert Rondomedia /Astragon nach dem LAWI 2013 ein weiteres gutes Spiel aus. Die Steuerung wurde gegenüber dem Vorgänger deutlich verbessert, die Sattelzüge fahren sich glaubwürdig, die Landschaften sind authentisch und der Management-Teil wirkt nicht aufgesetzt. Auch die KI der Verkehrsteilnehmer und der Sound wurden deutlich verbessert. Nach wie vor empfinde ich eine in Echtzeit etwa einstündige Fahrt von Bratislava nach London als mitunter ermüdend, doch das kann man einer Simulation im Grunde nicht zum Vorwurf machen. Hunderte Kilometer auf europäischen Autobahnen abzuspulen, ist eben auch nicht immer spannend. Die Option Radiostreams oder die eigene Musikbibliothek direkt aus dem Spiel heraus einzubinden, das sauber implementierte GPS-System oder die mannigfaltigen Tuning-Optionen der Boliden zeugen aber davon, dass sich die Entwickler wirklich Gedanken gemacht haben, mehr Pepp in die Sache zu bringen. Für die Acht vorm Komma fehlt der Mehrspieler-Part, fehlen Sprechfunk und Sprachausgabe generell sowie Polizei und Zoll-Kontrollen. Auch ein visuelles Schadensmodell und der Winter werden vermisst. Es ist also Luft nach oben, aber der ETS 2 ist nicht weniger als der beste aktuelle LKW-Simulator.

Pro

Tutorials und ingame Spielhilfen
exzellente Einbindung von Lenkrädern
realistische Darstellung der Fahrzeuge
realistische Darstellung der Spielwelt
original lizenzierte Zugmaschinen
detaillierte Cockpit-Perspektiven
sehr große Spielwelt
verbesserte Verkehr - KI
deutlich verbesserte Fahr-Physik
Spezialisierung per Erfahrungspunktesystem
Personalmanagement
gut implementiertes GPS-System
lupenreines 3D per 3DVision
Tag/Nachtwechsel & dynamisches Wetter
Ermüdungserscheinungen
hunderte Tuningoptionen
automatisches Einparken möglich
Kanalüberquerung per Eurostar

Kontra

sich häufig wiederholende Spielabläufe
kein Schadensmodell
keine Jahreszeiten
keine Sprachausgabe
keine Polizei/Zollkontrollen
einige Großstädte „fehlen“
keine offizielle Unterstützung von Track IR
LKW abhängig vom Fahrlevel zu erwerben
LKW und Personal sehr teuer
kein Multiplayer

Wertung

PC

Trotz Luft nach oben: Die beste LKW-Simulation, die man derzeit kaufen kann.

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