Im Test:
Auf der Suche nach der weißen Stadt
Ich schlüpfe in die Haut von Feodor, welcher mit Hochdruck an der Erfindung einer Flugmaschine arbeitet. Inmitten der Aufbruchstimmung der Renaissance fürchtet die Kirche um ihre Macht; daher befindet sich auch Katalonien im Würgegriff der Inquisition. Während ich durch die beschaulichen Gassen Barcelonas streife, höre ich immer wieder Schauergeschichten über verschleppte und hingerichtete Ketzer. Auch die Brüder Morales befinden sich im Fadenkreuz der Kirche: Ihre Arbeit an abenteuerlichen Konstruktionen hat sich herumgesprochen und am Hafen haben bereits frische Inquisitoren angelegt, welche sich auf die Jagd nach den Erfindern machen. Auch der Geldgeber der Brüder – ein raffgieriger Graf – droht damit, sie zu verpfeifen.
Ein Uncharted für die grauen Zellen?
Als die Häscher ein seltenes Amulett beim Bruder Ramon entdecken, entführen sie
Stattdessen rafft er wie im Genre üblich jede Menge Utensilien zusammen und bastelt nützliche Apparaturen daraus. Die Konstruktionsrätsel sind die große Stärke des Spiels und sehr glaubwürdig in die Handlung eingebunden. Feodor ist schließlich Tüftler – und zwar ein Tüftler in der Zeit der Renaissance, als einfache aber clevere Ideen erstaunliche Erfindungen hervorbrachten. Es ist ungemein motivierend, in der Werkstatt oder unterwegs allerlei Gegenstände miteinander zu kombinieren, wieder zu trennen oder am Zeichenbrett neue auszuarbeiten. Zu Beginn muss erst einmal die Flugmaschine fertiggestellt werden, damit Feodor auf dem Luftweg aus der Stadt flüchten kann.
Glaubwürdige Freundschaftsdienste
Auch Gefälligkeiten wirken weniger aufgesetzt als bei der Konkurrenz: Da der
Die Bastel-Experimente gehen meist so einfach von der Hand wie der Rest der Steuerung: Wenn ein Objekt zu einem anderen passt, färbt sich der Mauszeiger rot (allerdings etwas zu langsam). Ergibt das Experiment keinen Sinn, gleitet der Gegenstand zurück ins Inventar – ganz ohne Kommentare wie „das funktioniert so nicht“. Standard-Features wie Schnellreise per Doppelklick oder Hotspot-Anzeige mit der Leertaste sind ebenfalls an Bord. Der Großteil der Aktionen wird mit der linken Maustaste gestartet, also je nach Symbol anschauen, nehmen oder sprechen. Da die erreichbaren Areale nur jeweils ein paar Bildschirme groß sind, habe ich mich nur selten verfranst. Der Schwierigkeitsgrad ist allgemein eher auf Einsteiger und Fortgeschrittene zugeschnitten als auf knallharte Adventure-Profis. Dank der üppigen Rätsel-Anzahl dauert die Abenteuerreise trotzdem rund 15 Stunden.
Der Lösungsweg ist das Ziel
Gelegentlich werden die Experimente aber auch von umständlichen
Manchmal helfen auch Verbündete weiter: Die selbstsichere, rotzige Kapitänstochter Jamila z.B. besiegt einen Fechtkämpfer, damit der ein gutes Wort beim Anführer der Korsaren für mich einlegt. Und sie lässt sich mit mir zusammen als Sklavin in einen Palast einschleusen. Jamila lässt zwar ab und an einen flapsigen Spruch vom Stapel, wirklich albern wird das Spiel aber selten. Der weder lustige noch todernstere Ton des Spiels passt genau so gut zur Abenteuergeschichte wie die nur sehr dezent eingesetzte Gitarrenmusik. Schön auch, dass die Hauptfiguren professionell vertont wurden. Vor allem Louis Friedemann Thiele passt perfekt zum neugierigen, rationalen Feodor.
Ruhige Entdeckungsreise
Die grünbraunen Hügel in Katalonien sehen genau so aus, wie ich sie aus einem
Während des Spiels fällt das allerdings nur selten auf, da man das Geschehen fast immer mit einem gewissen Abstand betrachtet. Nähere Einstellungen wie in Telltales Zurück in die Zukunft gibt es kaum - sie hätten deutlich mehr Dynamik ins Spiel bringen können. Vor allem in der ersten Spielhälfte plätschert die Geschichte nämlich recht gemächlich vor sich hin, da das mystische Artefakt und die legendäre Stadt zu Beginn kaum eine Rolle spielen. Das ist aber kein Beinbruch, denn ich hatte trotzdem viel Spaß daran, in die Geschichte der Region einzutauchen und auf Entdeckungsreise zu gehen. Ob es nun Piraten oder Feodors abenteuerliche Erfindungen waren – das Spiel hat immer wieder dazu animiert, auf Wikipedia in der Geschichte der Region zu stöbern. Für eine willkommene Abwechslung sorgen auch die gelegentlich eingestreuten, überspringbaren Minispiele. Mal setze ich am Reißbrett gefundene Objekte zusammen, später bestimme ich auf einem havarierten Schiff mit Fernglas und Seekarte meinen Standort.
Fazit
Lost Chronicles of Zerzura ist wie ein Uncharted für die grauen Zellen. Die Abenteuergeschichte um die verschollene Wüstenstadt kommt zwar nur langsam in Fahrt - trotzdem hat es mir Spaß gemacht, mich auf die Suche nach Feodors verschlepptem Bruder zu machen. Hübsche Kulissen und glaubwürdige Figuren lassen das Zeitalter von Renaissance und Inquisition lebendig werden. Das Highlight sind aber die Konstruktions-Experimente der Hauptfigur Feodor: Mir ist bisher kein anderes Adventure untergekommen, bei dem die Rätsel so logisch und glaubwürdig in die Handlung eingebundenen wurden. Schade, dass die Entwickler nicht ähnlich viel Mühe in das Aussehen der Charaktere, ihre Bewegungen und die Kameraregie haben fließen lassen. Auch ein paar umständliche Lösungswege nerven. Wer über die kleinen Schwachpunkte hinwegsieht und Spaß am Basteln hat, bekommt aber eine inspirierende Abenteuerreise in klassischem Point-and-Klick-Gewand.
Wertung
PC
Unterhaltsame Entdeckungsreise durch den Mittelmeerraum der Renaissance mit glaubwürdig eingebundenen Rätseln.
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