New Star Soccer 516.09.2011, Jan Wöbbeking
New Star Soccer 5

Im Test:

Wie jedes Jahr kämpfen die Fußball-Giganten EA und Konami um die Fans aus dem gegnerischen Lager. Aber braucht es wirklich noch besser modellierte Grashalme und Star-Nasenhaare? Eine kleiner britischer Indie-Entwickler präsentiert mit seinem Free-to-play-Titel New Star Soccer 5 einen radikalen Gegenentwurf: Retro-Kulisse statt Realismus, Doping statt Fairplay sowie jede Menge Bares, das sich in Villen, schnelle Autos und andere Luxusgüter investieren lässt.

Wein, Weib & Fangesang

Per Knopfdruck kann man sich zum Pass anbieten. Je mehr man sich in der Freizeit mit den Teamkameraden anfreundet, desto häufiger spielen sie ab.
Per Knopfdruck kann man sich zum Pass anbieten. Je mehr man sich in der Freizeit mit den Teamkameraden anfreundet, desto häufiger spielen sie ab.
Wie die 5 hinterm Titel verrät, ist auch New Star Soccer keine Neuerfindung, hat aber mit jeder Version den Fokus mehr auf das Drumherum gesetzt. Das Spiel konzentriert sich auf den Alltag eines Fußballspielers: Dazu zählen das eigenhändige Kicken auf dem Platz (man steuert immer nur seinen Spieler) und einen kleinen Manager-Teil, aber eben auch einige Annehmlichkeiten und Probleme im Alltag eines Fußballprofis. Wenn meine Fans mich unterstützen sollen, muss ich halt ab und zu zur Autogrammstunde – was eine ganze Ecke an meinem Energievorrat knabbert. Sie sind nicht die einzigen Personen, die um meine Zuwendung buhlen: Mein Chef ruft mich ins Meeting, meine Kumpels wollen mit mir um die Häuser ziehen und wenn der Mannschaftsgeist stimmen soll, muss ich auch ab und zu mit den Kollegen ins Casino.

Wenn ich mir Villa, Sportwagen oder glitzernde Statussymbole zugelegt habe, kann ich mir dank gestiegenem Lifestyle-Faktor außerdem eine Freundin anlachen. Auch sie will danach natürlich bei Laune gehalten werden. Jede dieser Gruppen besitzt einen Zufriedenheitsbalken, den ich möglichst weit rechts halten sollte. Nur in einem intakten sozialen Gefüge fühlt sich mein Alter Ego wohl und kann befreit aufspielen. Sogar eine PSP und einen Tablet-PC habe ich mir bereits zugelegt, um mich auf dem Flug zu Auswärtsspielen zu entspannen und meinen Energie-Balken etwas aufzufrischen. Oder ich konsumiere einfach ein paar leistungssteigernde Substanzen: Ein Energy-Drink steigert die Ausdauer, sorgt auf dem Spielfeld aber für abbremsende Magenkrämpfe. Ein Bierchen beruhigt nicht nur die die Nerven, sondern ermöglicht auch stärker angeschnittene Torschüsse. Vorsicht ist bei den unerlaubten Mittelchen vom Doktor meines Vertrauens geboten – schließlich gibt es ab und zu unangekündigte Doping-Kontrollen.

Hambur, meine Perle!

Das Spiel ähnelt also dem „Be a pro“-Modus von Fifa 11, setzt seinen Fokus aber stärker auf soziale Aspekte. Meine Karriere beginnt mit einer Unterschrift beim HSV. Mangels Lizenz wird wie bei den anderen europäischen Clubs kein voller Vereinsname, sondern nur die Stadt angezeigt. Hat sie mehr als sechs Buchstaben, wird ihr Name sogar unschön abgekürzt.

Im ersten Match kicke ich also für „Hambur“ gegen „Hoffen“. Beim ersten Blick aufs Spielfeld fühle ich mich fast wie vor meinem guten alten Amiga. Die schlichte 2D-Grafik ist Ancos Klassiker Kick Off nachempfunden, welcher in den frühen Neunzigern mit Sensible Soccer auf diversen Heimcomputern um die Genre-Vorherrschaft kämpfte. Sogar die Steuerung funktioniert wie anno dazumal mit nur einem Knopf. Wer möchte, darf aber auf ein alternatives Controller-Layout mit einzelnen Knöpfen für Pass, Torschuss und Lupfer umsteigen. Auch eine Tastatur-Steuerung ist möglich.

Im Shop gibt’s Villen, Sportwagen und andere Lockmittel für potentielle Lebensabschnittspartnerinnen.
Im Shop gibt’s Villen, Sportwagen und andere Lockmittel für potentielle Lebensabschnittspartnerinnen.

Das Team geht vor

Eine einschneidende Neuerung ist das auf einen Spieler ausgerichtete Konzept: Wie in FIFAs „Be a pro“ steuere ich grundsätzlich nur meinen eigenen Charakter und kann nicht zu anderen Spielern wechseln. Da ich auf einem Taktik-Bildschirm meine Position als Stürmer festgelegt habe, sollte ich bei Kontern nicht zu oft vor dem eigenen Tor aushelfen, damit ich noch als Anspielstation in der Spitze zur Verfügung stehe. Außerdem leidet auch der Konditions-Balken unter zu viel Gesprinte.

In New Star Soccer 5 ist also nicht nur das Ergebnis wichtig, sondern auch, wie es zustande kommt. Für jede Team-Aktion kassiere ich eine Belohnung. Ein gelungener Pass, ein Tackling oder ein Tor - und schon klingeln Punkte aufs Konto. Auch wenn der Torwart das Leder wegfaustet und ein Teamkollege es mit einem Nachschuss versenkt, wird mir das als Hilfe angerechnet. So tief wie z.B. im Team-Shooter MAG geht das Belohnungssystem aber leider nicht: Wenn ich vors Tor flanke und mein Mitspieler weiter passt und erst der nächste Spieler punktet, bringt mir das persönlich überhaupt nichts. Natürlich profitiere ich aber immer noch durch den wahrscheinlicher gewordenen Sieg.

Kick & Rush

Auf dem Platz ist meine Geduld der wichtigste Erfolgsfaktor: Da ich nicht mal eben zum spielführenden Spieler wechseln kann, muss ich vorausschauender spielen und mich möglichst dort aufhalten, wo der Ball in Kürze landen könnte. Zur Analyse der Laufwege gibt es nach dem Spiel übrigens eine Heatmap. Leider gestaltet sich eine Partie deutlich fader als in den guten alten Zeiten: Wenn es gut läuft, habe ich im fünf Minuten dauernden Match zwölf Ballkontakte, manchmal aber auch deutlich weniger.

Wenn man sich dann endlich mal richtig schön frei gelaufen hat, passen einen die virtuellen Mitspieler gerne auch mal in den Rücken. In Zeiten eines mit großem Budget entwickelten Fifa oder Pro Evolution Soccer wirkt die KI hier natürlich recht schwach: Meist beschränkt sich der Spielablauf auf einfaches Kick & Rush. Wenn meine Leistung nicht stimmt, setzt mein Trainer mich nach einer Standpauke auch mal für ein komplettes Spiel auf die Bank. Oder aber er wechselt mich erst in der 75. Minute ein. Genau das kann sich ebenfalls zum Stimmungskiller entwickeln: In den wenigen Restminuten ist es noch schwieriger, ins Spiel zu finden und genügend Ballkontakte für einen glücklichen Trainer zu haben. Also sitzt man oft eine ganze Reihe von Spielen nacheinander am Rand, während Freundeskreis, Fans & Co einem die letzte Energie für einen neuen Höhenflug rauben.

Öde Minispielchen

Laufgeschwindigkeit, Schusskraft und andere Werte lassen sich durch kleine Trainings-Einheiten erhöhen.
Laufgeschwindigkeit, Schusskraft und andere Werte lassen sich durch kleine Trainings-Einheiten erhöhen.
Die Pflege der sozialen Kontakte ist übrigens ziemlich langweilig umgesetzt: Meist klicke ich einfach auf öde Memory-Kärtchen, um meine Freunde aufzuheitern. Das hätte man mit ein paar gelungenen Dialog-Rätseln im Adventure-Stil deutlich besser umsetzen können. Besser gelungen sind die Schlagzeilen, welche die Welt lebendiger wirken lassen: Wenn die Fans durch rassistische Parolen oder andere Dummheiten auffallen, kann das zu Sanktionen und Geldstrafen führen. Auch an den kleinen Ausflügen ins Kasino hatte ich Spaß. Dort habe ich am Roulette-Tisch schon ein hübsches Sümmchen gewonnen - und später wieder verzockt.

Neben der Bundesliga stehen im Laufe eines Karriere-Jahrs auch Pokalspiele an. Wenn mein Marktwert steigt, kann ich zu anderen Vereinen wechseln – oder sich in den weltweiten Ranglisten mit anderen Spielern vergleichen. Sponsoren werden ebenfalls auf Neulinge aufmerksam, was z.B. die Anschaffungskosten für gutes Schuhwerk senkt. Als Kapitän darf man endlich auch Einfluss auf die Aufstellung nehmen. Matches gegen einen Kumpel fallen leider komplett unter den Tisch, da es keinen Multiplayer-Part gibt. Wer möchte, kann kostenlos ins Spiel hinein schnuppern: Bis zu drei Partien dürfen pro Tag absolviert werden (das Spiel kontaktiert zur Überprüfung beim Start den Server). Für 20 US-Dollar gibt es einen Premium-Account, welcher unbegrenztes Kicken ermöglicht. Kurz bevor dieser Test online ging, erschien übrigens das Update 1.05 – der Text bezieht sich aber noch auf die Version 1.03. 

Fazit

In den ersten Minuten wirkte New Star Soccer noch erfrischend anders: Wo sonst kann man vor dem Spiel ein Bierchen zischen, um den Effet beim Torschuss aufzumotzen? Das Drumherum steckt voller lustiger kleiner Ideen, welche der Karriere Leben einhauchen. Außerdem ist es natürlich schön, mal wieder ein Match im guten alten Kick-Off-Stil zu spielen – auch wenn Rasen und Menüs für heutige Verhältnisse reichlich karg aussehen. Auf dem Platz wurde es mir auf Dauer aber zu dröge: Da man immer nur seinen eigenen Spieler steuert, ergeben sich viel weniger Ballkontakte als in einem gewöhnlichen Fußballspiel. Außerdem agiert die durchwachsene KI meiner Teamkollegen natürlich bei weitem nicht so clever mit wie in einem aktuellen Fifa. In einem einfachen Remake wäre das kein Beinbruch, doch durch die seltenen Ballkontakte sorgen hier schon wenige Fehlpässe für Frust. Immerhin kann ich die Passbereitschaft meiner Mitspieler steigern, indem ich mich in der kostbaren Freizeit mit ihnen anfreunde. Nervig ist auch der Versuch, wieder von der Ersatzbank herunterzukommen. Wenn man einmal dorthin verbannt wurde, ist ein Comeback gar nicht so einfach. Zur Not darf man aber immerhin den Schwierigkeitsgrad senken. Bereut habe ich meinen kleinen Ausflug in die etwas andere Sportler-Karriere nicht. Trotzdem ist mir nach einigen Stunden die Lust vergangen, mich weiter durchzuackern.

Pro

interessant strukturierte Karriere
viele lustige Nebensächlichkeiten
Mut antrinken mit Bier, Doping und Energy-Drinks
Retro-Spielgefühl gelungen eingefangen
Mannschaftsspiel wird belohnt
einsteigerfreundliche Steuerung
Schwierigkeitsgrad jederzeit änderbar
euphorischer brasilianisch angehauchter Soundtrack

Kontra

trockener Match-Ablauf mit wenigen Ballkontakten
ein Formtief lässt sich schwer überwinden
Gegner passen oft in den Rücken
öde Freundschafts-Pflege per Memory-Minispiel
schlichte Kulissen und Menüs wirken mitunter trostlos
Animationen könnten ebenfalls geschmeidiger ausfallen
abgeschnittene Clubnamen
kein Multiplayer
Fangesänge wiederholen sich häufig
nur 4:3-Bildformat

Wertung

PC

Die Fußballkarriere im Retro-Stil bietet lustige Ideen, langweilt aber mit drögen Matches und veralteter KI.

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