Im Test: Freiheitskampf mit Verzögerung
Neue Offenheit
Der zunächst geplante lineare Nachfolger zu Homefront wurde schnell eingestampft, an seine Stelle trat eine relativ offene Erkundung der Stadt durch den Protagonisten Ethan Brady. Ich benutze das Wort „relativ“, denn im Gegensatz zu manch weitläufigem Schauplatz aus der Just-Cause- oder Far-Cry-Serie fühlt man sich im verhältnismäßig kleinen und streng bewachten Philadelphia der Zukunft deutlich eingeengter. Dementsprechend vorsichtig streift man also durch die Straßen des Open-World-Shooters. Zumindest zu Beginn, denn wenn man erst einmal die nicht besonders subtilen Schleichmechaniken verinnerlicht hat, lassen sich viele Wachen, Kameras und Drohnen oft auf unglaubwürdige Weise austricksen: Einfach schnell genug aus dem Sichtfeld sprinten – und schon leert sich die Aufmerksamkeitsanzeige wieder. Wenn sich zu viele Gegner in der Nähe aufhalten, geht diese Strategie aber nicht auf: Sobald man inmitten eines alarmierten Trupps landet, startet eine Schießerei, denn in erster Linie ist Homefront natürlich wieder ein Shooter.
Das kenne ich doch irgendwoher?
Ähnlich wie bei Ubisofts bekannter Open-World-Formel arbeitet sich der Spieler in unterschiedlich stark bewachten Zonen über die Karte, erobert strategisch wichtige Punkte wie Außenposten, Basen oder Sendemasten. Zu guter Letzt muss man im Viertel manchmal für guten Willen sorgen, damit die Stimmung gegen die Besatzer kippt und man die gepanzerte Basis stürmen kann. Hier einen schikanierten Passanten befreien, dort ein paar Kabel kappen, dann noch ein paar Propagandaradios manipulieren – und irgendwann erreicht die Stimmung den kritischen Punkt. Abseits vom monotonen Abgrasen solcher Fleißaufgaben haben Ethans Mitstreiter aber auch vielseitigere Aufträge und Nebenmissionen in petto, in denen man z.B. einen gehackten Panzer entführt, vor einer Großoffensive der feindlichen KPA zu einem Überraschungsangriff startet oder spontan einem benachbarten Widerstandsposten in der Nähe aushilft. Solche im Grunde spannenden Ideen scheitern aber immer wieder an den zahlreichen Problemen bei Missionsdesign, Technik und KI. Wenn die Action startet, strömen die Soldaten oft blindlings ins Verderben, bleiben an einem Trümmerteil hängen oder bauen anderweitig Unsinn. Im diesen Spiel werden die Gegner nur durch Überzahl oder mit Hilfe gepanzerter Vehikel gefährlich.
Wildes Durcheinander
Auf den ersten Blick wirkt die mit der CryEngine berechnete Kulisse erfreulich stimmungsvoll. Wenn die Abendsonne auf den nass glänzenden Asphalt und die glaubwürdig zerbombten Gebäude fällt, bekommt man als Fan verlassener Ruinen richtig Lust, all die schönen improvisierten Seitenwege über Stockwerke, Balkons und Dächer auszukundschaften. Auch die bedrohlich über allem schwebenden Riesenzeppeline oder bizarren technischen Anlagen sind imposant. Außerdem vermitteln die durch die Straßen marodierenden Bewohner das Gefühl, tatsächlich in einem Bürgerkrieg unterwegs zu sein. Sobald man etwas näher hinsieht, verfliegt die Magie aber schnell. Schuld daran sind die abgehackten Animationen und zahllose Bugs.
Behelfsmäßige Technik
Auch beim Technikhunger der Kulisse offenbart sich, wie turbulent es bei der Entwicklung hinter den Kulissen zugegangen sein muss: Obwohl das Gesamtbild bei weitem nicht mit CryEngine-Titeln wie Evolve oder gar einer Grafikperle wie Uncharted 4 mithalten kann, mussten wir mit unserer GTX 980 zur zweithöchsten Qualitätsstufe wechseln, um eine weitgehend flüssige Bildrate zu erreichen. Das gelegentliche Einfrieren des Bildes beim Nachladen lässt sich damit aber nicht verhindern, auch nicht bei Installation auf einer SSD. Im Guerillakampf spielt die Technik natürlich ebenfalls eine wichtige Rolle. Der diebische Held steckt alles ein, was nicht niet- und nagelfest ist, sogar direkt vor den Augen der Kollegen in der eigenen Basis: Platinen, Chemikalien, Schmerztabletten und mehr. Auch gefallene Gegner sollte man in einer ruhigen Minute unbedingt abklappern - oder die Fähigkeit zum automatischen Einsammeln erwerben. Wertsachen und Ressourcen lassen sich zu Geld machen oder mitten im Kampf umbauen. Auf die Schnelle gebastelter Sprengstoff z.B. erweist sich als nützlich im Kampf gegen die Goliath-Panzer, welche den Spieler um die Häuserschluchten jagen und penetrant mit ihren Geschützen piesacken.
Waffen Marke Eigenbau
Als Zweitwaffe lässt sich die Pistole z.B. in eine leise Luftdruck-Variante umbauen, die sich als praktisch für unauffällige Mordanschläge auf bewachte Offiziere erweist. Dazu kommen einige gewöhnliche Aufsätze wie Visiere und Griffe sowie einige Guerilla-Gadgets wie Böller zur Ablenkung oder ein ferngesteuertes Auto, welches einen Sprengsatz oder andere Dinge zum Gegner transportiert. Mit Hilfe von Hackgeräten lassen sich Drohnen, die Tore feindlicher Basen oder sogar die Einschienenbahn manipulieren, welche Brady zu einer gelben Zone transportiert. In diesen stärker bewachten Bereichen glaubt ein Teil der Bevölkerung noch deutlich stärker an die Propaganda der Besatzer, die sich mit Hilfe ihrer überlegenen Technik in den finanziell schwachen USA ein Hintertürchen geschaffen haben. Die Hintergrundgeschichte wirkt im Angesicht realer Geheimdienststrukturen reichlich unglaubwürdig und sorgt schon im Intro für viel unfreiwillige Komik. Zudem übertreiben es die Freiheitskämpfer in den Dialogen mit ihrer Dramatik, zumal die deutsche Übersetzung etwas holprig geraten ist.
Verdeckte Sabotage
Crawford liefert Brady Aufträge in einer gelben Zone, nachdem er ihn in die verhältnismäßig gut situierte Gesellschaft eingeschleust hat. Die Aufgaben konzentrieren sich hier vor allem auf leises Vorgehen. Sogar Passenten werden hier schnell nervös, wenn man eine Waffe zückt. Viele von ihnen haben sich offenbar mit ihren Privilegien arrangiert. Die breite Masse kann aber auch hier wieder durch Sabotage-Aktionen von den Zielen des Widerstandes überzeugt werden. Leider wirkt das Missionsdesign hier oft noch stupider. Brady muss z.B. einfach nur ungesehen einen Weg in die Wohnung eines hohen Tieres finden, um Dokumente zu stehlen – oder viele lautlose Kills mit Hilfe der holprig umgesetzten Schleich-Mechanik hinlegen. Auch das oft genutzte Klettern geht nicht so flüssig von der Hand wie bei der Konkurrenz. Ab und zu muss man ein zweites Mal ansetzen oder verliert durch einen Sturz wertvolle Energie. Das Handling der Waffen klappt passabel, fühlt sich aber ebenfalls nicht ganz so befriedigend an wie anderswo.
Reißt der Koop es raus?
Sobald die Action startete, störten aber auch hier die typischen Unzulänglichkeiten: Die KI agierte nach wie vor ziemlich dämlich und hat uns mitunter sogar ohne Sichtkontakt entdeckt, was bei dem hohen Schwierigkeitsgrad ziemlich haarig werden kann. Falls man den angeschlagenen Partner rechtzeitig erreicht, ist aber immerhin eine Wiederbelebung möglich. Dazu kamen einige sichtbare Lags und fehlerhafte Animationen, bei denen ein Spieler minutenlang den Moonwalk tanzte. Außerdem besitzt der Koop-Part mit nur sechs Missionen zu wenig Substanz: Wer sich im eigenständigen Talentbaum viele nützliche Fähigkeiten freischalten möchte, wird manche Levels ziemlich häufig zu Gesicht bekommen.
Vorsicht bei der Berufswahl!
Update für PlayStation 4 und Xbox One vom 23. Mai 2016:
Die PlayStation-4-Version von Homefront: The Revolution kommt der PC-Fassung auf den ersten Blick ziemlich nahe. Sie läuft mit voller 1080p-Auflösung bei (meistens) 30 Bildern pro Sekunde und erreicht hinsichtlich der Texturen und Effekte eine ähnliche Qualität wie die „hohe“ Voreinstellung auf dem Spiele-Rechner. Im Gegenzug treten aber immer wieder Ruckler und Slowdowns auf, durch sich manchmal sogar das Zielen und die Steuerung ein wenig träger anfühlen. Oft bricht die Bildrate bei Regen ein, wenn besonders viele Gegner im Sichtfeld herum wuseln – leider auch in ruhigen Momenten. Meist bleibt es noch erträglich, ärgerlich sind solche Ruckel-Einlagen trotzdem. Die Fassung für Xbox One hat mit ähnlich starken Framerate-Einbrüchen zu kämpfen, läuft allerdings nur in 900p-Auflösung, wodurch die Kulisse schon auf den ersten Blick eine ganze Ecke matschiger aussieht. Auch die Texturen wirken ein wenig unschärfer.
Fazit
Deep Silvers Dambuster Studio kann leider auch im finalen Produkt nicht kaschieren, wie viele Strategie- und Publisher-Wechsel sein unausgegorener Shooter hinter sich hat. Besonders die holprig umgesetzte Schleichmechanik und eine schwache KI sorgen dafür, das sich die Schusswechsel und Missionen meist ziemlich unbefriedigend gestalten - vor allem, wenn man kurz vorher gegen die clever agierenden Schergen von Uncharted 4 gekämpft hat. Auch das Gebastel am Equipment erweist sich im Gefecht als weniger wichtig als der Publisher es beworben hat. Der knifflige Koop-Modus hätte dagegen ein spannender kleiner Lichtblick werden können, da in diesen fokussierteren Missionen eine gute Koordination Pflicht ist. Doch auch er leidet unter dem Durcheinander aus Problemen, zumal das karge Angebot aus nur sechs Missionen auf Dauer zu schnell langweilig wird. Zusammengefasst stecken in Homefront: The Revolution also durchaus ein paar unterhaltsame Ansätze, welche meist aber aber durch schwaches Missionsdesign, Unmengen von Grafikfehlern und andere Probleme im Keim erstickt werden.
Update für PlayStation 4 und Xbox One vom 23. Mai 2016:
Konsolen-Besitzer müssen mit gelegentlichem Ruckeln leben; ab und zu sorgen Slowdowns sogar für eine träge Steuerung. Auf der PlayStation 4 ähnelt die in 1080p dargestellte Kulisse aber immerhin der PC-Fassung auf „hohen“ Einstellungen, während die zertrümmerte Stadt auf der Xbox One in 900p eine ganze Ecke unschärfer aussieht.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Die Xbox-One-Fassung leidet unter den gleichen Bildratenproblemen wie auf der PS4 und sieht zudem noch etwas unschärfer aus.
PlayStation4
Auch auf der PS4 wirkt der Freiheitskampf unausgegoren - und leidet zudem noch unter Rucklern und Slowdowns.
PC
In Homefront: The Revolution stecken durchaus unterhaltsame Ansätze, welche aber durch ein unausgegorenes Missionsdesign, Unmengen von Grafikfehlern und andere Probleme im Keim erstickt werden.
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