Blackwell Deception 29.09.2011, Bodo Naser
Blackwell Deception

Im Test:

Eine herzerwärmende Comic-Geschichte vom Abschied nehmen erzählt Blackwell Deception, das im Oktober bei Wadjet Eye Games (Gemini Rue) als Download erscheint. Lohnt sich die mysteriöse Suche nach der bitteren Wahrheit?

Ich leb doch noch!

Manch ein Geist will nicht einsehen, dass seine Zeit vorbei ist.
Manch ein Geist will einfach nicht einsehen, dass seine Zeit vorbei ist.

Wann ist jemand tot? Es gibt Erzählungen, wonach verstorbene Personen nach ihrem Tod einfach weitermachten, als wäre nix gewesen. So die makabere Gruselstory von einem Opa, der partout nicht tot sein wollte. Noch in der Nacht hochbetagt nach langem Todeskampf verstorben, wollte er am Tag nach seinem Ableben nichts davon wissen. Nachdem er sich beim Rasieren nicht mehr ganz so zielsicher war und sich das halbe Gesicht wegsäbelte, setzte er sich starrsinnig an den Küchentisch und verlangte nach Essen. Hier klingt leichte Kritik am Alter an: Er war so in seinem Tagestrott drin, dass er den Sensenmann gar nicht bemerkte. Ist doch gar nicht so schlimm, dass ich tot bin. Was soll’s, ich hab im Krieg viel Schlimmeres erlebt! Nach mehreren Tagen merkte er selbst, dass er langsam verweste und legte sich ins Bett, um abermals zu sterben.

Mit derartigen Härtefällen wird auch die Protagonistin von Blackwell Deception konfrontiert. Mit dem Unterschied, dass es keine Untoten, sondern Geister sind. Rosa Blackwell kann die Gespenster sehen und sich mit ihnen unterhalten, was sie zu einer Wandlerin zwischen den Welten macht. Das Problem ist auch hier, dass die Geister gar nicht akzeptieren, dass sie tot sind. Sie umschiffen das Thema gern und spuken an den Orten rum, wo sie als Lebender gern waren. Da gibt es etwa denn Hobby-Kapitän, der auch post mortem noch hinterm Steuer seines teuren Bootes hockt. Es gibt nur einen Weg, um die Geister zu erlösen: Sie müssen selbst begreifen, dass sie nicht mehr leben. Nur wie? Rosa muss sich was ausdenken, wobei sie der Spieler leitet.

Ungleiche Ermittler

Die beiden Helden kennen sich schon länger, als man anfangs denkt.
Die beiden Helden kennen sich schon länger, als man anfangs denkt.

Doch Rosa ist bei ihrer morbiden Tätigkeit nicht allein, denn sie hat einen Begleiter, der selbst nicht mehr ganz taufrisch ist. Ein durchscheinender Herr steht ihr zur Seite, der stets Anzug und Hut trägt. Joey wirkt, als hätte er noch persönlich Philip Marlowe gekannt, den berühmten Detektiv, obwohl er und Rosa eher im heutigen New York ermitteln. Sie kennen sich wohl schon recht lange, da es Bilder von Rosa als Kind gibt, wo sie mit Joey zu sehen ist. Freilich kann nur sie ihn sehen, so dass sie ein besonderes Band verbindet. Nach und nach erfährt man mehr über das ungleiche Duo, das in diesem Point&Click die ganze Zeit miteinander verbringt. Welches Mysterium steckt hinter Joey? Wieso ist er noch nicht ins helle Licht gegangen, wohin Rosa ihre Kunden bringt? Wieso will er mit manchem nicht reden, der ihren Weg kreuzt?           

Obschon sie auch schon in anderen Abenteuern zusammenwirkten, sind Rosa und Joey recht unterschiedlich. Die Ex-Reporterin ist eher einfühlsam, während er oberflächlich zu sein scheint, was auch in den Stimmen zu Ausdruck kommt: Rosa klingt sehr sanft, während er eher kurz angebunden ist. Finden sie dennoch zusammen? Auch wenn das reichlich schwierig scheint, denn Joey kann nix anfassen. Als Geist schwebt er einfach hindurch, was im Fall von geschlossenen Türen ein unschlagbarer Vorteil ist. Rosa hingegen ist die klassische Ermittlerin, die peinliche Fragen stellt, Beweise eintütet und Spuren vergleicht. Man muss daher die Stärken beider einsetzen, um einen Fall zu lösen. Das geht ziemlich flott, denn man kann jederzeit per Knopfdruck zwischen ihnen umschalten. Dort erfährt man, dass -wer hätte es gedacht- Geister auch furzen.      

Gespräche mit dem Jenseits

Jeder Tote hat seine Geschichte, die erst nach und nach ans Licht kommt.
Jeder Tote hat seine Geschichte, die erst nach und nach ans Licht kommt.

Wie bringt man nun die störrischen Toten dazu, dass es Zeit ist, zu gehen? Nun, jeder Jeck ist auch in diesem Fall anders, denn es hängt davon ab, wer der Tote war. So helfen Rosa und Joey im zweiten Fall einem Reporter, denn sie von früher kennt. Er denkt, dass er nur krank sei und sich deshalb hundelend fühlt. Für ihn kam der Tod so überraschend, dass er es nicht akzeptieren kann. Das ist so einfühlsam gemacht, dass er noch nicht mal daran zu denken wagt, dass er als Geist keine Gegenstände mehr benutzen kann. Als Rosa ihm das Notebook reichen will, sagt er nur dass sie ihm vorlesen will. Auch ans Telefon kann er nicht mehr gehen, obwohl er sich damit rausredet, gerade noch telefoniert zu haben. Der Tod ist also auch für die Toten ein Tabu, was eigentlich mehr über unseren Umgang damit sagt.

Es ist nun am Spieler rauszufinden, wer der Tote war und warum er genau starb. Das ist typische Detektivarbeit, denn es gilt, den entscheidenden Hinweis zu finden. Dabei stehen Rosa moderne Medien wie ihr Handy, E-Mail und eine Suchmaschine zur Verfügung, um ihre Hinweisdatenbank zu füttern. Schritt für Schritt bekommt man immer mehr raus. Wo hat der Tote gearbeitet? Was hat er sonst noch gemacht? Hatte er Schulden? Woran glaubte er? Dann endlich der Durchbruch! Irgendwann geht man damit zum Geist zurück und konfrontiert ihn mit der Wahrheit. In seinem Kopf beginnt es zu arbeiten und er sieht ein, dass es Zeit für sie ist. Rosa begleitet sie noch ein Stück weit und der Fall ist gelöst. Doch der nächste lässt nicht lang auf sich warten, da Rosa gefragt ist; langweilig wird’s aber nie.

Weitere Aufgaben

Neben Detektivarbeit kreuzen auch noch andere Rätsel euren Weg.
Neben Detektivarbeit kreuzen auch noch andere Rätsel euren Weg.

Normale Rätsel gibt’s natürlich auch noch, die einen Großteil der Spielzeit von rund sieben Stunden in Anspruch nehmen. Man muss Gegenstände finden und ins Inventar einsacken, was natürlich nur Rosa kann. Joey hat bis auf Krawatte und Windmaschine eigentlich wenig dabei, weshalb er sich aufs Lesen konzentriert. Die Tasche von Rosa wächst aber nie zu stark an, da sich die Gegenstrände zahlenmäßig in Grenzen halten. Allein das Finden, gestaltet sich bisweilen umständlich, da man jede Szene Pixel für Pixel absuchen muss, denn dem Oldschool-Abenteuer fehlt eine Hot Spot-Anzeige. Da hilft es auch nicht viel, dass der fliegende Joey überall hinkommt. Actioneinlagen müssen die beiden nicht fürchten, da es ruhiger als etwa in Gemini Rue zugeht.

Auch sonst ist es mit moderner Rätselhilfe nicht weit her, was man für die eher leichten Puzzles natürlich auch nicht wirklich braucht. Selbst Logikaufgaben sind hier meist lösbar, da es genug Hinweise gibt. So prangt etwa ein Schema an der Wand, wenn man mal eine Reihe von Astlöchern in der richtigen Reihenfolge drücken muss. Der einzugebende Begriff ist auch nicht zu lang. Dennoch sollte man schon recht gut Englisch können, denn sonst versteht man nicht genug, um die Rätsel zu lösen - auch wenn englische Untertitel ein wenig beim Verständnis helfen.                     

Reduktion aufs Wesentliche

Mit seinem bewussten Retrolook hebt sich Blackwell Deception angenehm vom sonstigen Adventure-Einheitsbrei ab. Die Grafik ist klar, mit eindeutigem aber nicht übertriebenen Comiceinschlag und nicht ganz so düster wie bei Gemini Rue.  Dem einen oder anderen dürfte das fürs 21. Jahrhundert zu pixelig sein, aber das ist ja genau der Reiz eines solchen Indie-Adventures. Zudem ist auch eindeutig eine Verbesserung gegenüber Gemini Rue zu sehen, auch wenn sie klein ausfällt, da es mehr Details und Farbnuancen gibt.    

Für ein kleines Adventure hat es einen ungewöhnlich professionellen Sound. Im US-Original agieren durchweg passende Sprecher, von denen keiner negativ aus dem Rahmen fällt. Untermalt wird das Ganze von Jazzklängen, die auch gut zu de Straßen New Yorks passen. Wadjet Eye macht auch hier seinem Ruf Ehre, besonderen Wert auf eine professionelle Vertonung zu legen.    

Fazit

Obwohl Blackwell Deception sicher nicht ganz so cool ist wie Gemini Rue, ist es doch in einigen Bereichen ausgereifter. Die Story wird sehr einfühlsam erzählt und beleuchtet Randbereiche des menschlichen Daseins. Was passiert, wenn wir sterben? Die Grundaussage des amerikanischen Comic-Adventures ist klug: Nur der scheidet leicht aus dem Leben, der nicht direkt rausgerissen wird. Die Leute, die keinen Abschied nehmen konnten, werden zu Geistern, da sie den Weg nicht finden. Schaurig will das gar nicht sein, denn kein Lebender kann die Gespenster sehen und sie treiben auch keinen Schabernack. Hier kommen die Protagonisten ins Spiel, denn sie müssen quasi posthum Sterbebegleitung betreiben. Das ist letztlich Detektivarbeit, die zum Glück nicht nur in bloßes Absuchen abgleitet. Um ans Ziel zu kommen, müssen die Beiden ihre Fähigkeiten kombinieren. Zum Schmunzeln wird’s immer dann, wenn Rosa und Joey in Gesprächen aufeinander prallen - da sie schon ihr ganzes Leben zusammen sind, reagieren sie wie ein altes Ehepaar. Um hier jeden Seitenhieb zu verstehen, sollte man aber schon gut Englisch beherrschen. Dann erlebt man ein intelligentes, mitfühlendes und erstaunlich interessantes Abenteuer.   

Pro

makabere Story
amüsantes Duo
Seitenhiebe auf den Tod
klassische Rätsel
Zusammenwirken nötig
Retrolook
einfühlsame Dialoge
toller Sound
englische Untertitel

Kontra

teils zu leichte Rätsel
oft Absuchen gefragt
keine Rätselhilfe
nur auf Englisch

Wertung

PC

Ein kleines, aber kluges und warmherziges Adventure über das letzte große Tabu.

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