Im Test:
Abseits der Geschichte
Der Herr der Ringe Online (HdRO) wirft den Spieler etwa in die Zeit, in der auch das Buch und der Film anfangen. Bilbo hat den Ring seinem Neffen hinterlassen und das Auenland verlassen; Frodo hat sich eben erst auf seine Reise begeben,
die ihn letzten Endes nach Mordor führen wird. Damit endet aber auch schon wieder die Gemeinsamkeit von HdRO mit der bekannten Geschichte. Zwar trifft man im Laufe seiner Abenteuer bekannte Personen der Vorlage, aber wer sich darauf freute, die Tore von Gondor Seite an Seite mit Gandalf zu verteidigen, der wird enttäuscht sein: HdRO schiebt euch auf einen Nebenschauplatz ab - einen erfundenen sogar noch dazu."Wir müssen draußen bleiben" - zumindest bei der Auswahl der spielbaren Völker. Böse Kreaturen wie Orks & Co könnt ihr nicht auswählen.
Die Entwickler haben - mit Recht - entschieden, dass ein MMORPG im Zentrum der Ereignisse der Bücher in ein zu enges Korsett gezwängt gewesen wäre. Also wurde einfach das Reich des Hexenkönigs von Angmar wiederbelebt - eigentlich ging es knappe 1100 Jahre zuvor schon unter. Auch wenn es frei erfunden ist und keine Grundlage bei Tolkien hat, schafft es das Spiel erstaunlich gut, eine glaubhafte Atmosphäre zu schaffen. Die Geschichten der Aufgaben - vor allem der epischen Aufgaben - sind stimmig und führen den Spieler wunderbar in die Welt ein; hinzu kommen immer wieder Anspielungen auf die Geschichte des Rings.
Etwas einseitig
Leider ging der Mut der Entwickler nicht so weit, mehr als nur die gute Seite spielbar zu machen. Es gäbe angeblich zu wenig an Vorlagen von Tolkien um Orks, Ostlinge oder andere Diener Saurons, die man Spielern zugänglich machen könne. Angesichts der Tatsache, dass aber ein ganzer Nebenschauplatz
Die Rassen:
- Menschen (alle Klassen), Startgebiet ist das Breeland
- Elben (Wächter, Waffenmeister, Jäger, Barde, Kundiger), Startgebiet sind die Turmberge
- Zwerge (Wächter, Waffenmeister, Jäger, Barde), Startgebiet sind die blauen Berge
- Hobbits (Wächter, Jäger, Schurke, Barde), Startgebiet ist das Auenland
Die Klassen:
- Wächter - defensiver Nahkämpfer mit Schild und schwerer Rüstung (so genannter Tank)
- Waffenmeister - offensiver Nahkämpfer mit zwei Waffen und schwerer Rüstung
- Hauptmann - unterstützender defensiver Nahkämpfer
- Jäger - Schaden aus der zweiten Reihe mit Pfeil und Bogen
- Schurke - offensiver Nahkämpfer der aus dem Hinterhalt zuschlägt
- Barde - Heilt sich und Freunde mit seiner Musik und macht damit auch Schaden bei Feinden
- Kundiger - Zauberklasse mit Begleiter für Schaden und Verwirrung der Feinde
Ganz genretypisch geht es nach dem Festlegen der Rasse an die Wahl der Klasse, wobei nicht jede Rasse (Heermeister sind z.B. den Menschen vorbehalten) auch jede Rolle übernehmen darf. Hier ist die Auswahl mit sieben Klassen schon umfangreicher - allerdings unterscheiden sich auf den ersten Blick die drei Kämpfer-Klassen kaum (Waffenmeister, Heermeister und Wächter). Doch keine Angst, im späteren Spiel werden die Unterschiede deutlicher und vor allem im Gruppenspiel gibt es für jede Klasse etwas zu tun. Der Waffenmeister fügt seinen Gegner mit zwei Waffen ordentlich Schaden zu, während der Wächter seinem Namen Ehre macht und die Prügel einsteckt; der Heermeister unterstützt die Gruppe mit Stärkungszaubern.
Barden nehmen bei HdRO die Rolle ein, die sonst Priester, Heiler oder wie sie auch sonst genannt werden ausfüllen: Unterstützung der Gruppe und diese am Leben erhalten. Der Gelehrte kann dies zwar auch, aber er wird eher Feinde schwächen oder mit Feuerbällen und anderen Zaubern seinen Beitrag leisten. Jäger und Schurken sind klassische MMORPG-Klassen: Fernkämpfer dank Bogen und Schaden aus dem Hinterhalt gepaart mit fiesen Tricks. Die
Der Hexenkönig in Angmar - "historischer" Hintergrund
- 0 Sauron wird besiegt und Isildur nimmt den Ring
- 2 Isildur stirbt und der Ring geht verloren
- 1050 Die Hobbits tauchen in Eriador auf
- 1300 Der Hexenkönig (es ist in Wirklichkeit der Fürst der Nazgul) erscheint in Angmar
- 1409 Der Hexenkönig von Angmar greift die nördlichen Reiche der Menschen und Elben an
- 1601 Die Hobbits besiedeln das Auenland
- 1974 Nach langem Krieg wird der Hexenkönig besiegt und flieht aus Eriador nach Mordor
- 2463 Der eine Ring wird gefunden und von Smeagol (Gollum) gestohlen
- 2890 Bilbo Beutlin wird geboren
- 2931 Aragon wird geboren
- 2942 Bilbo findet den Ring und bringt ihn ins Auenland
- 2968 Frodo wird geboren
- 3001 Bilbos verlässt das Auenland und kommt nach Bruchtal
- 3018/3019 Frodos Reise, der Ringkrieg und das Ende des Rings
Das Böse ist immer und überall
Wie bereits erwähnt spielt sich HdRO abseits der Abenteuer der Gefährten ab, allerdings auf bekanntem Terrain: Eriador ist der Teil von Mittelerde, in dem es gilt, das Unheil aus Angmar zu bekämpfen. Das Gebiet reicht von den blauen Bergen (dem Startgebiet der Zwerge) und den Turmbergen (Beginn für die Elben) im Westen über das Auenland (hier beginnen Hobbits ihre Abenteuer) und dem Breeland (Einstieg für die Menschen) im Zentrum bis zum Nebelgebirge im Osten. Nördlich davon liegt Angmar, Ausgangspunkt des Feindes, der Grund allen Übels ist, welches im Laufe des Spiels bekämpft wird. Eine Erweiterung des Gebietes sollte aber recht bald erfolgen, denn wirklich riesig ist der begehbare Teil der Welt nicht.
Betritt man die Welt von HdRO mit seinem frisch gebackenen Charakter, geht es sofort zur Sache und es startet die Einführung mit einer, je nach Rasse unterschiedlichen, kleinen Instanz.
Hier werden nicht nur die ersten Funktionen des Spiels erklärt, sondern die Geschichte dazu gibt euch gleich das Gefühl ein Teil der Welt zu sein. Müssen die Elfen den Diebstahl eines wichtigen Artefakts verhindern, müssen die Menschen aus einem Gefängnis ausbrechen. Hier trefft ihr dann gleich das erste Mal bekannte Figuren - auf wen genau, wird hier aber nicht verraten.Diese Herren dürfen natürlich nicht fehlen - einer der Nazgul auf der Lauer.
Schön gebaut und gut geklaut
Hat man den Einstieg hinter sich, präsentiert sich HdRO als Augenschmaus und muss sich weder hinter den gewaltigen Bildern der Filme noch der Konkurrenz verstecken. Die Landschaften sind stimmig und erinnern sofort an die Filme: verschneite Berge bei deren Anblick man fröstelt, idyllische Wiesen und geheimnisvolle Ruinen - einfach ein Genuss. Dabei sind es die Details die für die so wichtige Atmosphäre sorgen und die Welt lebendig erscheinen lassen: hohes Gras wiegt sanft im Wind, Schafe weiden auf den Wiesen und von den Bäumen fällt Laub. Etwas blass fallen dagegen die Effekte und Kampfanimationen aus, denn die Figuren sehen aus, als würden Sie mit Schwert und Dolch dem Gegner Luft zu wedeln und werden ein Stärkungszauber oder Feuerball gewirkt, hält sich das Feuerwerk auch in Grenzen.
Etwas bekannt wirkt das Interface von HdRO, eindeutig standen hier WoW und EQ2 Pate für die Gestaltung, aber das hat sich ja bewährt. Etwas schade ist, dass das Interface bei höheren Auflösungen (ab 1280 x 1024) etwas fisselig wird, denn die Buttons sind dann doch recht klein - eine Skalierung wäre sinnvoll gewesen. Etwas verwinkelt ist die Charakterübersicht geraten, denn aktive und passive Fähigkeiten oder Talente sind in Untermenüs versteckt.Die stimmungsvolle Landschaften wirken friedlich - noch ...
Learning by using
Während man sich durch Mittelerde bewegt, mit NPCs spricht (Questgebern schwebt stilecht ein Ring über dem Kopf) und Monster in den virtuellen Tod schickt, bekommt man nicht nur die obligatorischen Erfahrungspunkte, sondern entdeckt auch die eine oder andere besondere Eigenschaft (Talent genannt). Im Gegensatz zu den Fähigkeiten, die man beim Klassenlehrer gegen Gold und bei Erreichen der erforderlichen Stufe erlernen kann, muss man sich das Talent erarbeiten. Hat man eine bestimmte Fähigkeit im Kampf einige hundertmal verwendet oder eine bestimmte Anzahl einer Gegnerart erlegt, bekommt man das Talent zugesprochen. Diese Talente sind entweder stärke Varianten der Fähigkeiten oder passive Verbesserungen: Widerstand gegen z.B. Gifte, Feuer erhöht oder ein Bonus auf Ausweichen.
Das Besondere an dieser Art der Charakterentwicklung ist, dass sich im gewissen Rahmen die eigene Spielfigur an die persönliche Spielweise anpasst.
Wer wird wohl im "Tänzelnden Pony" in Bree auf uns warten? |
Ähnlich wie bei dem Freischalten von Talenten funktioniert der Erweb von Titeln und anderen netten Dingen. Wer z.B. alle wichtigen Orte einer Region (im Spiel soll es ca. 100 davon geben) besucht hat, oder eine bestimmte Anzahl von Aufgaben erfüllt hat, der darf sich mit einem Titel schmücken. Ansonsten bleiben die Aufgaben im Rahmen des genretypischen "Sammle fünf Felle von Wölfen" oder "Suche meine verlorene Tasche in der Ruine" - alles nicht neu und nicht innovativ.
Hilfe, die Monster sind los!
Ganz ohne den bei Spielern beliebten PvP-Anteil wollte Turbine sein Spiel doch nicht ins Rennen schicken. Wenn es schon kein direktes Kräftemessen der Spieler gibt, so wird ein durchaus interessanter Ersatz angeboten. Monster Play wird das System genannt und der Name ist auch Programm:
Böse sein darf man nur im Monster Play - muss man aber nicht |
In den Ettenöden gibt es neben dem reinen Kämpfen auch einige Aufgaben und Entdeckungen. Außerdem gibt es Schicksalspunkte, besondere Talente und Ansehen bzw. Verrufenheit (je nachdem ob man Gut oder Böse spielt) zu erringen, die sich dann gegen Verbesserungen eintauschen lassen. Diese Verbesserungen kann man sowohl für den eigentlichen Charakter als auch für den Monstercharakter einsetzen und werden auch außerhalb des PvP-Gebiets mit übernommen. Diese Lösung über das Monster Play ist eine wirklich unterhaltsame und clevere Art ,die zwei größten Kritikpunkte an HdRO abzuschwächen: kein PvP, nur die Guten spielbar. Praktisch ist das Monster Play ein eigenes kleines Spiel im Spiel - wenn auch mit einer gewissen Wirkung nach außen.
Alleine stark - gemeinsam stärker
Im Gegensatz zu einige Konkurrenzspielen (inklusive dem hauseigenen Dungeons and Dragons Online) lässt HdRO die Solospieler nicht im Regen stehen, denn es gibt genug Aufgaben und Abenteuer, die man ohne Hilfe andere Spieler erleben kann. Wer sich allerdings entschließt mit anderen Spieler zusammenzuarbeiten, der wird mit einem mächtigen Gruppenkampfsystem belohnt (Conjunction genannt). Das System erinnert sehr an die Heldenchancen aus EverQuest 2 und funktioniert auch ähnlich: Wird eine Conjunction ausgelöst (der Gegner muss dafür z.B. betäubt werden), hat jedes Gruppenmitglied die Möglichkeit zu reagieren und kann eine der vier Farben auswählen. Je nach Kombination ergibt sich dann ein mehr oder weniger starker Effekt. Noch zu erwähnen ist, dass dieses System nur bei besonderen Gegnern Anwendung findet und nicht bei den Standardmonstern funktioniert.
Im Laufe des Spiels fällt auf, dass Turbine sich ein Erfolgsrezept der Konkurrenz zu Eigen gemacht hat: hohe Inhaltsdichte und kurze Wege.
Die Conjunctios im Einsatz - mit der richtigen Farbkombination fällt auch der dickste Gegner um. |
Weitaus weniger komplex ist dann aber wieder das Handwerk, bei dem man die Wahl zwischen sieben Berufen (Waffenbauer, Rüstungsschmied, Entdecker, Historiker, Kesselflicker, Waldhüter und Freibauer) hat, die sich aus je drei der Grundberufe zusammensetzen (als Waffenbauer ist man z.B. Waffenschmied, Drechsler und Schürfer). Sind die Rohstoffe vorhanden kann das gewünschte Produkt hergestellt werden - Interaktionen, Reaktionen (wie bei EverQuest 2 oder Vanguard) gibt es nicht. Stellt man genug her, steigt man irgendwann auf und darf nach Abschluss einer Quest bessere Gegenstände herstellen. Hier hat HdRO auch beim Craftingprimus abgekupfert, diesmal aber leider zum Nachteil, denn so unterhaltsam und fordernd wie bei Vanguard ist Handwerk nicht.
Fazit
Die ebenso simple wie platte Frage, die über Herr der Ringe Online schwebt – auch provoziert von Codemasters mit seinen großspurigen Ankündigungen – ist, ob hier ein World of WarCraft-Killer auf den Markt kommt. Meine Antwort darauf ist ein klares: "Jein". Ganz wichtig ist: Im Gegensatz zu Vanguard und anderen ist dieses Spiel tatsächlich fertig. Aber es hat leider nicht nur die guten Dinge von der Konkurrenz übernommen, sondern auch einige weniger gute; Stichwort: Handwerk. Grafisch und technisch ist es absolut auf der Höhe der Zeit, schlägt World of WarCraft dabei deutlich, selbst wenn die Stimmung bei den Kämpfen mit mehr Effekten auftrumpfen könnte. Und mit den Talenten gibt es eine interessante Neuerung bei der Charakterentwicklung – wenn da nicht der böse Grind lauern würde. Auch wenn HdRO den Spieler nicht auf die Hauptbühne des Ringkrieges lässt, springt der Funke sofort über und wird jeden Fan von Mittelerde schon nach wenigen Minuten in den Bann ziehen. Diesen atmosphärischen Pluspunkt haben viele andere Online-Rollenspiele nicht. Und wenn man daran denkt, wie oft große Namen in diesem Genre schon verheizt wurden (siehe Star Wars Galaxies), kann Herr Tolkien ruhig schlafen: Turbine hat seine Sache wirklich gut gemacht!
Pro
Kontra
Wertung
PC
Ob J.R.R. Tolkien Herr der Ringe Online spielen würde? Keine Ahnung, aber für Fans ein Muss!
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.