Post Mortem13.02.2003, Bodo Naser
Post Mortem

Im Test:

Nach dem wenig gelungenen Syberia, das hierzulande trotzdem viel Beachtung gefunden hat, versucht Microids mit Post Mortem (ab 11,25€ bei kaufen) wieder einmal dem Point & Click-Adventure neue Impulse zu geben. Das Krimi-Abenteuer, das wie ein Film Noir aufgebaut ist, gibt sich wesentlich düsterer als die heile Welt aus Syberia. Dass es zumindest spielerisch mehr überzeugt, erfahrt Ihr aus unserer Review.

Das Böse in Paris

Eine unbekannte Schöne kommt zu einem abgebrannten Privat-Schnüffler, um ihn mit Geld und Sexappeal davon zu überzeugen, einen mysteriösen Auftrag anzunehmen. Der klassische Anfang eines Film Noir aus den 40er-Jahren - auch das Grafik-Adventure Post Mortem, das allerdings in den 20ern spielt, beginnt derart.

Eine androgyn wirkende Frau will, dass Ex-Detektiv und Gelegenheits-Maler Gus MacPherson den bestialischen Mord an ihrer Schwester und deren Mann aufklärt, die in ihrem Hotelzimmer in Paris enthauptet wurden. Der Auftrag stellt sich als nicht ganz so normal dar, wie es zunächst den Anschein hat. Der sensible MacPherson gerät in einen gefährlichen Strudel aus Lüge, Intrige und Tod.

Spannende Ermittlungen

Im Laufe des per Maus einfach zu bedienenden Adventures, das komplett in der Stadt an der Seine spielt, muss MacPherson nun Licht in die mysteriösen Ereignisse bringen. Das macht er vor allem, indem er den Augenzeugen auf den Zahn fühlt und Beweise sammelt. Mit Hilfe von interaktiven Multiple-Choice-Dialogen müsst Ihr versuchen, den teils skurrilen Gesprächspartnern so viel wie möglich zu entlocken. __NEWCOL__Zu Beginn begebt Ihr Euch natürlich an den grausigen Tatort, wo Ihr gleich vor die interessante Frage gestellt seid, wie Ihr dem Portier klarmacht, warum er gerade Euch alles erzählen soll. Gebt Ihr Euch als Agent einer Versicherung aus oder sagt Ihr lieber die Wahrheit, dass Ihr ein mieser Schnüffler seid? Wird man Euch dann nicht gleich hinausbefördern...?

Viel Überraschendes

Im Gegensatz zur Masse der Point & Click-Adventures ist Post Mortem deutlich weniger linear. So gibt es meist mehrere Wege, um ans Ziel zu kommen, was die Wiederspielbarkeit des Spiels deutlich steigert. Gerade die Art der Fragen beeinflusst, wie sich eine bestimmte Person gegenüber Euch verhält.

Wäre es nicht besser, zu der verschrobenen Wahrsagerin im Hotel etwas freundlicher zu sein? Was würde sie wohl antworten, wenn Ihr mehr auf ihre wirren Visionen eingehen würdet? So bleiben natürlich auch überraschende Wendungen nicht aus. Besonderes Schmankerl: In der Mitte des Spiels gibt es einen Perspektiv-Wechsel, der auch jedem David Lynch-Streifen zur Ehre gereichen würde.

Teils bockschwere Rätsel

Selbstverständlich dürfen in einem Adventure auch die Rätsel nicht fehlen und die haben es bei Post Mortem teilweise in sich. Positiv ist, dass es oft nicht die Standard-Puzzles sind, sondern außergewöhnliche wie ein Phantombild des Verdächtigen zeichnen, ein Schloss knacken oder Fehler auf der Kopie eines schaurigen Gemäldes finden.

Der Schwierigkeitsgrad ist allerdings stets gehoben bis schwer. Leider gleitet das Abenteuer jedoch mit fortgeschrittenem Spiel immer mehr in Richtung übliche Point & Click-Kost ab - schade eigentlich!

Düstere Großstadt

Microids gelingt es, den morbiden Charme einer stets düsteren Metropole der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einzufangen. Alles wirkt irgendwie bedrohlich und unheimlich - überall lauert Gefahr! Verglichen mit anderen oft menschenleeren Adventures muss Post Mortem fast als überbevölkert bezeichnet werden, auch wenn die Personen sich wie im Künstler-Café teils nicht von der Stelle rühren.

__NEWCOL__Weniger gelungen sind leider die staksigen Animationen der missgestalteten 3D-Figuren, die unglücklich vor den gewohnt schön gerenderten 2D-Hintergründen umher stolpern. Angesichts der hässlichen umgesetzten Zahnreihen der polygonalen Darsteller gewinnt der Begriff "Kauleiste" eine ganz neue Dimension.

Interaktiver Film

Trotz seiner festen Auflösung von 800 x 600 überzeugen vor allem die filmischen Elemente des Krimi-Adventures. Immer wieder wird das Spiel von Zwischensequenzen unterbrochen, die teils in Visionen, teils in Rückblicken die Handlung vorantreiben. Dabei wird wie im Intro auf eine drastische Darstellung der Morde selbst nicht verzichtet, was das Spiel freilich für die lieben Kleinen ungeeignet macht.

Wie im Thriller läuft spannungssteigernde Musik im Stil der Zeit, die bisweilen sogar etwas nervt. Ergänzt wird der gelungene Gesamteindruck von der professionellen Sprachausgabe, bei der sämtliche Dialoge auf Deutsch umgesetzt wurden.

Fazit


Mancherorts war zu lesen, dass Post Mortem letztlich gescheitert sei. Dem kann ich nicht zustimmen - ganz im Gegenteil: Das Spiel ist ein stilvoll inszeniertes, nicht lineares Verwirrspiel und eigentlich viel besser als Syberia! Schritt für Schritt herauszufinden, was in Wirklichkeit hinter den grausigen Morden steckt, hat in einem französischen Mystery-Adventure selten so viel Spaß gemacht wie hier. Leider wird das abwechslungsreiche Spielprinzip mit den skurrilen Dialogen im weiteren Spielverlauf immer mehr verwässert und ganz am Schluss bleibt nur ein stinknormales Adventure übrig. Auch die lächerlich animierten 3D-Figuren können nicht richtig überzeugen. Was insgesamt bleibt, ist ein recht gelungenes Thriller-Erlebnis, das aber durch die happigen Puzzles nur erfahrenen Abenteuer-Freunden wirklich zu empfehlen ist.

Pro

<li>Krimi-Adventure</li><li>im Paris der 20er-Jahre</li><li>düstere Atmosphäre eines Film Noir</li><li>interessante Multiple-Choice-Dialoge</li><li>hohe Interaktivität</li><li>einfache Bedienung</li><li>überraschende Wendungen</li><li>immer verschiedene Lösungswege</li><li>abwechslungsreiche Rätsel</li><li>hoher Wiederspielbarkeitswert</li><li>detailreiche Render-Hintergründe</li><li>gute Sprachausgabe</li><li>gelungene Lokalisation</li>

Kontra

<li>teils zu schwere Rätsel</li><li>wird später zum 08/15-Adventure</li><li>Hintergründe unbeweglich</li><li>nur eine Handvoll Schauplätze</li><li>schlecht animierte 3D-Personen</li><li>feste Auflösung</li>

Wertung

PC

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