Chaos auf Deponia18.10.2012, Bodo Naser
Chaos auf Deponia

Im Test:

Chaotisch ging’s auch schon im ersten Teil (4P-Test: 87%) zu, als Comicheld Rufus unbedingt von Deponia weg wollte. Im Nachfolger wird die irrwitzige Geschichte nun weiterzählt, die in derselben skurrilen Welt spielt. Taugt die Rückkehr zur Deponie was oder leider sie unter dem Mittelteilsyndrom?  

Deponie, die Zweite 

Dieses Mal spielt Deponia aufm schwimmenden Schrottplatz. Sonst ändert sich aber eher wenig.
Dieses Mal spielt Deponia aufm schwimmenden Schrottplatz. Sonst ändert sich aber eher wenig.
Das Ende des ersten Teils war recht unbefriedigend, weil noch derart viele Dinge ungelöst blieben: Der Organon war noch nicht besiegt, Cletus nicht das Handwerk gelegt und Goal war noch nicht wieder im Elysium. Stattdessen sitzen Antiheld Rufus und sein hochgewachsenes Objekt der Begierde nach erneutem Absturz im Schwimmenden Schwarzmarkt fest, was in etwa unserem Venedig entspricht, wenn man die Hafenstadt denn aus rostrotem Schrott gebaut hätte. Dort spielt Chaos auf Deponia (ab 9,02€ bei kaufen), der zweite Teil des deutschen Comic-Adventures.

Deponia sei von Anfang an als Trilogie geplant gewesen, gab Daedalic unlängst bekannt. Wenn das stimmt, was man angesichts des Gesamtumfangs annehmen kann, gilt auch hier das eherne Gesetz der Fortsetzungen, die eine durchgehende Geschichte erzählen: Abgesehen von den Matrix-Filmen ist es meist der Mittelteil, der nicht so toll ist. Bei Chaos auf Deponia ist das spürbar, denn der zweite Teil hat den undankbaren Job einer Überführungsetappe. Dieses Mal fragt man sich aufgrund der sich in die Länge ziehenden Handlung öfters, wann es denn wohl mal weitergeht. Man läuft von Pontius zu Pilatus, ohne dass sich viel Neues tut. Manches wiederholt sich einfach: Der Absturz, die verschachtelte Szenerie und Goal, die wieder mal am Rad dreht.

Rettung 2.0

Beziehung mit Hindernissen. Goal ist mal wieder schwer zu handeln, besonders für Rufus.
Beziehung mit Hindernissen. Goal ist mal wieder schwer in den Griff zu kriegen, besonders für Rufus.
Der liebenswerte Chaot Rufus macht sich einmal mehr auf, um Goal zu helfen - was sich als recht komplex entpuppt. Denn die Elysianerin ist nach unsachgemäßer Reparatur mit Billigteilen in drei Frauen gespalten, von denen genau eine, nämlich die Kindische, ein bisschen auf Rufus hört. Die hochnäsige Lady und die Kratzbürste hingegen pfeifen auf ihn. Wie schafft er es, sie innerhalb der mit Teils eins vergleichbaren Spielzeit zu überreden? Wer nicht genau zuhört, der versäumt vielleicht das Wichtigste. Er hört zudem, dass der Organon ganz Deponia zerstören will. Die bürokratische Staatsführung glaubt nämlich, dass es unbelebt sei. Haben die den Verstand verloren?

Und so tritt der Antiheld auch ein weiteres Mal an, um die äußerlich unveränderte Welt zu retten. Klar dass dabei wieder das eine oder andere kaputt geht, da sich Rufus meist selten dämlich anstellt. Im ersten Teil hat der Tollpatsch selbst schon halb Deponia in die Luft gejagt. Allein die putzige Anfangssequenz spricht Bände, wo er eben mal die Wohnung von Doc in Brand steckt, nur weil er einen Hammer sucht. Und Doc nebenbei fallen lässt, wie sehr sich Rufus doch geändert habe, da er nun so vorsichtig sei. Ist doch schön, wenn sich manche Dinge nicht ändern. Was ganz besonders für den Humor gilt.

Suche nach der Wahrheit

"Wie kriegt man es hin, dass...?" ist wohl die häufigste Frage bei Deponia. Hier muss um die Ecke gedacht werden.
"Wie kriegt man es hin, dass...?" ist wohl die häufigste Frage bei Deponia. Hier muss um die Ecke gedacht werden.
Zunächst liegt aber die Rettung von Goal an, die sich partout nicht behandeln lassen will. Man muss alle drei Frauen davon überzeugen, dass man ihnen helfen will, was aufgrund des bissigen Eigenlebens der "Damen" keine leichte Aufgabe ist. Für die Suche gibt‘s wie in Teil eins die praktischen Listen, die man abarbeiten muss. So bekommt man eine zu den omnipräsenten Schnabeltieren, die als Running-Gag durch alle Stadtteile geistern. Allein die drei Goals haben keine Liste, so dass man sich merken muss, welche von den Dreien was möchte. Auch hier muss man immer genau nachfragen, um alles zu erfahren. Immerhin verschwinden dieses Mal die wichtigen Fragen, wenn man sie gestellt hat.

Dennoch muss man immer alles abklappern, um auch die letzte Information zu bekommen. Obwohl es mittlerweile eine Schellreisefunktion per gezeichneter Karte gibt, läuft man wieder viel hin herum. Das liegt daran, dass man so manches Rätsel wie beim nervigen Gondoliere mehrmals angehen muss, bis es endlich mal klappt. Zudem sollte man stets alles fragen, damit man auch das letzte Informationskörnchen rausfiltert. Nur so ergeben sich sinnvolle Verbindungen - etwa wenn Bozo von seiner schlagkräftigen Freundin erzählt. Den kennt man ja schon aus dem ersten Teil, was nicht das einzige Wiedersehen ist. Damals war er allerdings noch Sprengmeister; jetzt hat er auf Seemann umgesattelt.              

Inventar-Rätsel

Puzzle mit Vorlaufzeit. Vieles sieht man schon lange, bevor man es dann bekommt.
Puzzle mit Vorlaufzeit. Vieles sieht man schon lange, bevor man es dann bekommt.
Die Rätsel sind mit dem ersten Teil vergleichbar, da es in der Mehrzahl Inventaraufgaben sind, die meist noch lustig ausfallen. Da muss man etwa eine zugelassene Turnierhand fürs Schnick-Schack-Schnuck besorgen, um den Typen in der Kneipe herausfordern zu können. Das Spielgerät sieht man schon lange, bevor man es endlich nehmen kann. Das kommt öfter vor, da man bisweilen einen nützlichen Blick auf den nächsten Abschnitt werfen darf. Daher braucht man die Hot-Spot-Anzeige eher selten, auch weil es nicht so viele Räume zum Durchforsten gibt.

Nicht jede Lösung ist unbedingt logisch: So muss man mal ein Kätzchen mit einem Schwertfisch rasieren, ohne dass man sich an den Hinweis für die Radikalmaßnahme errinnern würde. Leider ist der entscheidende Hinweis längst im Wust der sonstigen Infos untergegangen. Gut, das Kätzchen ist süß, aber hat es diese Prozedur verdient? Weil keine Spiellösung integriert wurde, steckt man aufgrund Logikprobleme gerne mal fest.  Es gibt zwar Multiple-Choice, aber Dialogaufgaben ergeben sich daraus nicht. Da man immer alles abhakt, wird eine echte Auswahl verhindert.

Seltsame Minispiele

Nicht alle Minispiele werden gut erklärt oder sind selbsterklärend. Daher lassen sie sich umgehen.
Nicht alle Minispiele werden gut erklärt oder sind selbsterklärend. Daher lassen sie sich umgehen.
Neben den klassischen Rätseln gibt’s noch die aus Teil Eins bekannten Minispiele. Diese lassen sich auf Wunsch umgehen, so dass man die Belohnung gleicht bekommt, was dieses Mal wichtig wird, da diese Puzzles teils unverständlich sind. Wie kommt man etwa an die Glückskekse ran? Hier soll man was bestellen und es so hinkriegen, dass man nichts bezahlen muss, da Rufus mal wieder pleite ist. Man probiert zwar rum mit all den Übergrößen, Doppelbestellungen und Preisnachlässen, aber es wird nichts. Hier bleibt die eine oder andere Frage offen.

Zum Glück sind andere Minispiele wieder mal sehr unterhaltsam - wie der Einsatz der Turnierhand im Schnick-Schnack-Schuck. Da hier das Prinzip erklärt wird, macht es Spaß, ein wenig herum zu probieren. „Stein-Schere-Papier“ dürfte zudem jedem ein Begriff sein, so dass man grundsätzlich weiß, um was es geht. Mit dem Unterschied, dass man hier Finger verliert, wenn man betrügt. Am Ende geht es dann doch nicht ganz fair zu, was aber auch der Dummheit des debilen Gegenspielers zu verdanken ist. Hätte er doch seine Finger bei sich behalten!

Skurrile Erlebnisse

Die aberwitzigen Situationen entschädigen für vieles, die man einfach genießen muss.
Die aberwitzigen Situationen entschädigen für vieles.
Ansonsten trifft man ebenso viele schräge Typen wie noch im Vorgänger - ganz zur Freude aller, die über den Daedalic-Humor lachen können. Da ist etwa der Roboter, der einen im Gagdet-Laden bedient. Als wäre seine unbeholfene Art nicht schon witzig genug, erzählt er auch noch eine sehr makabre Geschichte: Er habe Laden und Frau vom Vorbesitzer übernommen, der plötzlich verschwunden sei. Das allein wäre schon mysteriös genug. Hat er fürs Ableben seines Herrn gesorgt? Schaut man genauer hin, sieht man den Mann im riesigen Kopf der Maschine sitzen, wie er verzweifelt an die Scheibe klopft…

Solche Entdeckungen am Rande sind fast das Beste an Deponia 2, da sie einen immer wieder zum Schmunzeln bringen. Da trifft man auf Möchtegern-Staatsgegner, die eigentlich gar nichts machen, was sie frech "passiven Widerstand" nennen. Oder die Bedienung im Burger-Laden, der für jede Frage zum tyrannischen Chef runter rennt, um nachzuhaken.

Fazit

Chaos of Deponia schwächelt auf hohem Niveau. Das liegt daran, dass die Story um Rufus und Goal zwar weitererzählt wird, aber inhaltlich wie eine Kopie des ersten Teils wirkt. Man erwartet, dass man mal in ein anderes Gebiet kommt, dass es mehr Abwechslung gibt, aber es tut sich zu wenig. Der schwimmende Schwarzmarkt spielt sich wie eine schwächere Version des Vorgängers, zumal man erneut die schlafende Goal rettet. Über die bisweilen fehlende Logik der Rätsel könnte man lange streiten, aber sie werden dank des tollen Humors gerettet, der für viele unterhaltsame Situationen sorgt. Überhaupt ist es die enorme Skurrilität, die Deponia 2 schließlich doch noch zum Erlebnis macht. Überall trifft man auf absurde Typen, die einen amüsiert grinsen lassen - das Abenteuer lebt von seinem kreativen Witz. Bleibt zu hoffen, dass der dritte Teil auch wieder auf anderen Gebieten zulegt.

Pro

erzählt Geschichte weiter
Wiedersehen mit alten Bekannten
Schnellreisefunktion... 
witzige Einfälle
skurrile Typen
lustige Rätsel
Minispiele notfalls umgehbar

Kontra

Story zieht sich
Déjà-vu des ersten Teils
...trotzdem viel Lauferei
nicht immer hundertprozentig logisch
Minispiele teils nicht erklärt
keine Dialogrätsel

Wertung

PC

Etwas schwächelnder Mittelteil, der letztlich durch seine Witzigkeit gerettet wird.

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