Im Test:
Starkes Comeback der Religion
Überall nur Wald? Keine Anbindung an die Küste? Wenig Gebirge für die Produktion? Was für ein schlechter Startplatz! Trotzdem hat Boudicca gut lachen: Denn die naturverbundene Keltenkönigin profitiert als einzige der 29 Anführer und Völker von all den Bäumen um sie herum. Nicht etwa, weil ihre Arbeiter diese roden können, sondern weil sie den Glauben der Bevölkerung stärken – je mehr Wald um die Hauptstadt herum, desto schneller wächst er an.
So ist sie die erste Anführerin, die ein Pantheon gründen und damit eines von bis zu fünf sakralen Merkmalen aktivieren kann - ähnlich wie in Rollenspielen entwickelt man so den religiösen Charakter seiner Zivilisation. Sie wählt „Heiliger Pfad“, um auch noch plus eins
Gods & Kings ist eine klassische Erweiterung, die das Hauptspiel Civilization V voraussetzt. Sie kostet 30 Euro und ist über Steam erhältlich.
Was ist drin, was ist neu?
27 Einheiten, 13 Gebäude, neun Wunder, neun Völker sowie vier Szenarien mit aufsteigender Qualität kommen hinzu:
"Der Aufstieg der Mongolen" (langweilige Eroberung)
"Der Fall Roms" (solider Reichsverfall)
"In die Renaissance" (interessanter Religionskrieg)
"Reiche der rauchenden Lüfte" (knifflig & spannend) Kultur pro Dschungelfeld zu bekommen – nicht schlecht, denn im Norden der Karte wird es sumpfig. Es gab aber auch andere interessante Möglichkeiten wie „Gott des Krieges“ (Glauben für Siege um die eigene Stadt herum) oder „Steinkreise“ (+2 Glauben von Steinbrüchen) oder „Heilige Gewässer“ (+1 Zufriedenheit an Flüssen). Man kann seine geostrategische Position also durch Religion verstärken. Wenn Boudicca weiter so weise regiert, könnte sie auch bald den ersten Propheten begrüßen, der eine Religion stiftet – dann darf man wieder ein Merkmal auswählen.
Das neue Volk der Kelten profitiert vor allem zu Beginn des Spiels vom Comeback des Glaubens. Aber Firaxis hat das aus Civilization IV bekannte System nicht einfach reaktiviert, sondern so gut weiter entwickelt, dass sich Kenner des fünften Teils freier entwickeln können. Man überlässt es übrigens dem Spieler, wie er seine Religion nennt und definiert: Es gibt weder eine vorgeschriebene Naturverehrung für Shintoisten noch einen expansiven Missionszwang für Christen. So kann man selbst eine relativ kriegerische Form des Buddhismus einführen – aber nur, wenn man der erste Spieler ist, hat man auch die freie Wahl zwischen all den Merkmalen. Was weg ist, ist weg! Auch dieser Wettlauf um Exklusivitäten bereichert das Spielgefühl.
Neuer Rohstoff: Glaube
Ihr wollt gar nicht Zarathustrist, Hinduist oder Taoist sein? Kein Problem: Atheisten sollten das spannende Szenario des Dampfzeitalters spielen – da ist die Religion per se deaktiviert. Wer es hingegen richtig zwischen den Glaubensrichtungen krachen lassen will, inklusive der Spaltung zwischen griechischer und lateinischer Kirche sowie dem Kampf mit dem Islam um Jerusalem, kann sich in einem kniffligen historischen Szenario austoben, das zur Renaissance führt. Aber Vorsicht: Nur Kenner sollten sich auf den höheren Schwierigkeitsgraden ab Prinz um die heilige Stadt bewerben; hier wurden meine Ägypter sehr schnell von den Osmanen überrannt. Die KI hat umgehend reagiert, als ich mich zu nah an an ihr Zentrum gewagt habe - plötzlich war alles von Jordanien bis zum Meer voller berittener Truppen und Katapulte. Auch im freien Spiel kann man natürlich ohne die Ausrufung einer der elf Glaubensrichtungen gewinnen, indem man sich einfach anschließt oder bekehren lässt. Aber dann profitiert man auch nicht von den exklusiven Vorzügen.
Altbekannte Machtmechanismen
Allerdings haben es verteidigende Spieler in den Gefechten grundsätzlich leichter als die KI, denn ihre Angreifer verstehen es noch zu selten, das Belagerungsgerät oder Fernkämpfer gut zu schützen, indem sie die Fußstruppen davor postieren. Trotzdem wirken die Feldzüge der computergesteuerten Anführer durchdachter. Es gibt aber immer noch kleine militärische Aussetzer, wenn etwa wehrlose Bogenschützen ignoriert oder Chancen auf Plünderungen nicht genutzt werden. Dass es auf hoher See einen neuen Unterschied zwischen Nah- und Fernkämpfern gibt, so dass man auch Küsten vom Meer aus attackieren kann, wirkt sich nur rudimentär auf die Kriegführung aus. Schade ist, dass man Kundschaftern immer noch nicht sagen kann, dass sie Grenzen nicht plump überschreiten sollen - das führt immer wieder zu unnötigen Irritationen. Hier würde ein passives automatisches Erkunden als Option sinnvoll sein.
Diplomatische Stagnation
Auf diplomatischer Ebene hat sich zu wenig getan. Kleine kommunikative Zusätze waren ja schon per Patch für Civilization V verfügbar: Dazu gehören das Denunzieren eines Volkes oder eine Freundschaftserklärung. Ansonsten bemerkt man lediglich, dass Botschaften in fremden Ländern sowie dieselbe Religion das Verhandeln etwas erleichtert, aber selbst dort gibt es Inkonsequenzen. Im Dampfzeitalter kann man z.B. fast wie unter Gentlemen reagieren, wenn man z.B. den Diebstahl eines gegnerischen Spions nicht scharf verurteilt und erstmal nachsichtig ist. Aber die statischen Portraits lassen in diesem Szenario kaum Gefühle erkennen und selbst bei den voll animierten Herrschern bleibt es bei rudimentärer Mimik und Gestik - man erkennt natürlich Ärger und Freude, aber die Anführer wirken nicht lebendig genug. Man darf allerdings nicht vergessen, dass man in diesem Civilization hinsichtlich der Diplomatie noch eines der besten Spiele bekommt.
Aber das solide Vertragssystem krankt an den alten Inkonsequenzen: Man hat immer noch nicht das Gefühl, dass man wirklich langfristig und individuell verhandeln kann. Manchmal klappt alles unheimlich gut, aber dann geschehen wiederum seltsame Dinge. Wie kann es sein, dass man mich nach zig Spielrunden für die Einhaltung des Abkommens „Baue nicht zu nah an meinen Grenzen!“ lobt und der Anführer mich dann im nächsten Zug angreift? Müsste ich aufgrund des Vertrauens danach nicht erst recht die Option für mehr Zusammenarbeit oder eine Aliianz erhalten? Warum fällt es trotz gleichen Glaubens so schwer, ein Bündnis zu schmieden? Schade ist auch, dass die diplomatische Interaktion mit den freien Städten nicht an Tiefe gewonnen hat. Man kann sich immer noch Einfluss erkaufen oder über Missionen gewinnen, aber man kann nicht gezielt verhandeln oder im Kriegsfall konkreter taktieren, also den Einsatz absprechen. Schön ist jedoch, dass die Quests der Stadtstaaten wesentlich vielfältiger sind, dass Bündnisse mit ihnen von exklusiven Rohstoffen attraktiv gemacht werden und dass sie die neue Religion berücksichtigen: Es gibt nicht nur neue geschäftstüchtige, sondern auch gläubige Metropolen. Außerdem bekommt man z.B. die Aufgabe, einen bestimmten Glauben zu verbreiten - wenn man den Missionar schickt, gibts eine Belohnung.
Spionage an der Oberfläche
Aber dass man sie nicht gezielt ausbilden kann, sondern ihre automatische Ankunft beim nächsten Zeitalter abwarten muss, wirkt aufgesetzt – lediglich beim Bau eines Wunders kann man einen zusätzlichen Agenten bekommen. Außerdem haben sie am Einsatzort letztlich zu wenig Möglichkeiten. Schade ist, dass man sie nicht individueller nutzen kann, um z.B. fremde Generäle, Armeen oder Arbeiter zu übernehmen, um Sabotage an Minen oder Handelswegen zu verüben. Noch besser: Man hätte mehr diplomatische Optionen, wenn der eigene Spion über längere Zeit in der Hauptstadt des fremden Anführers sitzt?
So bekommt man lediglich ab und zu Infos über die dortige Situation. Im Gegensatz zur Religion wirkt sich diese Neuerung kaum auf das Spielgefühl aus.
Über den Wolken: Dampfzeitalter
Man sollte sich clever vorbereiten, indem man seine Forschung und Entwicklung von Beginn an spezialisiert und auf klare Ziele ausrichtet: Als „Verteidiger des Fortschritts“ geht es um die meisten Landfahrzeuge und Luftschiffe, als „Industrieller Vorreiter“ braucht man die produktivste Stadt, als „Großer Wohltäter“ die meisten Wunder, als „Herr der Finesse“ die meisten Sozialpolitiken. Auf welchem Platz man aktuell steht, kann man sich jederzeit mit einem Blick auf die Titel der Liga anzeigen lassen. Sehr schön: Die KI lag auf der fünften Stufe meist irgendwo vorne, weil sie sehr effizient vorgeht.
Jules Verne lässt grüßen
Gerade Veteranen werden sich über diese Herausforderung freuen, denn sie dürfen in diesem Szenario aus dem Vollen schöpfen: Man startet ja im Jahr 1801 und besitzt einen bis dahin komplett entwickelten Technologiebaum, bei dem es allerdings irgendwann ein Perpetuum Mobile, einen Torus-Dynamo und Ähnliches gibt. Was hat es damit auf sich? Man begegnet also später komplett neuen Entwicklungen, startet allerdings wie gehabt ohne Stadt und Land. Dafür stehen einem gleich drei Siedler, drei Spione, zwei Kundschafter, zwei Arbeiter und zwei Land-Panzerschiffe zur Verfügung, die mit den umtriebigen Barbaren kurzen Prozess machen.
Fazit
Civilization ist eine der letzten edlen Spiele für Rundenstrategen. Man startet es, klickt, versinkt. Und selbst wenn nicht alles perfekt ist, komme ich auch von dieser Erweiterung kaum los. Warum? Zum einen ist da das interessante Dampfzeitalter, das nicht nur Kenner des Hauptspiels in einem spannenden Wettlauf um drei von fünf Titeln fordern wird, sondern das auch mit seinem Steampunk-Flair überzeugt – mit Abstand das beste von vier neuen Szenarien. Zum anderen ist da dieses starke Comeback der Religion, die vom ersten Zeitalter an für eine Bereicherung des Spielgefühls sorgt, weil man seine Zivilisation wesentlich individueller entwickeln kann. Auch hier ist das historische Szenario mit dem Glaubenskrieg um Jerusalem knifflig, aber empfehlenswert. Zudem ist es gelungen, die Missionen der Stadtstaaten nicht nur vielfältiger zu gestalten, sondern diese auch mit der Religion zu verknüpfen. Schade ist, dass sich im Multiplayer gar nichts getan hat - man bleibt auf dem Stand von Civilization V inkl. aller Patches. Außerdem haben sich auf diplomatischer und militärischer Ebene lediglich Feinheiten geändert und die neue Spionage kratzt leider nur an der Oberfläche. Aber unterm Strich ist das eine sehr gute Erweiterung.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Starkes Comeback der Religion und tolles Dampfzeitalter-Szenario!
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