Im Test:
Geometrie und optische Täuschungen
Es begann als geometrisches Experiment: Als Bruce im Jahr 2009 an einem Klon des Spiele-Klassikers Snake bastelte, verformte ein Programmierfehler die eigentlich zweidimensionale Fläche zu einem abstrakten Gebilde. Das brachte den Entwickler auf eine Idee . Wie würde eine Welt aussehen, in der sich die Gesetze der Physik ständig ändern? Ein Puzzlespiel, in dem die reale Geometrie mit der von optischen Täuschungen zusammenspielt – wie auf den Bildern von MC Escher. Nach zahlreichen Experimenten bekam das Projekt im Jahr 2012 Unterstützung vom Indie Fund, mittlerweile ist das fertige Spiel auf Steam erhältlich.
Das Ergebnis spielt sich so ungewöhnlich wie es klingt. Zu Beginn lande ich in einer dunklen Zentrale und erschließe mir von dort aus neue Räume. Per Escape-Knopf kann ich jederzeit zur Basis zurückkehren. An der Wand sorgt eine vereinfachte Karte für etwas mehr Übersicht, außerdem füllt sich die Tafel daneben mit immer mehr Comic-Panels, welche ich in der Welt finde. Eine einleitende Rahmenhandlung gibt es nicht – stattdessen lege ich direkt los und erkunde meine Umgebung. Gestört hat mich das nicht: Der schnörkellose Einstieg passt prima zum schlichten Design.
Scheue Türen
Oft handelt es sich aber auch um Rätsel, welche ganz einfach mit meinen Gewohnheiten spielen. Ich laufe zu einer Tür - sie schließt sich. Entferne ich mich von ihr, öffnet sie sich wieder. Als ich stehen bleibe, um die Lage zu sondieren, bemerke ich, dass sie sich ähnlich wie der Geist Boo aus Super Mario verhält. Sie schließt sich nur, wenn ich sie anschaue. Also drehe ich mich um, laufe rückwärts durch die Tür und schon bin ich durch. Bingo!
Unterstützung aus dem Nichts
Es gibt noch unzählige weitere solcher Objekte in der Welt zu entdecken. Dazu gehören Gänge, welche endlos im Kreis führen - oder Räume, welche plötzlich ihre komplette Gestalt verändern, nachdem ich den Blick abgewendet habe. Nachdem ich einige Kniffe erlernt habe, muss ich z.B. die geschwungene Kanone geschickt einsetzen. Wenn ich es schaffe, mir genügend Würfel unter den Nagel zu reißen, kann ich Türen öffnen. Dazu muss ich die Rätsel hinter den futuristischen Schlossmechanismen lösen - oder sie auf andere Weise mit der Knarre überlisten.
Nicht schwindelfrei
Die kleinen Hinweis-Tafeln hängen meist kurz vor einem neuen Rätsel. Statt einer Anleitung oder einem klassischen Tipp steht aber stets nur eine Lebensweisheit darauf, welches mit einem Comic-Panel visualisiert wird: „It‘s harder to progress if you leave things behind“ oder „Raw persistence may be the only option other than giving up entirely.“ Diese Sätze sind so geschickt formuliert, dass sie meist nur ganz behutsam auf die Logik hinter dem kommenden Puzzle hinweisen.
Tick-tack, Wind und Grillenzirpen
Gelegentlich öffnen sich in bereits besuchten Räumen auch neue Tore, weil man eine neue Fähigkeit erlernt hat. Die bizarren Verbindungen zwischen den Zimmern sorgen aber leider oft für Verwirrung. Vielleicht hätte Bruce seinen Irrgarten nicht ganz so komplex miteinander vernetzen sollen. Kleinere, in sich abgeschlossene Bereiche hätten für etwas mehr Übersicht beim Entdecken gesorgt. Auch einige Rätsel sind übertrieben knifflig gestaltet – zum Beispiel wenn man fast ohne Hinweise mit der Waffe auf eine Tafel malen muss.
Fazit
Antichamber erinnert mich daran, warum ich Computerspiele liebe: Weil sie mich auch heute noch überraschen. Weil sie mir Möglichkeiten eröffnen, welche ich mir in der realen Welt nicht einmal erträumen würde. Der surreale Irrgarten von Alex Bruce ist das Musterbeispiel für solch ein Spiel, welches sich nicht von Konventionen einzwängen lässt, sondern sie in Frage stellt. Welches die Entdeckung in den Mittelpunkt stellt und mich trotzdem richtig stark fordert. Die unwirklichen Rätsel sprühen geradezu vor Ideen und Abwechslung. Oft steckt eine verblüffend simple Lösung hinter den optischen Täuschungen. Man erkennt sie, indem man einen Schritt zurücktritt, sich Zeit nimmt und sich die vagen aber clever formulierten Hinweise durch den Kopf gehen lässt. Auch Experimentierfreude wird belohnt - z.B. wenn man die Möglichkeiten der vielseitigen Klötzchen-Kanone auslotet. Die große Freiheit erweist sich aber auch als größter Knackpunkt: Jeder Mensch geht Probleme anders an, daher benötigen derart experimentelle Puzzles besonders viel Feintuning. Obwohl Bruce sich viel Zeit für das Testen ließ, erreicht er nicht den Feinschliff von Portal 2. An manchen Aufgaben wäre ich fast verzweifelt. Außerdem sind die bizarren Räume zu exzessiv miteinander verbunden, so dass ich recht häufig planlos durch die Welt irrte und mir manche Orte gleich dutzendfach begegneten. Rätsel-Fans sollten sich davon aber nicht abschrecken lassen: Wenn man hartnäckig bleibt, wird man mit herrlich ungewöhnlichen und inspirierenden Puzzles belohnt.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Wunderbar rätselhafter Irrgarten voller frischer Ideen und optischer Täuschungen.
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