Im Test:
Der Fluch des Online-Zwangs
Nach Diablo 3 ist der Start eines weiteren „großen Titels“ durch die vorausgesetzte Online-Anbindung völlig in die Hose gegangen. Obwohl SimCity weltweit versetzt veröffentlicht wurde und die Entwickler unter Hochdruck an der Server-Infrastruktur gearbeitet hatten, kam es zu Serverausfällen, Warteschlangen, Authentifizierungsproblemen, Verbindungsabbrüchen und ausgelasteten Servern – verärgerte Kunden taten überall ihren Unmut kund.
Warum es keinen optionalen Singleplayer-Modus nach der Aktivierung in EA Origin gibt, ist eine berechtigte Frage. Gewisse „Multiplayer-Features“ oder die „Regionen“ hätten in dieser Variante ja ausgeschaltet oder beschränkt werden können, aber man hätte zumindest Städte bauen können, anstatt hilflos auf den kläglichen Launcher zu starren.
Blaulicht im Stau
Wer auf „Insel Weilau“ unterwegs ist, muss viel Zeit mitbringen - sehr viel Zeit. Wenn sich die Blechlawine nicht bis zur Autobahn-Anschlussstelle zurückstaut, stehen die Autos in Dreier-Reihen auf der zentralen Kreuzung, die das Industriegebiet mit der Wohnsiedlung verbindet. Auch die Ausfahrt der lokalen Feuerwehr befindet sich an genau diesem Verkehrsknotenpunkt.
Was hätte ich als Bürgermeister besser machen können? Einerseits hätte ich die Straßen geschickter verlegen oder die Feuerwehr an eine andere Ecke bauen können, denn so etwas wie Einflussradien gibt bei Feuerwehr und Co. nicht mehr. Andererseits könnte die Simulation besser ablaufen oder realistischer funktionieren, schließlich genießen Einsatzfahrzeuge Vorrechte im Straßenverkehr - nur irgendwie nicht bei SimCity.
Zuerst: Die Wahl der Region
Bevor ihr als Bürgermeister die Geschicke einer neuen Stadt lenkt, müsst ihr euch für eine „Region“ entscheiden, in der die Metropole liegen soll.
Klingt in der Theorie ja ziemlich praktisch und interessant. Da diese Interaktion zwischen den Städten von den Servern berechnet wird und diese bisher nicht wirklich zuverlässig laufen, kommt es andauernd zu Problemen. Manchmal konnte ich Gebiete gar nicht beanspruchen, dann konnte mein Dorf aus unerklärlichen Gründen nicht geladen werden und wenn doch alles funktionierte, wollten meine Arbeiter nicht von Stadt A nach Stadt B pendeln. Während vor einigen Tagen der Transfer von Arbeitern in die Nebenstadt noch funktionierte, geht diesmal gar nichts. Anderes Beispiel: Die neu gegründete Stadt Wehn sollte von dem Kohlekraftwerk in Flusskreuz versorgt werden. Der entsprechende Kaufpreis wurde angezeigt, der Pfeil auf der Regionenkarte deutete den Transfer an, jedoch floss kein Strom. Echt seltsam! Somit funktioniert eine essentielle Funktion im Moment nicht zuverlässig.
Außerdem fehlen in der Übersicht aussagekräftige Statistiken. Gepaart ist dies mit einer verkorksten Steuerung, denn die Kamera erlaubt in dieser Ansicht nur ein Springen von Stadt zu Stadt, was ungemein umständlich ist und das Management bloß erschwert. Soviel erstmal zu den Vor- und Nachteilen der Regionen. Jetzt komme ich zum Eingemachten, also dem Bau der Stadt und los geht’s mit dem ersten Schock: Die Karte, auf der Stadt errichtet werden soll, ist erstaunlich klein.
SimKleinstadt
Obgleich man denken könnte, der begrenzte Platz sei eine Herausforderung. Nein, der arg eingeschränkte Bauraum ist nichts Weiteres als eine Zumutung, vor allem für Kenner der Serie oder ANNO-Verwöhnte. Spätestens wenn Landschaftsobjekte wie Ufer, Hügel oder Flüsse zusätzlichen Raum einnehmen, bleibt von der bebauungsfähigen Fläche wenig übrig. Und sobald die Einwohner vor dem Rathaus demonstrieren und auf einer komplett zugebauten Karte mehr Wohn-, Gewerbe- und Industriegebiete verlangen, wirkt das wie blanker Hohn – wie denn auf diesen Briefmarken-Karten? Außerdem ist es dank der Größenverhältnisse Platzverschwendung kurvige Straßen zu bauen, da die vorwiegend rechteckigen Gebäudegrundflächen zu viel Raum an den Rundungen ungenutzt lassen. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als eine zentrale „Superstadt“ zu bauen und diese von anderen Städten aus der Region mit den nötigen Dingen versorgen zu lassen, sofern die Server mitspielen.
Die Adern der Stadt
Weiter geht es mit dem Aufbau der Stadt. Die Planung der Infrastruktur ist das A und O, denn der Typ einer Straße übt einen zentralen Einfluss auf die Entwicklungsmöglichkeiten und die Bevölkerungsdichte des Gebiets aus. Je breiter eine Straße ist, umso mehr Sims können sie gleichzeitig nutzen. Die Breite entscheidet ebenfalls, wie schnell die Bewohner ihr Ziel erreichen. Ein besserer Verkehrsfluss sorgt für zufriedenere Sims und ertragreichere Geschäfte. Und da ihr Gebäude ausschließlich an Straßen errichten könnt, kommt ihr gar nicht daran vorbei, sinnvoll strukturierte Asphaltnetzwerke auf die Karte zu malen.
SimCity = WGI
An diese Straßen werden die allseits bekannten SimCity-Gebietstypen drangesetzt: Wohn-, Gewerbe- oder Industriegebiete – wie gewohnt baut ihr nicht direkt irgendwelche Fabriken oder formgepresste Betonklötze zum Wohnen. Was auf der ausgewiesenen Wohnfläche gebaut wird, dies entscheidet die Umgebung und die Sims, die dort einziehen. Beispiel: Am Anfang werden auf Wohngebieten nur Wohnwagenhäuser oder kleine Bretterburgen entstehen. Erst wenn Schulen, Parks, Ambulanzen, Polizei und Co. in der Umgebung gebaut werden und die Straße genügend Spuren bietet, steigen die Grundstückpreise und locken zahlungskräftigere Einwohner an. Fortan werden dort bessere bzw. hochstufige Häuser hochgezogen und es klingelt die Steuerkasse.
Die Beeinflussung und Verbesserung der Industrieanlagen abseits des Straßenbaus passiert hauptsächlich durch die Bildung der Einwohner. So setzen manche Unternehmen oder Industriezweige eine höhere Schulbildung voraus. Diese erhalten die virtuellen Bewohner durch Grundschule und Hochschule – es gibt zwar ein Gymnasium, dies entspricht eher einer größeren Grundschule. Je besser die Einwohner ausgebildet sind, umso kompliziertere Arbeiten können sie verrichten und umso mehr achten sie auf ihre Umwelt (Stichwort: Verschmutzung). Verfügen die Sims nicht über ein entsprechend Bildungsniveau, beklagen sich High-Tech-Industrieanlagen über mangelnde Arbeitskräfte.
Weniger Verwaltung, weniger Aufwand, weniger Komplexität
Strom erhalten die Bewohner von Kohle-, Öl-, Wind- oder Solarkraftwerken. Stromleitungen gibt es nicht mehr.
Einflussradien und Upgrades
Verabschieden könnt ihr euch ebenfalls von Einflussradien bei Ambulanzen, Polizeirevieren und Feuerwehrstationen – die jeweiligen Fahrzeuge können jede Position der Stadt erreichen, sofern die Straßenlage es erlaubt und ein verfügbares Fahrzeug in der Garage steht. Diese Veränderung finde ich hingegen angemessen, da so mehr Freiraum für die Stadtgestaltung bleibt. Altbekannte Einflussradien sind lediglich bei gewissen Parkanlagen zu finden.
Bei Polizei, Feuerwehr und Co. gibt es mindestens zwei Gebäudetypen, die schrittweise ausgebaut werden können. Und im Zuge der ganzen Vereinfachungen ist das Upgrade-System eine richtig tolle Sache, denn Garagen für Feuerwehrfahrzeuge, neue Streifenwagen, weitere Klassenräume
Transportchaos
Besser wird SimCity, wenn es um das Transportmanagement geht, schließlich wird der Straßenverkehr trotz mehrerer Straßentypen rasant zum Problem. Selbst in Städten mit 15.000 Einwohnern kommt der Verkehrsinfarkt schneller als ihr „bedarfsgesteuerte Fußgängerfurt“ sagen könnt. Warum ist das so? Weil jeder Einwohner (laut Angaben von Maxis) einzeln simuliert wird und auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen ein Auto verwendet. Und wenn das halbe Wohngebiet morgens zum Industriegebiet pendelt, sind die Straßen selbst bei relativ niedrigen Einwohnerzahlen verstopft. Die Lösung: Öffentliche Transportmittel. Sie verbessern den Verkehrsfluss und damit die Stadt.
Ihr habt die Wahl zwischen Bus, Straßenbahn, Schiene, Schiff oder Flugzeug. Entscheidet ihr euch für Omnibusse, solltet ihr gleich eine ganze Batterie an Bussen kaufen, um lange Wartezeiten zu vermeiden – zudem müsst ihr die Haltestellen manuell platzieren; ähnlich sieht es bei Straßenbahnen aus, hier müssen Haltestellen und Straßen mit Bahnengleisen her. Eigentlich ganz gut, jedoch ist die Simulation auch hier oberflächlich. So habe ich des Öfteren Busse gesehen, die im Gänsemarsch die Haltestellen abgeklappert haben. Tiefergehende Einstellungen wie zum Beispiel die Taktung des Fahrplans darf man nicht beeinflussen und die altbekannten U-Bahnen, die sicherlich das ein oder andere Verkehrsproblem gelöst hätten, fehlen irgendwie. Es scheint als würde Maxis den Untergrund meiden, da es weder Abwasserrohre noch Wasserleitungen, Straßentunnel oder gar U-Bahnen für Bauwillige gibt.
Undurchsichtiges
Trotz all der hilfreichen Statistiken und sämtlicher wunderbar visualisierten Datenkarten bleiben einige Dinge in der Simulation ungewiss. So ist es unklar, wie viele Sims maximal in einem Gebäude leben können – zur Planung oder der Erschließung neuer Gebiete wäre dies durchaus wichtig. Bei Schulen oder Ambulanzen kann die Belegung hingegen angezeigt werden. Manchmal ist ebenfalls das Verhalten der Sims nicht ungedingt nachvollziehbar. Sie demonstrieren beispielsweise vor dem Rathaus wegen „zu hoher Kriminalität“, aber wenn ich mehr Polizeiwachen bauen würde, gliche mein Dorf einer Polizeistadt.
Simuliertes Kurioses
Ähnliche Seltsamkeiten treten durchaus häufiger auf und können durch die Statistiken nicht erklärt werden. Stellenweise kommt es vor, dass die Betriebe nach mehr lokalen Abnehmern schreien, obwohl genügend Gewerbegebiete sowie ein Handelsposten zum Weiterverkauf vorhanden sind. Dann brauchen die Industrien neue qualifizierte Arbeiter, jedoch lassen sich keine Arbeitswilligen auftreiben, obgleich der Bedarf an Wohngebieten und Schulen laut Statistik gedeckt ist. Oftmals habe ich das Gefühl, dass die Beschwerden oder die Zufriedenheit der Bevölkerung nicht vollständig aktualisiert werden.
Zudem stört es mich, dass die Sims alle ein und dasselbe „Navigationssystem“ verwenden.
Tolle Spezialisierungen
Abseits all der Vereinfachungen und der Dinge, die offenbar nicht so richtig funktionieren, sind die Spezialisierungen der Städte eine tolle Idee. Im Spiel gibt es sechs Branchen, die sich als „Großunternehmen“ eignen: Bergbau (Kohle, Erze), Bohrungen (Öl), Handel, Elektronik (CPU-Fabrik), Kultur (Messehalle, Stadion, markante Sehenswürdigkeiten) und Glücksspiel (Casinos).
Je nachdem für welche Stadt-Spezialisierung ihr euch im Verlauf des Aufbaus entscheidet, stehen besondere, meist ziemlich teure, Gebäude zur Verfügung.
Langsame Berater
Wäre ich ein „echter“ Bürgermeister, würde ich die virtuellen Berater aus SimCity sofort feuern. Warum? Sie melden sich erst zu Wort, wenn es zu spät ist. Beispiel: Wenn das lokale Kraftwerk zu wenig Saft produziert und schon einige Haushalte ohne Elektrizität dastehen, meldet sich der Energie-Beauftragte und sinniert darüber, dass es doch sinnvoll sei, mehr Strom zur Verfügung zu stellen. Gleiches gilt für überfüllte Klassenräume, zu wenig Pumpen für Abwasser oder wenn die Mülldeponie überquillt. Warum sich die Berater nicht früher zu Wort melden und warum die hilfreichen Icons in der Menüleiste nicht früher leuchten, würde ich gerne wissen. Wer braucht Berater, die das Offensichtliche melden, wenn es zu spät ist?
Obwohl das Menü an der unteren Bildschirmseite die zentralen Funktionen sinnvoll gliedert und die meisten Gebäude bzw. Einrichtungen in sinnvollen Kategorien zu finden sind, fehlen manche Funktionen oder sind unnötig kompliziert zu bedienen. Es ist zwar lobenswert, dass sich gebaute Straßen aufwerten lassen, damit sie mehr Verkehr bewältigen können, aber jedes Streckenelement zwischen einer Kreuzung muss einzeln aufgewertet werden. Warum kann man die Aufwertung nicht ebenso wie die Straßen malen? Viel schlimmer ist allerdings, dass die Gebäude nicht manuell gedreht werden können – soll ein Feuerwehrhaus zum Beispiel an einer Kreuzung errichtet werden, muss man sich darauf verlassen, dass das Spiel den entsprechenden Bauplatz vorgibt. Solch eine elementare Funktion darf eigentlich nicht fehlen.
Lebendiger Mikrokosmos
Trotz aller Kritik und Macken kann SimCity in einem Bereich richtig punkten und zwar bei dem „Aquarium-Effekt“. Wie einst bei Siedler oder Anno ist es stellenweise einfach herrlich, dem virtuellen Treiben zuzuschauen, denn in der Stadt passiert richtig viel! Wenn Feuerwehrautos zu brennenden Gebäuden flitzen, Polizisten maskierte Gangster jagen, sich Blechlawinen durch die Straßen schieben und Sims-Massen zum Pack&Ride-Parkplatz stürmen, um in einen viel zu kleinen Bus zu steigen, versinkt man als Zuschauer förmlich in dem lebendigen Mikrokosmos, den man selbst geschafft hat. Überall gibt es etwas zu entdecken und überall ist niedlich anzusehender Trubel.
Nur Sandkasten-Modus – keine Szenarien
Prinzipiell gibt es zwei Spielmodi: Einen Sandkasten-Modus, bei dem ihr sofort Zugriff auf alle Gebäude habt und einen Sandkasten-Modus, bei dem ihr Gebäude und Co. erst freischalten müsst. Fertig! Szenarien, in denen ihr kleine Aufgaben lösen oder verwilderte Städte sanieren sollt, fehlen. Dafür gibt es ein umfangreiches Tutorial.
Fazit
Die Veröffentlichung von SimCity ist gründlich schief gelaufen. Dank der Online-Pflicht kam es zu überlasteten Servern, Warteschlangen und allerlei Problemen. Und irgendwie scheint es so zu sein, dass der Regionenmodus bzw. die Interaktion der Städte untereinander aufgrund der Serverproblematik noch immer nicht anständig funktioniert. Genau diese Interaktion ist aber ein zentraler Faktor für die Entwicklung der Metropolen, gerade weil die einzelnen Karten für die Städte viel zu wenig Bauraum bieten – eigentlich ein Unding diese Minikarten! Die technischen Unstimmigkeiten sind sehr ärgerlich, denn die Städtebausimulation ist trotz einiger unnötiger Vereinfachungen wirklich gelungen. Besonders gut gefallen mir die Spezialisierungsoptionen der Städte, die Erweiterbarkeit von Versorgungsgebäuden und die hervorragend visualisierten Datenkarten. Zudem bietet die sehr lebendige und niedlich animierte Spielwelt reichlich Stoff zum Zuschauen mit einem hohen Wuselfaktor. Dennoch täuscht die ansehnliche Kulisse nicht darüber hinweg, dass die Simulation ebenfalls mit Macken zu kämpfen hat, besonders beim Verkehr und so manch eine Forderung der Wohn-/Gewerbe-/Industriegebiete ist nicht nachvollziehbar. Daher kann ich von SimCity in seinem aktuellen Zustand nur abraten.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Im gegenwärtigen Zustand (Abstürze, Server-Probleme) ist SimCity trotz seines zwischendurch spürbaren Potenzials eine Enttäuschung.
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