Im Test: Im Auge der Kamera
Alte Kräfte für ein frisches Spiel
In Seattle entstand das erste Spiel des Independentstudios Camouflaj, finanziert wurde die Entwicklung mit dem Geld einer Kickstarter-Kampagne. Und immerhin: Hinter Camouflaj verbergen sich erfahrene Namen. Gründer Ryan Payton produzierte Metal Gear Solid, andere arbeiteten an F.E.A.R., Uncharted oder SOCOM. Ein erfahrenes Team also,...
... das ein ungewöhnliches Spiel gemacht hat. Denn obwohl sich dessen Protagonistin Hope an Wachen vorbei schleicht, sie mit Pfefferspray außer Gefecht setzt oder Hinweise aufliest, ist sie nicht das Alter Ego des Spielers. Der sitzt an einem fernen Ort und hat Zugriff auf ihr Handy sowie elektronische Geräte ihrer Umgebung. Dazu zählen Kameras, Kaffeemaschinen, Alarmanlagen oder Telefone. Mit dem Klick auf einen Computer liest man z.B. eine E-Mail, das Anwählen einer Tür öffnet die Verriegelung und durch Aktivieren der Kaffeemaschine wird eine Wache darauf aufmerksam, die daraufhin ihren Posten verlässt. Auf diese Weise bewegt sich Hope in einer von Überwachung und elektronischer Verschlüsselung gekennzeichneten Dystopie voran.
Die Verwandlung beginnt
Warum sie nicht erwischt werden darf? Sie gehört einer Gruppe Jugendlicher an, die in einem "Metamorphose" genannten Komplex zu Mitgliedern eines paranoiden, totalitären Systems erzogen werden. Als Hope der Besitz
Mit einem Mausklick zeigt man Hope, wohin sie laufen soll. Das ist zwar unplausibel, weil das Alter Ego hinter der Kamera gar nicht mit ihr kommunizieren kann, es verleiht dem Spiel aber ein aktives Element. Denn so bewegt man das Mädchen stets hinter eine Deckung oder in einen Spind, um sie vor Wachen zu schützen. Mit einem Klick auf eine Wache schleicht sie sich hingegen von hinten heran und entleert die Taschen ihres Opfers. Mit Pfefferspray oder Elektroschock betäubt sie Gegner. Im Vorbeigehen liest sie Schraubendreher auf, mit denen sie Gitter von Lüftungsschächten öffnet.
Hope findet außerdem Bücher, E-Mails und andere Gegenstände, die als Währung im Tausch gegen neue Fähigkeiten für ihren Begleiter am andere Ende der Kameras dienen. Auch das ist nicht logisch, dient jedoch als
Derzeit sind drei Episoden des per Kickstarter finanzierten Spiels erhältlich. Wer République kauft, erhält Zugriff auf die abschließenden zwei Folgen, sobald sie verfügbar sind. Anreiz, Risiken einzugehen und die Umgebung genau zu beobachten.
Klicks in die Zukunft
Das Faszinierende ist aber nicht das aktive Schleichen, sondern das Manipulieren der Umgebung: Wenn man nicht nur nach Belieben die aktive Kamera und damit den Blickwinkel wechselt, sondern auch Türen öffnet oder Anrufbeantworter aktiviert, um Wachen abzulenken. Letzteres gehört zu den Fähigkeiten, die man mit Sammelgegenständen kaufen muss. Werden die Wachen dennoch auf Hope aufmerksam, kann man Schlösser zudem verriegeln.
Diese indirekte Beeinflussung nur über eine Datenverbindung macht das dystopische Szenario zu einem plastischen Schauplatz. Weil man lediglich Akzente in einer Welt setzt, die auch ohne den Spieler existiert.
Ohne die unmittelbare Kontrolle über Hope hätte République diesem Aspekt allerdings – ähnlich wie Experience 112 – noch mehr Gewicht verliehen. So sind die festen Kamerawinkel lediglich ein Kompromiss, um die Action eines Metal Gear Solid in einem ursprünglich für iOS konzipierten Spiel zu ermöglichen. Und weil es dieses Ziel erreicht, geht das Konzept im Kern tatsächlich auf.
Große Vorbilder – kleine Fußspuren
Denn ähnlich wie Fisher, Garrett oder Snake umgeht Hope ihre Widersacher oder schaltet sie aus. Man kann Wachen auch ablenken, während das Mädchen auf verschiedenen Wegen zum Ziel findet. Mancher Durchgang öffnet sich hingegen durch die Lösung eines Rätsels: An einer Stelle muss Hope etwa die Beleuchtung von
Einige Unterstützer dieses Spiels finden sich zudem als Charakterportraits wieder. Statuen in einer bestimmen Reihenfolge einschalten. In solchen Momenten erinnert République an klassische Adventures.
Dass die Stealth-Action trotz des soliden Fundaments oberflächlich bleibt, liegt an starren und vorhersehbaren Patrouillerouten, wenig ausdauernden Verfolgern, deren gelegentlicher Unaufmerksamkeit sowie daran, dass Hope automatisch Pfefferspray einsetzt, sobald sie gefasst wird. Ein Game Over gibt es ohnehin nicht: Hope muss nach dem Ergreifen lediglich an einem nahen Rücksetzpunkt erneut ausbrechen.
"Also, es war einmal..."
Weil man nur dann Kameras wechseln und elektronische Geräte aktivieren darf, wenn das Geschehen pausiert ist, wird der Spielfluss zudem oft aufgehalten. Die Pause ist zwar sinnvoll, um auch bei Gefahr mit Übersicht richtige Entscheidungen zu treffen. Hat man sich einmal eingespielt, wirken die Unterbrechungen aber zeitraubend.
Wie eine Bremse muten auch viele erzählerische Elemente an, denn die Geschichte wird nur selten in Dialogen fortgeführt. Einen Großteil der Informationen erhält man vielmehr über das Beobachten der Umgebung, genauer gesagt über den Klick auf markierte Poster, Kassetten, E-Mails oder Bücher.
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In diesen geht es um Themen wie das Verbrennen von Büchern, weil digitale Speicherung das alte Medium überflüssig macht. Es geht um Überwachung, Datensicherung, Persönlichkeitsrechte sowie den Schutz sensibler Daten, wenn bestimmte Gesichter z.B. von jeder Kamera automatisch zur Unkenntlichkeit verfremdet werden.
République erzählt von einer erdrückend glaubwürdigen Zukunft – glaubhaft, weil sie auf den Eckpfeilern aktueller Themen errichtet wurde. Aber eben auch langweilig, weil man sich nicht bewegen kann, während lange Aufzeichnungen vorgespielt werden oder ein Helfer des Alter Ego jedes bebilderte Fundstück ausführlich kommentiert. Dass man die Ausführungen irgendwann wegklickt, wird der spannenden Geschichte nicht gerecht.
Fazit
République ist vor allem aufgrund seiner Handlung interessant: Aus aktuellen Fragen der wachsenden Vernetzung skizziert es ein totalitäres System und spannende Geheimnisse um dessen Machenschaften. Wie passend, dass man stets durch Kameras auf Hope blickt, die auf der Suche nach Wahrheit ist, während sie selbst gejagt wird. Das Manipulieren elektronischer Türen und Geräte fühlt sich gut an - als würde man wie ein geschickter Hacker die Fäden ziehen. Hochklassige Stealth-Action inszeniert Entwickler Camouflaj allerdings nicht. Dafür ist das Umgehen der Wachen zu leicht und deren Cleverness überschaubar. Zudem wird der Spielfluss häufig unterbrochen - sowohl beim Eingreifen des Spielers als auch beim Anhören zahlreicher Informationen, die die eigentlich interaktive Geschichte wie ein Hörbuch erzählen. Was im Konzept des iOS-Originals sinnvolle Einschränkungen sein mögen, geht am PC einfach nicht ganz auf.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Stealth-Action vor dem Hintergrund einer fesselnden Dystopie, die spielerisch kaum fordert.
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