Der Bahngigant - A Train 927.04.2012, Bodo Naser
Der Bahngigant - A Train 9

Im Test:

Wirtschaftssimulationen sind rar gesät, weshalb man sich heutzutage wie ausgehungert auf die wenigen Angebote stürzt. So ging es mir auch bei Der Bahngigant: A-Train 9, das auch noch viele Vorschusslorbeeren einheimste.  Warum eigentlich? Das frage ich mich jetzt, da das Spiel von UIG erschienen ist. Leider kann es die hohen Erwartungen nicht mal im Ansatz erfüllen.

Einladend wie Haltestelle im Niemandsland

So würde man sich sein Bahnnetz irgendwann wünschen. Allein es bleibt beim Wunsch...
So würde man sich sein Bahnnetz irgendwann wünschen. Allein es bleibt beim Wunsch...
Was will man als Erstes erleben, wenn man ein Spiel wie Bahngigant erworben hat? Ich möchte intuitiv das Spielprinzip kennen lernen, nebenbei die 3D-Landschaft erforschen und vielleicht gleich eine erste Bahnstrecke eröffnen, wie man es früher bei den Transportsims tun konnte! Doch der Einstieg fällt mehr als schwer und holprig aus. Und das, obwohl ich schon alles von Railroad Tycoon bis Cities in Motion zum Thema gespielt habe. Hier gibt‘s weder ein Tutorial noch wird man in einer Mission selbst an die Hand genommen. Klickt man noch hoffnungsfroh zu Beginn auf das freundliche Gesicht der Beraterin, antwortet sie schlicht: Mehr Häuser bauen. Ach, wirklich? Toller Tipp.

Mehr Spielfreude entfaltet sich auch nicht, wenn man einfach mal übers reichlich unbelebte Gelände streift. Normalerweise geht das problemlos, indem man mit der Maus an Rand des Bildschirms nagt – seit Sim City ist das sozusagen ein ungeschriebenes, höchst intuitives Gesetz der Wirtschaftsspiele in dritter Dimension. Handelt es sich um eine weniger komfortable Sim, muss man vielleicht mal die Pfeiltasten bemühen. Bei Bahngigant darf man so gar nicht scrollen, da hier die WASD-Tasten nur schräg nach oben bzw. unten führen. Pfeiltasten? Gehen nicht. Und auch per Maus ist das Scrollen nicht möglich. Stattdessen muss man mit einer reichlich umständlichen 360-Grad-Anzeige umher stolpern, die noch nicht mal sauber funktioniert. Man findet also gar nicht so einfach die bereits bestehenden Gebäude, da man sie nicht direkt etwa anklicken, sondern eine Liste durchklicken muss.

Misslungene Mixtur

Bahngigant schafft weder im Kleinen noch im Großen eine ordentliche Simulation des Geschehens.
Bahngigant schafft weder im Kleinen noch im Großen eine ordentliche Simulation des Geschehens.
Grundsätzlich bietet Bahngigant einen Mix aus Transport- und Wirtschaftssimulation, der allerdings nicht hält, was er verspricht. Man kann 15 Missionen spielen, bei denen man kleine bis große Städte und sogar ganze Länder managt. Hört sich komplex an, ist aber wie das ganz Spiel zu oberflächlich, wenig einleuchtend und kaum durchdacht. Der Ausbau der Städte und Bahnlinien ist noch am weitesten gediehen, aber auch hier ist trotz teils großer Bauvorhaben wenig Fortschritt zu sehen. Bei Spielen wie Sim City wird viel mehr geboten, da man schön sehen kann, wie die eigene Metropole wächst. Hier kann man noch nicht mal alles von oben anschauen, da die Ansicht fehlt und alles über zwei  Kilometer Höhe im Nebel verschwimmt. Vielleicht besser so, da die flach geratenen Bauten ohnehin nicht zum Hingucken einladen.

Im größeren Rahmen überzeugt das Spiel auch nicht, da man nicht viel managen kann. Man kauft Aktien auf gut Glück und wartet darauf, dass sie steigen. Leider weiß man nicht viel über die Betriebe dahinter, weshalb der Aktienhandel zum reinen Vabanquespiel wird. So macht man eigentlich immer dasselbe, egal ob das Land nun klein oder groß ist oder man in fernen Ländern etwas aufbaut. Man hat für keine Sekunde wirklich den Eindruck, in Japan zu sein, obgleich es asiatische Häuser und Züge gibt. Vom fernöstlichen Gewimmel ist allerdings wenig zu merken, da die Straßen stets leergefegt sind.  Immerhin kann man selbst neue Karten erstellen, indem man den Editor benutzt.

Wenig baumeisterlich 

Es gibt allerhand mehr oder minder schicke Bauten, jedoch scheitert man meist an der Platzierung.
Es gibt allerhand mehr oder minder schicke Bauten, jedoch scheitert man meist an der Platzierung.
Zwar gibt es allerhand Gebäude, die vom einfachen Flachbau bis zum hypermodernen Hochhaus, die sogar verschiedene Funktionen wie Schule oder Wohnung haben, aber als Städtebausim taugt das Spiel nur sehr bedingt. Das Hauptproblem liegt in der Platzierung der Häuser, die ebenso missraten ist wie die Stadtübersicht. Man kann die Bauten zwar drehen, wie man das kennt, aber es ist fast unmöglich, ein Haus dort zu bauen, wo man möchte. Was bei Bauspielen sonst flutscht, einfach ein Haus an der Straße hinzustellen, wird bei Bahngigant zum unüberwindlichen Hindernis. Kaum besser geht’s, wenn man das Haus im Grünen baut und die Straße erst dann anlegt. Irgendwie passt das Platzieren hinten und vorne nicht zusammen.         

Ein Gutes hat der Bau-Modus, denn ab und zu muss man für Materialen sorgen, um loslegen zu können -  eine von wenigen authentischen Momenten des sonst unglaubwürdigen Aufbauspiels. Geld allein reicht also nicht, um den Eiffelturm hochzuziehen.  Man muss ein Lager und eine Fabrik für Baumaterial haben, bevor man endlich bauen kann. Dann muss man warten, wobei sich die Zeit lobenswerterweise beschleunigen lässt. Zudem muss man für ein paar Laster oder Züge sorgen, die das Material transportieren. Da jedes Lager nur eine bestimmte Reichweite hat, sollte man eins in der Nähe haben.

Nur Schmalspurbahn

Die verschiedenen Züge sind verheißungsvoll, aber im Betrieb bricht schnell Chaos aus.
Die verschiedenen Züge sind verheißungsvoll, aber im Betrieb bricht schnell Chaos aus.
Das Eisenbahnmanagement sollte bei Bahngigant eigentlich den Hauptteil ausmachen, allerdings fehlt es auch hier schlicht an Möglichkeiten. Zwar kann man neue Strecken bauen, Züge kaufen und den Fahrplan überwachen, aber das war’s dann schon. Einzige sinnvolle Verkopplung ist die, dass man für einen Schnellexpress erst die entsprechende Strecke braucht. Wer eine Magnetschwebebahn kaufen möchte, muss erst eine errichten. Und das ist ja bekanntlich mit einigen Problemen verbunden, was das Handling angeht. So kann man keine Schienenkreuzungen bauen, da das nicht wie bei anderen Transportsims intuitiv funktioniert. Man erinnere sich ans letzte Railroad Tycoon, wo man selbst ganze Gebirge bequem queren konnte. 

Es gibt 37 Züge, die vom Pendlerzug über einen Schellzug bis zum Hightechgerät aus Japan reichen. Auf Dauer ist das nicht sonderlich viel und die Guten muss man sich erst noch freispielen, aber das ist noch nicht mal das Problem. Das liegt schon wieder im Detail, etwa wenn man neue Züge einführen will. Man muss nämlich den alten Zug erst umständlich verkaufen, neue anschaffen und kann nicht einfach ein Update machen. Zudem gibt es einen Stau, etwa wenn man einen Zug aufs Gleis setzt. Wann ein Zug abfährt, ist ohnehin kaum zu durchschauen. Es gibt zwar eine Liste der Züge, aber ein gescheiter Fahrplan wie bei Cities in Motion, der für Ordnung sorgt, fehlt.  Man weiß nie, wann welcher Zug wo ist.

Sanierung allenfalls light

Es fährt ein Zug nach nirgendwo. Die Sanierung der Staaten im Spiel landet ebenfalls an diesem Ort.
Es fährt ein Zug nach nirgendwo. Die Sanierung der Staaten im Spiel landet ebenfalls an diesem Ort.
Auch ökonomisch hat Bahngigant wenig zu bieten. So kann man zwar bei einer Mission das marode Griechenland verwalten, um es zu sanieren. Aber die Simulation ist viel zu oberflächlich, da von einer dynamischen Wirtschaft wenig zu merken ist. Es gibt zwar eine Anzeige für Konjunktur, aber man schaut kaum drauf, weil sie nicht wichtig ist. Stattdessen klickt man sich durch eine unschöne Gebäudeliste, um unrentable zu verkaufen. Obwohl es durchaus Kunstdenkmäler gibt, ist noch nicht mal die Akropolis zu finden. Stattdessen muss man fiese Platzhalter wie europäische Burgen oder Fehler wie das Kolosseum lesen, das nun wirklich nicht in Hellas liegt. Und statt griechischer Züge gibt es nur die üblichen 08/15-Loks.

Außer dem Verkauf von Grundstücken und Zügen scheint den Machern wenig zur Staatssanierung einzufallen. Man kann weder Löhne kürzen noch die Steuern senken und auch nicht gezielt investieren. Auch die berühmt berüchtigten Staatsanleihen hat man sich gespart, so dass man so auch kein Geld einnehmen kann. Stattdessen existiert ein dürftiger Aktienmarkt, auf dem man ein paar ominöse Aktien handeln kann. Hierzu gehören die Papiere der Bahngesellschaft, allerdings der aus Japan, denn heimische Aktien fehlen. Das zeigt aber wieder, dass es ein simples, wenig authentisches Transportspiel bleibt und keines mit einer übergreifenden Wirtschaft. Das Zwei in eins-Argument sticht bei Bahngigant also nicht, da es gerade mal einen Bereich müde abdeckt.           

Fazit

Bahngigant erfüllt keines seiner vollmundigen Versprechen, da es weder als Wirtschaftsspiel noch als Bausim und auch nicht vom Eisenbahnmanagement her überzeugt.  Zwar kann man Züge kaufen, neue Bahnhöfe und Linien bauen, aber das ist letztlich wenig durchdacht. Das merkt man schnell, wenn man einfach nur ein paar neue Schienen verlegen will, was dank obermieser Steuerung zur Tortur wird. Wenig besser hat man es als Baumeister, wenn man ein paar Gebäude in die kahle Landschaft stellen will. Immerhin hat man hier versucht, die Bautätigkeit sinnvoll mit der vorherigen Materialbeschaffung zu verknüpfen. Auch hier bleibt es allerdings beim Bemühen, denn letztlich ist es auch nicht durchdacht. Selbst ein Fall für eine Sanierung ist die oberflächliche Wirtschaft, bei der man auch großspurig Länder wie Griechenland „retten“ kann. Aber alles, was den Machern zur Sanierung einfällt, ist Züge und Häuser zu verkaufen. Sogar der ominöse Aktienmarkt mit den paar Papieren wirkt aufgesetzt, wenig stimmig und bietet kaum Dynamik. Unterm Strich ist die Billigsimulation daher allenfalls ein Quäntchen besser als andere Werke von UiG wie das schreckliche Luxus Hotel Imperium.    

Wertung

PC

Dieses Schmalspursimulatiönchen erfüllt keine der vollmundigen Versprechungen, die auf der Verpackung prangen. Es ist weder anspruchsvoll noch vielfältig, sondern schlicht billig.

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