Fußballgott: Lords of Football26.04.2013, Mathias Oertel
Fußballgott: Lords of Football

Im Test:

Wieso das vorerst nur per Download verfügbare Lords of Football bei mir landete, kann ich mir denken. Meine Vorliebe für Spiele wie Die Sims oder The Movies ist ebenso bekannt wie die für Fußball Management in jeglicher Form. Und ich gebe zu: Die Vermischung dieser beiden Elemente klingt reizvoll. Ist sie aber nicht...

Spieler mit Persönlichkeit

Der handelsübliche Fußball-Manager, sei es nun der englische von Sports Interactive oder der deutsche aus dem Hause Bright Future, setzt in erster Linie auf Zahlen und Kopfkino, wenn es darum geht, die virtuellen Kicker mit Leben und Persönlichkeit zu füllen. Ganz anders Lords of Football (LF), das vom italienischen Independent Team Geniaware entwickelt wurde. Hier haben die Sportler (beinahe wie bei klassischen Vertretern à la Anstoß) Laster und Bedürfnisse, die einerseits zwar ihre Zufriedenheit steigern, aber auch zu Süchten und damit negativen Auswirkungen wie Formschwäche führen können, wenn man nicht regulierend eingreift. Klingt interessant?

Das ist jedoch nicht das einzige Merkmal, mit dem man sich von den eingesessenen Größen abheben möchte. Hier hat man z.B. keinen Zugriff auf die Finanzen und kann sich dementsprechend keine Spieler auf dem Transfermarkt anschauen oder aussuchen. Stattdessen gibt man dem Präsidium eine Position und drei bevorzugte Eigenschaften, die der Spieler mitbringen muss und irgendwann kriegt man das Ergebnis präsentiert. Man muss sich nicht um den Ausbau des Vereinsgeländes kümmern. Man kümmert sich nur um sein Team. Morgens, Abends und überhaupt. Und damit kommt der Sims-Aspekt ins Spiel, wobei die Mechanik hier weniger an die Lebenssimulation, sondern eher an Lionheads The Movies erinnert.

Wer hart trainiert, darf auch feiern: In Lords of Football kümmert man sich nicht nur um die Geschicke auf dem Platz.
Wer hart trainiert, darf auch feiern: In Lords of Football kümmert man sich nicht nur um die Geschicke auf dem Platz.
Dort musste man sich auch um die Stars kümmern, konnte sie aber nur passiv beeinflussen.

Fußball-Gott

Was heißt das in der Praxis? Wie in einschlägig bekannten "Götterspielen" à la Black and White, Populous & Co kann man hier Figuren direkt aufnehmen (quasi wie an einer Hand an seinen Cursor hängen) und dort fallen lassen, wo man sie hinhaben will. Das beginnt beim Trainingsplatz, auf dem man verschiedene Areale für unterschiedliche Trainingseinheiten wie z.B. Passen, Standards oder hohe Bälle einrichten kann. Das kann aber auch der Physiotherapeut, der Raum für die Taktikschulung, die Laufbahn um den Trainingsplatz (Kondition) oder der Fitnessraum sein. Je nachdem, wo man die Herrschaften ablädt, nehmen sie ihre Arbeit auf und verbessern so nach und nach ihre Fitnesswerte – und das zumeist nachvollziehbar. Doch schon mittelfristig wird diese eigentlich gute Idee torpediert, da letztlich vernünftiges Training ohne überzogenes Mikromanagement kaum einstellbar ist. Zwar kann man in den überschaubaren Statistiken einsehen, wo die Spieler Verbesserungsbedarf haben. Doch die Filteroptionen, um die Spieler entsprechend in kleinen oder größeren Gruppen zusammenzufassen und gemeinsam zu sammeln oder abzuladen, könnten differenzierter sein. Immerhin gibt es ein paar sinnvolle Sortieroptionen, so dass man nicht komplett auf händisches Verwalten angewiesen ist. Aber z.B. alle Verteidiger aufzunehmen, ist nur über einen Umweg möglich.

Eine gute Idee: Im Spiel kann man wie in PES auf Wii Lauf- und Passweg vorgeben.
Eine gute Idee: Im Spiel kann man wie in PES auf Wii Lauf- und Passweg vorgeben.
Bis hierhin ist das Vorgehen ungewöhnlich, aber interessant. Ab hier wird es jedoch "anders". Denn ein normaler "Tag" setzt sich aus dem Training zusammen sowie dem sozialen Miteinander, bei dem sich die Kicker abends über die Etablissements der Stadt wie Bar, Restaurant, Disco oder Radiosender verteilen und dort ihren Bedürfnissen außerhalb des Fußballfelds nachkommen. Die einen essen gerne, die anderen trinken – auch mal einen über den Durst. Und ein Egomane fühlt sich wohl, wenn er bei einem Fanclub-Treffen oder im Senderstudio interviewt wird. Doch das kann zu Süchten führen, die wiederum therapiert werden müssen. Es sei denn, man findet es gut, wenn der Starstürmer halbalkoholisiert die Fans anmacht, die dem öffentlichen Training beiwohnen. Schade ist allerdings, dass die meisten dieser Vorfälle nur textuell erkennbar gemacht werden, anstatt z.B. tatsächlich einen mit dem Spieler diskutierenden Fan zu sehen. Wie dem auch sei, mit dieser Sozialkomponente kommt in der Tat eine interessante Variation in den Manager-Alltag. Nur: Sie wird vollkommen oberflächlich behandelt. Und letztlich läuft es trotz anderer Benutzerführung auch hier nur auf Statistiken bzw. das Verbessern bestimmter Werte (in diesem Fall Zufriedenheit) hinaus. Da können auch die Tanzbewegungen des Spielers auf dem Wege zum Training, die eine Partysucht kennzeichnen, nicht mehr viel reißen. Es passt einfach nicht.

Was zählt, ist auf'm Platz

Fassen wir bis hierhin kurz zusammen: Die Trainingsgestaltung ist prinzipiell interessant und wird über besondere Leistungen innerhalb der Spielwelt kontinuierlich mit neuen Optionen versehen. Allerdings sind die Zusammenhänge sehr rudimentär und oberflächlich.

Wer einen über den Durst trinkt...
Wer einen über den Durst trinkt...
Das führt bereits mittelfristig zu Redundanz, weswegen ich mich lieber wieder den "richtigen" Managern von EA oder Sega zuwende, wo ich mehr gefordert werde. Die Sozialkomponente, die sich für mich aber nur in Ansätzen gelungen anfühlt und letztlich nicht das Potenzial ausspielt, schafft es ebenfalls nicht, mich langfristig zu binden. Doch was ist mit dem eigentlichen Fußball und den taktischen Einstellungen? Was ist mit der Matchdarstellung, der Spielintelligenz und der Ergebnisfindung auf dem Platz?

Das befindet sich größtenteils auf Par mit den üblichen Management-Spielen - von vor etwa vier oder fünf Jahren. Nachdem man seine Mannschaft zusammengestellt und hinsichtlich Passverhalten oder Pressing mit den wenigen Optionen eingestellt hat, stehen einem zwei Ergebnisberechnungen zur Verfügung. Die Sofortberechnung spuckt nach wenigen Sekunden das Resultat aus - effektiv, zeitsparend und langweilig. Interessanter ist der 3D-Modus.

... muss entweder in Therapie oder darf sich mit Strafmaßnahmen vergnügen.
... muss entweder in Therapie oder darf sich mit Strafmaßnahmen vergnügen.
Der punktet zwar nicht mit ausgefeilten Animationen oder überzeugender Ballphysik, sondern zeigt eher rudimentäre sowie sich sehr schnell wiederholende Bewegungsphasen, vermittelt aber dennoch ein dynamisches Gesamtbild. Zumindest hatte ich nicht das Bedürfnis, mich vom Bildschirm abzuwenden oder die Zeit vorzuspulen - nicht, dass diese Funktion angeboten würde. Zusätzlichen Reiz gewinnt das Match durch einen kleinen Geniestreich, den zukünftige Manager durchaus aufnehmen dürfen. Wo andere Trainer über Tastendruck ein Kommando auf den Platz schicken, das von Spielern mal mehr, mal weniger akkurat befolgt wird, ist man hier aktiver unterwegs: Pausiert man, kann man wie bei Pro Evolution Soccer auf Wii mit der Maus einem Spieler einen Laufweg vorgeben und dem Ballführenden anzeigen, in welchen Bereich er das Spielgerät passen soll. Die "Energie", die von diesen Aktionen (auch in der Abwehr möglich) benötigt wird, sich aber immer wieder auflädt, sorgt dafür, dass man nicht ständig eingreifen kann und die Kicker auch selbstständig versuchen, den Ball im gegnerischen Tor unterzubringen - und das meist anständig.

Lizenzfreie Kulisse

Die taktischen Optionen sind oberflächlich.
Die taktischen Optionen sind oberflächlich.
Sorgt dieses Feature noch für Freude, sorgt das Lizenz-Umfeld für Ernüchterung: Die fünf Länder mit je zwei Ligen fallen durch Fantasynamen der Mannschaften sowie rudimentär an die Original-Embleme erinnernden Wappen aus. Man fühlt sich hier ebenfalls an Konamis PES-Serie erinnert, in der fehlende Lizenzen durch einen ähnlichen Kniff wett gemacht wurden. In England z.B. kämpft Manchester Reds gegen Manchester Eagles oder London Blues tritt gegen die London Gunners an. In Deutschland trifft man auf die Dortmund Bees, die Hamburg Snakes, die Bremen Greens oder die München Saints. In Italien, Spanien und Frankreich sieht es ähnlich aus. Dementsprechend sucht man natürlich auch Original-Spielernamen vergeblich. Wobei man sich hier nicht einmal annähernd an den echten Kickern orientiert, sondern mehr oder minder zufällig generierte Namen in die Waagschale wirft und man im schlimmsten/besten Fall mit Spitznamen wie The Duke, Lionheart etc. abgespeist wird. Zwar kann man für die eigene Mannschaft Namen editieren, doch trotzdem mag es nie wirklich passen. Dementsprechend fehlt natürlich eine Identifikations-Komponente.

Dafür werden die eingestellten Trainingsmaßnahmen visualisiert.
Man sieht nicht nur die Ergebnisse des Trainings in Form von Zahlenwerten, sondern kann aktiv zuschauen
Da zudem Statistiken  mager ausfallen und man abseits der Trainings- und Abendgestaltung kaum Optionen hat, auf den Club einzuwirken, hält sich die Motivation in Grenzen. Daran kann auch die prinzipiell saubere, wenngleich spartanische Kulisse nichts ändern. Das Vereinsgelände mit sämtlichen Trainingsstrukturen sowie das umliegende Stadtviertel, in dem sich die Kicker abends herumtreiben, sieht nett aus, lässt sich auch aus der Nähe betrachtet und erinnert in seinen besten Momenten mit seinem Wuselfaktor tatsächlich an die Sims oder The Movies - allerdings gibt es von diesen Momenten eindeutig zu wenige, als dass sich diese positiv auf die Lust auswirken könnten, weiterzuspielen. Im besten Sinne ist dies ein Manager für zwischendurch. Das mag mobil vielleicht funktionieren, doch am PC ist genau dieses Genre eigentlich eines, das sich nicht "mal so für zwischendurch" eignet.

Fazit

Fußball-Management trifft auf Götter-Spiel und Lebens-Simulation: Was anfänglich reizvoll klingt, zieht sich beim Spagat zwischen allen Stühlen einen mehrfachen Bänderriss zu. Die Einflüsse der Lebenssimulationen à la Sims oder The Movies sind grundsätzlich interessant, bleiben aber letztlich zu oberflächlich. Auf jeden Fall schaffen sie es nicht, die Kicker mit Persönlichkeit zu füllen, da letztlich doch wieder alles auf Statistiken und Zeitmanagement hinausläuft. Hinsichtlich der Tätigkeit als Fußball-Lehrer bleibt man zwar ebenso oberflächlich und mitunter sogar schlichtweg altmodisch, hat aber immerhin eine visuell interessante Trainingsgestaltung sowie eine Eingriffsmöglichkeit im Match wie in Pro Evolution Soccer zur Verfügung.  Dass mir trotz prinzipiell hohem Interesse an beiden Elementen (Sims/Manager) die Lust relativ schnell verging, liegt in erster Linie daran, dass hier beide Aspekte weder ihr Potenzial ausschöpfen noch harmonisch zusammengefügt wurden. Das vermeintliche Ziel der Entwickler ist immer wieder spürbar, das Potenzial scheint immer wieder durch. Doch es braucht mehr als ein paar interessante Ideen, um die Sims-Spieler vom Fußball-Management und die Trainerfüchse vom sozialen Hintergrund der Kicker zu begeistern. 

Pro

spannendes Konzept: Mix aus Sims und Fußball Manager
visuell interessante Trainingsgestaltung
aktiver Match-Eingriff à la Pro Evolution Soccer auf Wii
Kicker können Süchte entwickeln, die therapiert werden müssen
passable Matchdynamik

Kontra

Vermengung der beiden Elemente geht nicht auf
sowohl als Lifestyle-Sim als auch als Manager zu oberflächlich
Fantasynamen von Vereinen und Spielern
wenige taktische Möglichkeiten
Kulisse schwankt zwischen spröde und nettem Wuselfaktor
veraltete Matchdarstellung

Wertung

PC

Auf dem Papier geht der Mix aus Sport-Management und Lifestyle-Sim auf, in der Praxis schafft das Konzept den erforderlichen Spagat nicht und bleibt durchweg oberflächlich.

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