1917: Der Aufstand 04.05.2012, Bodo Naser
1917: Der Aufstand

Im Test:

Obwohl historisch durchaus interessant, war der Russische Bürgerkrieg noch nicht Thema eines Strategiespiels. Dem brutalen Ringen zwischen Roten gegen Weißen hat sich jetzt AGEOD in 1917: Der Aufstand (ab 4,96€ bei kaufen)angenommen, das erstmals auf Deutsch erschien. Können die verkopften Franzosen mal wieder ein gelungenes Militärspiel anbieten?

Rot gegen Weiß

Nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Das gilt auch für die Kämpfe, die der Oktoberrevolution folgten.
Nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Das gilt auch für die Kämpfe, die der Oktoberrevolution folgten.
Noch im Ersten Weltkrieg wurde gleich die Saat für den nächsten gelegt, der nahtlos folgte. Die Rede ist vom Russischen Bürgerkrieg, der im Anschluss an die bolschewistische Oktoberrevolution tobte. 1917-23 kämpfte das kommunistische Land gegen innere und äußere Feinde ums schiere Überleben. Eine multinationale Allianz aus Großbritannien, USA, Kanada, Italien, Frankreich, Polen, Tschechoslowakei und sogar Japan wollte das rote Flämmchen ausblasen, bevor es richtig brannte und vielleicht ganz Europa in Brand steckte. Schließlich hatten sich die Roten die Weltrevolution der Arbeiter und Bauern auf die Fahnen geschrieben, die Regierungen im Westen nicht wollten. Sie unterstützten nicht nur die Konterrevolutionäre, sie schickten sogar eigene Truppen wie die tschechische Legion.

Der Krieg lief anfangs schlecht für die Kommunisten, da es überall zu Aufständen der Weißen kam. Zudem waren die neuen roten Revolutionsgarden nicht in der Lage, den Invasoren geordneten Widerstand zu leisten, wie man beim Einmarsch der Mittelmächte 1918 sah, der zum Durchmarsch wurde. Erst Kriegskommissar Leo Trotzki schaffte es, den ungeordneten Haufen in eine echte Armee zu verwandeln, die sich dann mit Stolz die „Rote Armee“ nannte. Nun hatten sie die einheitliche Führung, die sie zum Sieg brauchten. Den wechselhaften Kriegsverlauf kann man auch im 1917: Der Aufstand nachspielen, das neben Russland auch Nebenkriegsschauplätze wie Finnland, Sibirien oder Ukraine vereint.

Militärspiel für Kenner

Kommunisten wie Weiße verfolgen ihre eigenen Pläne. Bei jeder Runden-Schlacht muss man Ziele ninnehmen.
Kommunisten wie Weiße verfolgen ihre eigenen Pläne. Bei jeder Runden-Schlacht muss man Ziele einnehmen.
Militärstrategen können vier unterschiedlich lange Feldzüge und drei Szenarien spielen, die gut wiederspielbar sind, da man immer auch mal die andere Seite wählen kann. So beginnt man etwa als Finne, um danach die kommunistischen Russen oder stattdessen die Weißen zu probieren. Eine große Kampagne umfasst den ganzen Kriegsverlauf von 1917-23. Sogar einen fiktiven Feldzug der Deutschen kann man spielen, die hier bereits 1921 versuchen, die Sowjetunion zu erobern. Sonst geht’s aber betont authentisch, komplex und rundenbasiert zu, wie man es von AGEOD kennt. So sind die Konterrevolutionäre in südliche und östliche Weiße zersplittert, die alle ihre eigenen Ziele verfolgen.

In jeder Schlacht muss man mehrere Orte einnehmen oder halten, die der jeweilige Feind auch beansprucht. Man rückt vor und belagert viel, um etwaige Festungen zu knacken. Dabei setzt man Einheiten ein, die ausrüstungstechnisch auf dem Stand des Ersten Weltkriegs bzw. kurz danach sind. Die deutschen Panzer sind klobige Metallkisten, die sich kaum bewegen können, und es gibt erstmals Doppeldecker. Einsteiger dürfte das Spiel eher verschrecken, denn es ist überhaupt nicht zugänglich: Das Tutorial ist ein Witz, die Texte nur halb übersetzt und vieles findet man nur durch Zufall. Veteranen, die vielleicht schon Rise of Prussia oder was anderes von AGEOD gespielt haben, haben daher einen Vorteil. Leider lässt sich der nicht online ausspielen, denn es gibt keinen Multiplayer.

Komplexes Taktieren

Jede Einheit hat ihren General, der hoffentlch was auf der Pfanne hat.
Jede Einheit hat ihren General, der hoffentlch was auf der Pfanne hat.
Demjenigen, der sich ins komplexe Spiel verbeißt, bietet sich einiges: Man kann man viel entscheiden und das hat Einfluss auf den Schlachtverlauf. Ein wichtiger Punkt ist Führung, die von zeitgenössischen Generälen übernommen wird. Jeder Kommandeur hat seine Vorteile, so kann ein Spezialist für Bahntransport schneller per Eisenbahn vorrücken. Elementar ist die Fähigkeit der Offiziere, denn nur wenn ein Anführer das Zeug dazu hat, kann er größere Verbände führen. Ein Zweisterne-General sollte daher nicht zu viele Truppen unter sich haben, da er sonst einen Abzug bekommt. Deshalb sollte man die Einheiten notfalls neu gruppieren und besser zusammenstellen.

Auch die Fortbewegung auf der Karte hat damit zu tun. Da man in Russland auf teils große Entfernungen, zweifelhaftes Wetter und schlechte Straßen trifft, sollte man immer darauf achten, wo man marschiert. Bahntransporte sind vorzuziehen, wofür man aber nur eine gewisse Kapazität hat. Hat man die ausgeschöpft, heißt oft nur noch latschen bis zum nächsten Zug. Das kann aber dauern, weshalb man stets beachten sollte, wann man am Ziel sein möchte. Sonst ist der Feind vielleicht schon weg, der natürlich seinerseits seine Ziele verfolgt. Immerhin kann man einstellen, wie aktiv die KI sein soll. Ein weiteres wichtiges Moment ist die Versorgung der Einheiten, die bei 1917 beachtet werden sollte. Nur versorgte Einheiten haben volle Kampfkraft.

Schlachten laufen von selbst

Derart lapidar bekommt man das Ergebnis einer Schlacht mitgeteilt, in die man nicht direkt eingreifen kann.
Derart lapidar bekommt man das Ergebnis einer Schlacht mitgeteilt, in die man nicht direkt eingreifen kann.
Hauptmanko sind einmal mehr die automatischen Schlachten, bei denen man ganz anders wie bei Total War zum Zuschauen verdammt ist. Natürlich hat man sich inzwischen daran gewöhnt, denn AGEOD hat sie noch nie im Angebot gehabt. Dennoch fällt natürlich auf, mit welcher Akribie man etwa die verschiedenen Arten der Bewegung einstellen kann, doch während der Schlacht, die am Ende einer Runde ausgezählt wird, gibt‘s dann plötzlich gar nichts zu tun. So wird man oft besiegt, obwohl man noch hätte reagieren können. Zudem bekommt man so nie den Eindruck, wirklich mitten im Geschehen zu sein. In punkto Atmosphäre hat 1917 daher einige Nachteile, auch wenn alles in revolutionäre Symbolik getaucht ist.

Aufgrund der automatischen Gefechte muss man vorher bestimmen, wie man sich verhält, wenn man eine Provinz betritt. Man greift also nicht automatisch alle Ziele an, die sich einem bieten, was ein Vorteil ist. Man kann auch nur verteidigen und es gibt sogar die Möglichkeit, sich passiv zu verhalten.  Meist ist eine kontrollierte Offensive angezeigt, bei der man Feinde bekämpft aber eben nicht bis zum letzten. Zudem gibt‘s spezielle Order für bestimmte Einheiten: Fliegern kann man befehlen, dass sie ein Depot zerbomben sollen. Und Kriegsschiffen, dass sie die Küste beschießen sollen.

Auf Krieg konzentriert

Über die reine Kriegführung hinaus ist wenig zu tun, da alle anderen Bereiche nicht berücksichtigt wurden, die es z.B. bei Pride of Nations noch gab.  Obwohl man im Kriegstagebuch alle Bereiche anklicken kann, sind dort außer der Kriegsproduktion keine Inhalte zu finden. Dort steht immerhin, wann welche Truppen fertig zum Einsatz sind. Wer sich auf Diplomatie oder Politik gefreut hat, dürfte enttäuscht sein, denn diese Bereiche wurden in letzter Minute gestrichen, auch wenn auf der Packung noch davon die Rede ist. Im Spiel kann man aber weder in den Szenarien noch im Feldzug verhandeln. Das Spiel konzentriert sich rein auf die Kämpfe. So hat man öfter das Gefühl, hier nicht die totale Kontrolle zu haben.

Fazit

1917: Der Aufstand ist trotz des beschränkten Umfangs eines  der besseren Spiele von AGEOD. Zwar kommt es nicht an Rise of Prussia ran, da dafür eine zentrale Person wie der Alte Fritz fehlt, aber es ist besser als Pride of Nations, das zu ausufernd war. Rundenstrategen bekommen hier taktisch anspruchsvolle Schlachten im unverbrauchten Russischen Bürgerkrieg, bei dem man neben Rot und Weiß auch noch weitere Parteien nehmen kann. Allerdings sollte man schon jemand sein, der sich gern in solche militärhistorische Themen vertieft, denn geschenkt bekommt man nix – intuitiv und zugänglich ist das Spiel nicht.  Dafür kann man große Truppen kommandieren, die authentisch bewaffnet, versorgt und strukturiert sind. Schade ist, dass es übers Taktieren hinaus keine weiteren Aufgaben gibt. Außerdem sollte man AGEODs automatische Schlachten mögen, die nix für Leute sind, die wie bei Total War mittendrin sein wollen. Unterm Strich hatte ich dennoch Spaß mit den Feldzügen.       

Wertung

PC

Anspruchsvolle Runden-Strategie in postrevolutionärem Szenario - leider fehlt es an Mittendringefühl und Aufgaben abseits des Krieges.

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