Im Test:
Mein bester Freund bin ich
Der wichtigste Grund, sich für Call of Duty: Black Ops 2 (BO2) zu begeistern, ist mal wieder die Mehrspieleraction. Allerdings auch nur, weil sie eine Art Best-of von Black Ops und Modern Warfare 3 ist - eine Zusammenfassung der besten Modi, die für jeden Geschmack etwas in petto haben dürfte. Es gibt zwölf Varianten für Otto Normalshooter, vier für die Hardcore-Veteranen, zwei Trainingseinheiten für Einsteiger - und vier „Party Games“, die u.a. das großartige „Gun Game“ enthalten. Zwischen vier und 18 Spieler sind zugelassen, die sich über zum Teil sehr große Karten jagen: Ein Flugdeck, eine ausufernde Hollywood-Villa oder ein zerstörter Teil von Los Angeles sind mal speziell für den Multiplayer gestaltet, mal aus der Kampagne übernommen.
„Jagen“ sollte übrigens wörtlich genommen werden, denn die Geschwindigkeit im Mehrspieler ist nicht ohne Grund ebenso berühmt wie berüchtigt - rasend schnelle Reflexe entscheiden hier über den Punktanstieg im „Kill“- oder „Death“-Bereich, Reaktionen haben gefälligst im Sekundenbruchteil zu erfolgen.
Der fast perfekte Soldat
Faule Hunde greifen zu den vorgefertigten Klassen und führen ein gemütliches Leben - aber der Profi kriegt schon bei der Vorstellung daran fiebrig zuckende Augenlider.Wie gewohnt ist der eigene Online-Soldat stark personalisierbar; von der Knarre über die Ausrüstung und die Perks bis hin zur Spielerkarte, den Scorestreaks und dem aus vielen geometrischen Figuren bastelbaren Emblem ist alles dem persönlichen Geschmack überlassen. Das Waffenarsenal ist dieses Mal allerdings einem Punktesystem namens „Pick 10“ untergeordnet: Sofern bereits freigeschaltet, kann man sich die eigenen Klassen nach Belieben zusammensetzen, allerdings kostet jedes zusätzliche Teil einen wertvollen Punkt - wer seine Knarren also mit Extras spicken will, muss an anderer Stelle sparen.
Im Gegensatz zu Battlefield 3 und Medal of Honor: Warfighter gibt es hier keinen Serverbrowser, sondern ausschließlich Auto-Matchmaking. Das zugegebenermaßen sehr gute Dienste verrichtet: Man wird automatisch in ein möglichst volles Spiel gesteckt, die Teams werden anhand der Ränge zusammengestellt. Und die Lagfreiheit der Server ist bemerkenswert, die Spiele laufen schnell und flüssig ab - und falls dem mal nicht so sein sollte, wird der Host automatisch gewechselt (was allerdings eine kurze Wartezeit nach sich zieht).
Activision legt dieses Mal noch mehr Wert auf die Einbeziehung der eSports-Szene, indem das so genannte „Codcasting“ eingeführt wird. Das ist eine Livestream-Funktion, mit der man seine Matches über YouTube an ausgewählte Freunde oder die Welt an sich senden kann. Klingt unterhaltsam, war in der Präsentation auch eine nette Sache, lief aber im Live-Testbetrieb noch nicht.
Entscheidungen, Entscheidungen…
Kommen wir zur Solo-Kampagne. Kennt man einen Shooter, kennt man sie alle? Im Grunde ja: Natürlich ist die KI der Gegner hier größtenteils virtuelle Luft, denn sie agieren berechenbar bis dämlich - und selbst auf den höheren Schwierigkeitsstufen werden sie in erster Linie dadurch zur Herausforderung, dass sie wie wild mit Granaten und Raketen um sich schmeißen. Das Missionsdesign ist über weite Teile uninspiriert, bedient alle Genrestandards, die es scheinbar zu bedienen gilt. Klar gibt es Schleichmissionen, in denen man unauffällig durchs hohe Gras huschen oder an anderer Stelle enttarnendem Scheinwerferlicht ausweichen muss. Der Einstieg in die Kampagne könnte tatsächlich öder kaum sein, denn hier wird all das Angesprochene in eine lange, schlauchförmige Mission gepackt, gespickt mit unendlich scheinenden Massen an Klonsoldaten. An dieser Stelle könnte man bereits die Lust verlieren und BO2 als „nächster blöder Military-Scheiß“ abhaken.
Da wäre zum einen die Handlung. Sie ist -für einen Militärshooter, wohlgemerkt- bemerkenswert gehaltvoll: Es geht um Rache, Hass, Sippenhaft und einen komplett durchgeknallten Weltensprenger, der seine Schwester vermisst. Und vor allem ist sie nicht so linear, wie man anfangs meinen möchte. Rast man durch die Kampagne, was etwa sieben Stunden dauert, dann hat man gerade mal eines von sechs möglichen Enden gesehen, die sich zum Teil drastisch voneinander unterscheiden. An mehreren Stellen des Spiels muss man Entscheidungen treffen: Töte ich diese Person oder lasse ich es? Rette ich diese Nase aus der Gefangenschaft oder pfeife ich darauf? Wie bei Heavy Rain bestimmt man durch diese Entscheidungen in erster Linie, wer lebt und wer stirbt.
Zurück in die Zukunft
Die Handlung springt dauernd zwischen zwei Zeitperioden hin und her - 1986 und 2025. Aufträge der ersten Periode könnten auch aus Black Ops 1 stammen, sie sind ganz klar der schwache, uninspirierte Teil der Kampagne.
Etwas interessanter wird’s, sobald man sich der Zukunft zuwendet: Mal muss man den Weg mit einer schwer bewaffneten Flugdrohne freiballern, dann steuert man einen Aufklärungsspinnenbot durch klaustrophobisch verzerrte Lüftungsschächte. Man steuert kleine Stapfmechs, kann mit einer Scharfschützenknarre auch durch Wände ballern und stürzt sich im Flughörnchenanzug von einem Berg - was zwar cool inszeniert, aber aufgrund nur minimaler Interaktion eine Mogelpackung ist.
Schön ist, dass die Entwickler von den berüchtigten Schlauchlevels etwas Abstand genommen haben. Klar, nach wie vor gibt es in jeder Mission nur ein Ziel zu erreichen, aber der Weg dahin ist weniger linear als von Call of Duty gewohnt. Zwar gibt es keine komplette Freiheit wie z.B. in Crysis, aber dennoch zumindest einen Teil davon: Links, rechts, oben und unten gibt es mehrere Weg zum Auftragsende.
Endlich mal wieder Zombies…
Ein komplett neues Element der Kampagne nennt sich Eingreiftruppe - und wenn ich schon vom Solo-Abenteuer an sich abrate, dann gilt das doppelt und dreifach für diese Pseudo-Strategie. Erinnert ihr euch an die „Stage Battles“ in Brütal Legend? Fandet ihr die gut? Falls ja: Herzlichen Glückwunsch, tragt euch hier bei der Eingreiftruppe ein. Ich fand die immer furchtbar. Und so geht es mir hier auch: Theoretisch könnte das eine Art Mini-Full Spectrum Warrior sein; aus der Vogelperspektive kann man seinen Einheiten, einzeln oder dem ganzen Trupp, Anweisungen geben, ihnen den Zugriff vorschreiben oder sie an verschiedene Positionen schicken. Praktisch allerdings ist das System eine Katastrophe: Die Steuerung zuckt herum, die Truppen ignorieren Befehle. Die einfachste Lösung ist daher, sich direkt in eine Einheit reinzubeamen und ganz normal aus der Ego-Perspektive herumzuballern.
Deutlich interessanter wird es, sobald man den dritten Punkt des Hauptmenüs für sich entdeckt und sich damit unter die Zombies (dt. „Überlebenskampf“) begibt. Zum einen kann man es so spielen wie im Vorgänger: Vier Spieler verteidigen sich so lange es geht gegen immer stärke Horden der Unterwelt, bauen Barrieren auf, kaufen sich neue Waffen, arbeiten zusammen. Mit „Tranzit“ wird sogar eine Art Mini-Kampagne daraus, denn hier muss man sich von Kampfort zu Kampfort ballern, verbunden durch eine Buslinie, deren absurder Robo-Fahrer pausenlos seine Runden dreht.
Geister in drei Dimensionen
Die deutsche Version ist dankbarerweise keine der berüchtigten „deutschen Versionen“ - das Spiel ist (trotz oder wegen des Patch-Buheis vor Release) komplett ungeschnitten. Allerdings sind die Konsolenversionen zwangsübersetzt, nicht mal auf der PS3 sind die englischen Original-Sprecher wählbar. Zugegebenermaßen sind die Stimmen im Großen und Ganzen wirklich gut, aber es gibt einige Ausreißer nach unten - wie den näselnden Harper, den nervenden Briggs oder den Anführer der Mujahedin, der wie ein kastrierter Bodenturner klingt.
Das Beste zum Schluss: Der Soundtrack von Jack Wall ist verdammt gut! Wirklich, wirklich gut. Natürlich kommt er nicht ganz ohne das für Militär-Shooter obligatorische Bumms-Tataa aus, aber der Großteil davon ist ruhig, elektronisch, interessant. Und der Titeltrack aus der Feder von Altmeister Trent Reznor erinnert zwar an „The Social Network“ - aber dafür hat er nicht ohne Grund einen Oscar bekommen! Extratipp: Bleibt nach dem Abspann der Kampagne dran - es gibt wieder ein herrlich bizarres Video zu sehen!
Die PC-Version...
...reiht sich nahtlos in die Linie der Enttäuschungen ein - vor allem technisch. Normalerweise haben PC-Fassungen grafisch deutlich die AK vorn, wie man zuletzt sehr gut an Battlefield 3 oder Medal of Honor: Warfighter sehen konnte. Nicht so bei Black Ops 2: Hier gibt es zwar etwas bessere Effekte wie beim Anti-Aliasing, die sich aber spürbar negativ auf die Spielgeschwindigkeit auswirken. Und der Auflösungsgrad der Texturen mag in mehreren Stufen einstellbar sein, das Resultat sieht trotzdem nicht deutlich besser als auf den Konsolen aus. Trotzdem wird um einiges mehr Platz gefordert: Gut 21 Gigabyte müssen freigeschaufelt werden, um Kampagne, Multiplayer und Überlebenskampf installieren zu dürfen - was übrigens auch separat geht. Black Ops 2 setzt Steam als Plattform und Kopierschutz voraus, was den praktischen Nebeneffekt hat, dass die PC-Fassung die einzige Version ist, bei der wir hierzulande die (deutlich besseren) englischen Originalsprecher zu hören bekommen.
Und auch im Mehrspielerbereich kann der gute alte Rechenfreund nicht punkten - denn auch hier machen die Entwickler überdeutlich, dass man es nicht mit einer nativen Entwicklung, sondern mit einer Konsolenumsetzung zu tun hat: Es gibt ausschließlich Auto-Matchmaking ohne Serverbrowser, maximal 18 Shooter-Freunde dürfen sich an den vielen Spielvarianten gütlich tun. Im Gegensatz zu den Konsolenversionen wird hier allerdings gleich die klassische „Nuketown“-Map in der 2025-er Variante mitinstalliert - und die ist auch heute noch ein großer, surrealer Spaß, den man sich in mehreren Spielmodi gönnen darf. Im Zweifelsfall hat die PC-Fassung natürlich den großen Vorteil der präzisen Tastatur-/Maus-Steuerung; wer darauf allerdings keine Lust hat, darf auch via Gamepad loslegen.
Fazit
Militärshooter haben aktuell das gleiche Problem wie Zweiter-Weltkriegs-Ballereien bis vor fünf Jahren: Nach der tausendsten Wiederholung immergleicher Aufträge ist die Luft einfach raus. Irgendwann hat man alles gesehen und alles gespielt, ist wieder und wieder durchs hohe Gras geschlichen, während Gegner direkt an einem vorbei laufen. Call of Duty: Black Ops hatte dieses Problem, Medal of Honor: Warfighter zuletzt ebenfalls - und Black Ops 2 fällt über weite Teile auch nichts ein, um diese Eintönigkeit zu übertünchen. Klar, die Kampagne hat auch starke Momente; in der Zukunft gibt es futuristisches Spielzeug (persönliche Highlights: die CLAWs und die „Wallhack“-Knarre). Außerdem freue ich mich darüber, dass die neuen Entscheidungen, die man zu treffen hat, deutliche Auswirkungen auf die Handlung und die verschiedenen Spielenden haben. Trotzdem: Auch Black Ops 2 wäre wahnsinnig gern Modern Warfare 1 - und das ist fünf Jahre alt. Man kann dessen Erfolgsformel nicht ständig wiederholen und darauf hoffen, dass es keinem auffällt. Zumal sich weder KI noch Missionsdesign oder Technik ein Lob verdient haben. Hinzu kommt der strategische Reinfall namens „Eingreiftruppe“, der hier ebenso wenig zu suchen hat wie sein Pendant in Brütal Legend. Und so ist es wieder einmal der Multiplayermodus, der die Ballerei rettet: Die Modi überzeugen sowohl durch Masse als auch Klasse. Lags haben Seltenheitswert, die Gefechte laufen rasend schnell ab, einzelne Modi wie „Kill Confirmed“, „Hardpoint“ oder „Gun Game“ sind Motivations-Garanten. Aber auch hier: Bloß keine Überraschungen erwarten! Alle Modi sind bekannt, Serverbrowser gibt es nicht, die hohe Geschwindigkeit setzt wie immer eine ordentliche Frusttoleranz voraus. Und so weht die Flagge des Stillstands über einem soliden, aber alles andere als berauschenden Shooter. Wirklich schade.
Update zur PC-Version: Treyarch zeigt deutlich, was der Begriff „Konsolenumsetzung“ bedeutet: Mit Ausnahme der nur minimal besseren Grafik präsentiert die PC-Fassung das in jeder Hinsicht gleiche Spiel. Selbst im Mehrspielermodus orientiert man sich an 360 & PS3, ohne die zusätzlichen Ressourcen der Plattform auszunutzen.
Pro
Kontra
Wertung
360
Der vorbildliche Mehrspielermodus ist wieder einmal Herz und Seele von Black Ops und rettet das Spiel. Denn die Kampagne bietet zwar einige frische Ideen, liefert aber sonst uninspirierte Ballerware von der Stange.
PlayStation3
Der vorbildliche Mehrspielermodus ist wieder einmal Herz und Seele von Black Ops und rettet das Spiel. Denn die Kampagne bietet zwar einige frische Ideen, liefert aber sonst uninspirierte Ballerware von der Stange.
PC
Die PC-Version liefert minimal bessere Grafik, orientiert sich sonst aber in jeder Hinsicht an den Konsolenfassungen.
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